Band 1 der Raukland-Trilogie
Rauklands Sohn
Ronan ist Sohn des Königs von Raukland. Sein
Vater ist der mächtigste Herrscher im Nordmeer: ein machtgieriger Mann, der
sein Land von einem Krieg in den anderen führt. Ronan hat nie gelernt, das
infrage zu stellen: Freundschaften sind ihm unbekannt und die einzige Liebe,
die er kennt, gilt seinem Schwert. Doch dann fällt Ronan in Ungnade und wird
auf die nordische Insel Lannoch verbannt. Das Eiland muss er einnehmen oder er
verliert den Thron. Mit Waffengewalt ist das aussichtslos: Ronan braucht nicht
nur einen Freund an seiner Seite, er muss auch die Achtung der Prinzessin von
Lannoch gewinnen. Wie man das anstellt, kam in seinem Schwerttraining jedoch
nicht vor.
Die Bücher gibt es als E-Book und Print in allen
Online-Shops und Buchhandlungen und signiert auch bei der Autorin (Kontakt: http://www.jordis-lank.de/kontakt/)
Leseprobe - Kapitel 1 aus Rauklands Sohn
„Was hast du getan?“
Der Schrei trieb durch
seine bleierne Müdigkeit. Ein Schatten wuchs über ihm, Hände krallten sich in
sein Haar und rissen seinen Kopf zurück.
Der Schatten war sein
Vater.
Ronans Herz pochte so
wild gegen seine Rippen, dass es schmerzte. Er konnte sich nicht rühren, es
war, als läge eine tonnenschwere Felswand auf ihm. Nichts ergab einen Sinn.
Sein Vater schlug ihm
ins Gesicht. „Du bist betrunken!“
Nein, das nicht.
Niemals.
Die Erinnerung
an die letzten Stunden war dennoch fort.
„Wie ein Bauerntölpel
hast du dich von diesem Mädchen abfüllen lassen! Hast du nicht ein einziges Mal
daran gedacht, dass Bellingor sie dafür bezahlt hat?“
Noch ein Schlag ins
Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite. Alles war verschwommen. Er lag in seinem
Zelt. Hinter seinem Vater stand Jasimo, ein Schwert in der Hand. Getrocknetes
Blut klebte in seinem Haar.
Die Schlacht gegen
König Bellingor! Im Morgengrauen hätten sie auf dessen Heer stoßen sollen.
Es war taghell.
O Himmel ...
Vater schüttelte ihn.
„Ein Viertel der Männer hat uns deine Dummheit gekostet! Bellingor hat uns
überrannt! Und warum? Weil der Hinterhalt, den wir für ihn erdacht hatten, gar
nicht existierte! Wieso existierte er nicht, Ronan?“
Sein Magen zog sich zusammen.
Ein leiser, krächzender Laut kam aus seiner Kehle. Er war derjenige, der die
Männer an den Ausgang der Tsorsa-Schlucht hätte führen sollen, in den Rücken
von Bellingors Heer. Stattdessen war er immer noch hier. Ronan wälzte sich zur
Seite und erbrach. Sein Magen war eine flammende Kugel und er rang krampfhaft
nach Luft, die Hände gegen die Brust gepresst. Gott, war ihm schlecht.
„Bringt mir Zhodan!“,
schrie Vater.
„Sofort, mein König“,
kam die Antwort.
Ronan schloss die Augen.
*
Sie brachten ihn nach
draußen. Er versuchte zu gehen, aber er konnte es nicht. Also packten sie seine
Hände und Füße und schleiften ihn über den Boden. Auf einem freien Platz ließen
sie seinen Körper fallen.
Langsam, ganz langsam
legten sich die Nebelschleier in seinem Kopf. Er lag in der Mitte eines
Feldlagers, unweit einiger kleiner Feuer. Mehrere Dutzend Pferde standen mit
hängenden Köpfen da, gesattelt und gezäumt, die Leiber dampfend. Dahinter
Zelte, eine ganze Stadt davon. Über dem Größten wehte die Flagge Rauklands.
