Quick, quick, slow – Tanzclub Lietzensee
Die ehemalige Turniertänzerin Nele lässt ihre Terrassentür
immer offen. Wegen der Katzen. Ihr Lohn von dem kleinen Putzjob im Tanzclub
Lietzensee reicht kaum für sie und ihre beiden Söhne, schon gar nicht für eine
Katzenklappe. Eines Nachts überrascht sie einen Mann in ihrer Gartenecke im
Hinterhof in Berlin-Prenzlauer Berg. Er gibt vor, seine eigene Katze zu suchen.
Doch sie hält ihn für einen Dieb. Worauf ist er aus? Auf ihre goldenen
Tanzschuhe oder auf ihr Herz?
„Es ist auch ein Krimi. Ohne Leiche, aber mit Diebstahl“
(Lesermeinung)
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Leseprobe:
Nele Dorfen ließ die Terrassentür immer einen Spalt
weit offen. Auch nachts. Obwohl sie wusste, dass es gefährlich war. Man macht
das nicht, wenn man im Erdgeschoss mit Hinterhof am Prenzlauer Berg wohnt. Sie
tat es wegen der Katzen. Mimi und Motzo trieben sich die ganze Nacht draußen
herum. Am frühen Morgen kehrten sie zurück und kuschelten sich auf Neles Bett.
Die warmen Körper zu ihren Füßen retteten Nele in den Tag.
Mimi war eine
graumelierte Schönheit. Ihr Fell glänzte von dem reinen Futter, dass sie bekam.
Wenn Nele kein Geld mehr hatte, kochte sie das Futter mit dem Gemüse von der
„Tafel“ selbst. Nele hatte meistens kein Geld mehr.
Motzo, die
eigentlich auch hätte grau sein sollen, zeigte immer mehr ihre siamesischen
Vorfahren. Das gescheckte Muster auf dem Fell gefiel Jasper, dem jüngeren von
Neles beiden Söhnen, besser als das von Mimi.
Er jagte die Katzen gerne, er kuschelte mit ihnen und
erdrückte sie dabei fast. Marlon, der ältere Sohn, der schon sieben war, ging
ruhiger mit den Tieren um. Bedächtig, wenn überhaupt. Er las lieber und guckte
Fernsehen.
Nele schaute noch einmal ins hintere Zimmer, in dem
die beiden Söhne schliefen. Sie zog Jasper die Decke, die er im Schlaf herunter
strampelte, wieder bis zum Hals hoch, strich Marlon über die Stirn und löschte
das Licht.
Sie zog sich ihre Schlafleggins an und schlüpfte in
ihr eigenes Bett. Ein Sofabett im Wohnzimmer, das sie jeden Morgen einklappen
musste, wenn sie etwas Platz haben wollte. Oft fehlte ihr die Zeit dazu und die
Lust.
Das schlechte Gewissen wegen der offenen Terrassentür
nagte wie jeden Abend vor dem Einschlafen an ihr. Aber das Fenster im Zimmer
der Jungs ging zur Straße hinaus. Die war zu laut, um es offen zu lassen.
Kaputt vom Alltag schlief Nele trotz schlechten Gewissens schnell tief und
fest.
In dieser Nacht wachte sie auf. Sie begriff nicht, was
sie geweckt hatte. Alles war still. Aus dem Zimmer der Jungs drang kein Laut.
Sie husteten nicht, kein Alptraum plagte sie und sie stritten nicht. Nele
rollte sich zur Seite und zog die Decke bis über die Ohren. Noch kein Morgen.
Weiterschlafen. Herrlich.
Da hörte sie es draußen im Hof knacken. Ein lauteres
Knacken, als Tiere hervorbringen, wenn sie durch die Sträucher schleichen. Ein
lauteres Knacken, als der Wind verursacht. Eine Folge von Schritten. Nele
richtete sich senkrecht in ihrem Bett auf. Aufstehen und rausschauen? Ein
scharrendes Geräusch. Ein Ploppen, wie wenn jemand nach einem kleinen Sprung
auf der weichen Erde landet. Nele huschte zur Terrassentür und sah einen Mann.
Dunkle Jacke, dunkle Haare, dunkles Gesicht. Ein Mann
mit breiten Schultern stand in ihrer Gartenecke.
Zwischen schweren Tontöpfen hatte sie ihren Freiraum
mit ausrangierten Zaunelementen vom Rest des Hinterhofs abgetrennt. Sie
brauchte die Begrenzung, damit ihre Jungs, als sie noch kleiner waren, nicht
ständig davonliefen. Jetzt liebte sie diesen Hauch eines eigenen Gartens mitten
in der Großstadt.
Der Mann war viel zu nah für einen unbescholtenen
Hinterhofbesucher. Sie riss die Terrassentür auf und schrie: „Was machen Sie
da?“
Er fuhr mit einem Satz herum und starrte sie an.
„Ich ...“
„Wie können Sie mich so erschrecken? Sie riskieren,
dass ich einen Herzschlag bekomme!“
„Ich suche meine Katze“, stammelte er.
„Resi, wo bist du?“ schnurrte er gleich darauf in dem
hellen Singsang einer Katzensuch-Stimme.
Nele glaubte ihm kein Wort. „Sind Sie wahnsinnig? Mich
so zu erschrecken? Sie sind verantwortlich, wenn meine Söhne keine Mutter mehr
haben.“
Der Mann starrte sie wieder an. „Sie ist verloren
gegangen. Ich muss sie suchen. Eine echte Siam-Katze. Wunderhübsch.“
War es die schwarze Lederjacke oder das runde Gesicht,
mit den kurzgeschorenen Haaren oder die späte Stunde oder alles zusammen? Der
Mann sah definitiv nicht aus, wie jemand, der Katzen suchte. Als ob er genau
wusste, auf welchem Nerv er ihr Mitleid erhaschen würde.
Nein. Nicht mit ihr. Nicht mit Nele Dorfen. Sie war
doch nicht blöd. Die blödeste Ausrede hatte er sich ausgesucht.
„Machen Sie, dass Sie wegkommen.“ Sie drehte sich um
und spürte seinen bohrenden Blick im Rücken.
„Es ist wahr; ich habe eine Katze“, rief er ihr nach.
Nele verschloss die Tür und wartete im Dunkeln, ob er
weiter nach seiner Katze rufen würde. Sie hörte Fußtritte und wieder das dumpfe
Ploppen wie nach einem Sprung.
Er konnte ihr alles Mögliche erzählen, nur das nicht.
War er ein Dieb? Sie hatte nichts. Bei dem Gedanken, dass dieses Nichts ihr
auch noch genommen würde ... dass ein Fremder in ihren Sachen wühlte, um zu
erkennen, dass ihr ganzer Besitz in dem Spielzeug der Jungs und in ihren
Tanzsachen steckte, kribbelte es in ihren Adern. Wollte er Bücher über das
Tanzen, über Choreografen, Kleider und vor allem Schuhe klauen? Ihr Vermögen
lag im Schuhschrank.
Das war absurd. So ein Dieb wusste doch nicht, was
Tanzschuhe kosteten. Sie besaß Schuhe in allen Farben und Stilrichtungen,
jeweils mindestens ein Paar. Ihr Exfreund Heiner Bankert hatte ihr gesagt,
fünfzig Prozent ihrer Schönheit läge in ihren Fesseln. „So ein Span“, schwärmte
ein altmodischer Herrenschuhmacher in Paris und fertigte für sie nur deswegen
goldene Tanzschuhe. Für Herrenschuhmacher der alten Schule, seien Damenschuhe
ein „No-Go“, erklärte ihr Ex. Frauen könnten keine Wertarbeit schätzen, so oft
würden sie neue, unbequeme Schuhe kaufen. Der Schuhmacher überreichte ihr die
filigranen Sandaletten wie einen Pokal. Allein dieses Paar war ein Vermögen
wert.
Der Mann brauchte ihr nichts vorzumachen.
Als die Schritte nicht mehr zu hören waren und sonst
auch alles ruhig blieb, öffnete Nele die Terrassentür, nahm die lange
Strickjacke, die daneben auf einem Sessel lag, schlüpfte in ihre Gummistiefel
und zog die Tür so weit wie möglich hinter sich zu. Dann begann sie leise zu
rufen. „Mimi, Motzo, kommt her!“
Es dauerte eine Stunde, bis ihre eigenen Katzen
zurückgekehrt waren. Sie wollte sie um sich haben, vielleicht war der Mann ja
auch so etwas wie ein Katzenfänger.
Sie beruhigte sich. Sie verschloss die Terrassentür
und stellte den Sessel davor. Sie sah nach den Jungs, die nach wie vor selig
schliefen, und legte sich selber wieder ins Bett.
Sie musste etwas ändern. Sie durfte die Tür nicht mehr offen
lassen. Überhaupt, ihr ganzes Leben war ein Drahtseilakt. Sie rettete sich von
einem Tag in den anderen, immer kurz vorm Abstürzen. So durfte es nicht
weitergehen.
Die Autorin:
Die gelernte Gärtnerin Tine Sprandel
arbeitet nach Zwischenstationen am Theater und im Gartenbau als Autorin, Texterin und Webdesignerin. Sie
wohnt mit ihrer Familie im Münchner
Süden. Für die Reihe „Quick, quick, slow – Tanzclub Lietzensee“ schreibt sie
gerade an dem zweiten Roman. Außerdem ist sie für die Covergestaltung
zuständig.
Mehr zu Tine Sprandel: www.asprandel.de
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