Eine Handvoll Männer
bildete einen Kreis um ihn, weitere kamen hinzu. Blut klebte an Händen und
Kleidern, trocknete auf den metallenen Ringen der Kettenrüstungen. Die Blicke
der Umstehenden sprachen Bände. Da lag er bäuchlings zu ihren Füßen: der Sohn
des Königs, siebzehn Jahre alt, jünger als die meisten von ihnen. Der Einzige,
der hier im Lager von dem geheimen Hinterhalt gewusst hatte. Heute Morgen hätte
er einen Teil des Heeres an die Tsorsa-Schlucht führen müssen, und er hatte es
nicht getan. Dass es Tote und Verwundete gegeben hatte, war seine Schuld.
Königssohn hin oder her, es wurde Zeit, dass jemand für die verlorene Schlacht
bestraft wurde.
An den Halmen vor seinen
Augen hingen Tautropfen. Ronan wollte sie vom Gras lecken, um das saure Brennen
in seinem Hals zu lindern. Warum war ihm so elend?
Nachdem der Trupp seines
Vaters vorausgeritten war, um vor Bellingors Heer zu gelangen, war es im Lager
ruhig geworden. Nur dann und wann kam ein Bote. Die meisten Männer schliefen,
und er hatte sie schlafen lassen. Mit Jasimo hatte er vor seinem Zelt gesessen.
Und dann? Da war kein Mädchen gewesen. Keines, an das er sich erinnern konnte.
Der Boden erzitterte
unter stampfenden Pferdehufen. Die wenigen erbeuteten Tiere wurden mit dem Zeichen
Rauklands gebrandmarkt. Ein Schimmel bäumte sich in den Seilen, die seinen Kopf
hielten, aber es nützte ihm nichts. Noch während das Pferd die Männer
umherzerrte, zwang einer von ihnen das glühende
Eisen auf das weiße Fell. Der
Schimmel schrie.
Der Geruch von
verbrannten Haaren wehte herüber. Ronan drehte den Kopf, bemüht, den erdigen
Geruch des Grases einzuatmen. Ein Schatten fiel auf ihn.
„Ronan.“
Zhodan kniete sich an
seine Seite. Der ältere Mann blickte auf ihn herab. Das lange Schwert an seiner
Seite berührte das taubedeckte Gras. „Was, zum Teufel, ist in dich gefahren?“
Eine ungewohnte Schärfe war in seiner Stimme.
„Weiß nicht“, flüsterte
Ronan. Es tat weh zu sprechen, aber Zhodans Blick schmerzte noch
mehr. Dachte er etwa, es wäre
Nachlässigkeit gewesen, die seinen Schüler in diese Lage gebracht hatte?
Zhodan setzte einen
schlanken Krug ins Gras.
Ronan schob die
Arme unter die Brust. Verständnislos betrachtete er erst den Krug, dann den
Mann neben ihm.
„Du bist betrunken“,
sagte Zhodan.
Nicht auch noch er!
„Nein! Bin ich nicht
...“
Zhodans Augen wurden
schmal. „Der Krug dort lag neben deinem Lager. Deine Decke ist mit Wein
besudelt. Ebenso, wie du es bist!“
Ronan schlug mit dem
Kinn ins Gras, als Zhodan seinen Arm verdrehte und ihm den Stoff seines Hemdes
ins Gesicht presste. Süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Er warf den Kopf
zur Seite und würgte. Tief aus seinem Inneren loderte Furcht empor. Die Nacht
fehlte in seiner Erinnerung. Alles war unwirklich, fremd. Er selbst war sich
fremd. Niemals in seinem Leben war er so betrunken gewesen, dass er nicht mehr
wusste, was er getan hatte!
Er presste eine Hand an
seinen Hals und holte zitternd Luft. Der Mann, der seit seinem fünften
Lebensjahr sein Lehrmeister, Begleiter und oft genug sein Beschützer gewesen
war, beugte sich vor und berührte seine Schulter.
„Sie bereiten den Pflock
vor.“
Ronan schloss die Augen.
Er hatte es geahnt.
Zhodans Hand drückte
leicht zu. „Du bist stark. Du wirst es hinter dich bringen ...“
Die letzten Worte hörte
Ronan kaum, denn Zhodan wurde zur Seite gestoßen und Vater nahm seine Stelle
ein. Eiserne Beinschienen umschlossen seine Unterschenkel wie Stiefelschäfte,
der Harnisch aus Kettengeflecht fiel bis zu seinen Knien. Leinenstoff spannte
sich darüber, feucht von Erde und Blut. Sein weißblondes Haar hing ihm auf die
Brust, die Augen, hell und stechend, brannten vor Zorn.
Azel Carinn, der König
Rauklands.
Reglos lag Ronan zu
seinen Füßen. Er wagte nicht zu blinzeln, denn mit jedem Herzschlag pulsierte
der Zorn an der Halsseite seines Vaters.
Stumm sahen sie einander an. Es
gab nichts zu sagen. Er hatte eine Strafe verdient. Kein Wort der
Entschuldigung würde daran etwas ändern. Dazu kannte er seinen Vater zu gut.
Azel über ihm stieß
einen verächtlichen Laut aus. Mit einer abrupten Bewegung erhob er sich. Nur
die Stiefel blieben in Ronans Blickfeld zurück.
„An den Pflock mit ihm!“
Jubelrufe erhoben sich
aus den Reihen der Männer. Ein ganzes Dutzend kam herbeigelaufen, um ihn an
einem Fichtenstamm zu zerren. Dieser war der Mittelpunkt einer
Zeltkonstruktion, deren Stoffbahnen nun eilig entfernt wurden. Straff gespannte
Befestigungsseile verliefen vom Boden bis zum oberen Ende des Stammes. Die
Männer stießen ihn gegen den Pfahl und banden seine Hände hoch über dem Kopf
zusammen. Erleichterung durchflutete Ronan. Er würde nicht auch noch darum
kämpfen müssen, aufrecht stehen zu bleiben.
Sein Publikum hatte sich
in zehn Schritten Entfernung zu einem Halbkreis formiert. Schräg hinter Ronan
stand Vater, eine Hand auf dem Knauf seines Schwertes. Erwartungsvolle Stille
senkte sich über das Lager.
„Zwanzig!“, rief Vater.
Die Menge johlte, und
Ronans Herz sank.
Er spürte Vaters Blick
auf sich, aber er wollte ihm nicht die Genugtuung geben, den Schrecken zu
zeigen, den ihm diese Ankündigung einjagte. Sein Kopf war wieder klar, doch
bald würde er sich wünschen, dass wäre nicht der Fall. Zwanzig Hiebe waren eine
grausame Strafe, und in seinem Zustand hatte er kaum Aussicht darauf, die
Tortur durchzustehen. Er versuchte, nicht daran zu denken. Seine einzige
Hoffnung war, felsenfest auf sich selbst zu vertrauen.
Mit den Fingern umfasste
er das Seil, das seine Arme nach oben zwang. Jemand zerriss sein Hemd, sodass
sein Rücken frei lag. Der Wind strich kühl über die feuchtgeschwitzte Haut.
Die Rute berührte ihn
leicht.
Der Mann, der sie hielt,
zeigte ein schmales Grinsen. Er bog den Zweig zu einem Halbkreis, um zu
demonstrieren, wie flexibel sein Instrument war. Das Ende war daumendick, die
andere Seite, die in seine Haut schneiden würde, sorgfältig von Rinde befreit.
Es zischte, als die Rute neben ihm durch die Luft schnitt. Das Geräusch jagte
einen Schauer über seinen Rücken.
(...)
Autorenvita
Schon als Kind hat Jordis Lank Romane
weitergeträumt, wenn sie enttäuscht war, dass sie zu Ende waren. Wie oft hat
sie sich gewünscht die Figur sein zu können, von der sie da las! Bis sie
merkte, dass das Schreiben ein noch viel intensiveres Erlebnis ist als das
Lesen. Manchmal, wenn alles passt, wenn sich die Geschichte auf einmal von
selbst schreibt und die Charaktere Dinge tun, von denen man zwei Sätze vorher
noch nichts wusste, dann - so sagt sie - verschwimmen die Grenzen zwischen
Fiktion und Wirklichkeit - und man ist wirklich mitten drin: Ein einzigartiges,
großartiges Gefühl, das süchtig macht.
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