Sonntag, 15. Mai 2016

Seleno: Die Kraft der zwei Monde von Angela Planert



Mit einem außergewöhnlichen Ritual gewinnt Gerrit sein Augenlicht zurück. Seine veränderten Fähigkeiten stellen ihn immer wieder vor neue Herausforderungen, bis er Zusammenhänge mit den Prophezeiungen aus den alten Büchern zu erkennen glaubt.

Sein treuer Gefährte Sanar scheint mehr über seine Veränderungen zu wissen, als er zunächst preisgibt.

Lesealter: (ab 12)
Erhältlich bei Amazon und Thalia.



Leseprobe:
Kelo führte Sanar und Gerrit durch die Gassen. »Ich werde mich bemühen, Euren Wünschen nachzukommen.« Er neigte leicht sein Haupt in Gerrits Richtung, sein schulterlanges blondes Haar glänzte dabei im Mondlicht.
»Danke, Kelo!«
»Bitte hier entlang.« Kelo wies nach links. »Unten am Hafen gibt es ein Gasthaus mit dem besten Wein.«
Gerrit dachte an die erste Begegnung mit Gagat. »Mein letzter Besuch in einem …«
»Wann wollt Ihr in einem Gasthaus gewesen sein?« Sanar zog seine Stirn in Falten.
»Dann wird es aber Zeit«, sagte Kelo.
Gerrit beschloss, diese Angelegenheit für sich zu behalten. »Führt uns dorthin, Kelo.«
Kelo nickte, auch sein blonder Bart, der am Ende spitz zulief, schimmerte ab und zu im Fackelschein. Die meisten Gassen waren nur dürftig beleuchtet, denn nicht an jeder Hausecke brannte ein Licht. Die Wegführung kam Gerrit ziemlich verwirrend vor. Nachdem sie zwei Mal links abgebogen waren, meinte er, im Kreis zu gehen, doch letztlich erreichten sie den Hafen. Allerdings befanden sie sich etwas weiter flussaufwärts als dort, wo sie am Morgen angelegt hatten. Gerrit zweifelte, ob er den Weg ohne Kelo zum Haus der Argusaner finden würde. Hier am Hafen erhellten Fackeln alle Hausecken, sogar zu beiden Seiten einer Holztür brannten zwei Feuerschalen, auf einem eisernen Gestell, welches aus der Wand herausragte. Kelo ging auf jene Tür zu. »Tretet ein!« Er hielt Gerrit die Tür auf. Die Räumlichkeit erinnerte Gerrit augenblicklich an das Gasthaus bei Endanas Burg, nur dieses war viel geräumiger. Ungefähr zwanzig Tische boten den zahlreichen Gästen Platz. Einige spielten Karten, andere erzählten und lachten. Keiner nahm von den Dreien Notiz. In einer schummrigen Ecke führte Kelo Gerrit und Sanar zu einem Tisch. »Setzt Euch, ich bin sogleich zurück.«
Obwohl Kelo groß und kräftig war, wirkte er in diesem Gasthaus ein wenig verloren, als er auf den schmalen Schanktisch zuging, wo er gegen ein paar Goldstücke einen Krug und Becher erhielt.
Gerrit setzte sich. Ein unerklärliches Gefühl von Vertrautheit überkam ihn. Er begann, nach einem bekannten Gesicht zu suchen, welches für diese Empfindung verantwortlich sein könnte. Er schalt sich innerlich. Er war noch nie in Selarun gewesen, hier konnte er niemand kennen.
»Herr!« Sanar beugte sich zu ihm. »Stimmt etwas nicht?«
»Doch, doch, Sanar.« Es musste einen Grund für seinen Eindruck geben.
Sanar sprach auffallend leise. »Die Argusaner legen Wert darauf, nicht aufzufallen. Ihr solltet versuchen, es ihnen gleichzutun.«
Kelo stellte die Becher auf den Tisch und goss roten Wein ein. Er nahm Platz und hob seinen Becher an. »Willkommen in Selarun!«
»Danke, Kelo.« Abermals sah sich Gerrit in der Menge der Gäste um, denn dieses vertraute Gefühl ließ ihn nicht los. Sanar stieß mit dem Fuß gegen Gerrits Schienbein. »Ihr strahlt Unruhe aus, Herr.«
»Verzeiht, Sanar.« Um sich abzulenken, suchte er das Gespräch mit Kelo. »Sagt, wie viele gibt es von Euch?«
Kelo lächelte. »Das vermag ich nicht zu sagen. Es sind Einige.«
Gerrit knetete seinen rechten Handrücken. »Dann leben außerhalb von diesem Haus noch mehr Argusaner?«
Sanar und Kelo grinsten sich gegenseitig an. »Herr!« Sanar antwortete, »es sind einige Hunderte.«
»Einige Hunderte?«, wiederholte Gerrit verblüfft.
Plötzlich wurde die Tür des Gasthauses heftig aufgestoßen und fünf Krieger stürmten herein. Einen Tisch weiter schreckte eine große, kräftige Gestalt mit schwarzen langen Haaren und Vollbart hoch. Die hellbraunen Augen und die gerade, schmale Nase kamen Gerrit vertraut vor. Eine handgroße Verletzung zog sich vom rechten Wangenknochen bis zur rechten Schläfe hin. Das Auge war leicht geschwollen. Durch einen Sprung aus dem Fenster flüchtete er, die Krieger folgten ihm.
Gerrit erhob sich, als wolle er ihnen hinterherstürmen.
Sanar zog ihn energisch auf seinen Stuhl zurück. »Ihr seid zu auffällig!«
»Das waren Krieger des Konsiliums.« Kelos Augen wirkten erschrocken. »Wenn diese Männer jemanden verfolgen, dann hat diese Gestalt etwas Unrechtes getan und wird dafür bestraft. Die Argusaner werden vom Konsilium unterstützt.«
»Sanar! Dieser Mann – ich kenne ihn.« Das vertraute Gefühl war mit ihm verschwunden.
»Wir dürfen nicht eingreifen.« Kelo goss Wein nach. »Das Konsilium wird bestimmen, wie dieser Mann verurteilt wird.«
Gerrit wollte es einfach nicht einfallen, wer dieser Unbekannte war. »Wohin bringen sie ihn?«
»Auf der anderen Seite des Flusses steht eine Burg, dort werden wichtigen Entscheidungen getroffen. Auch ein großes Verlies für die Verbrecher befindet sich darin.« Kelo nahm einen Schluck Rotwein.
Gerrit sah nur noch dieses Gesicht vor sich, unentwegt fragte er sich, warum er diesen Anblick nicht aus seinem Kopf bekam. Er trank seinen Wein aus. Wahrscheinlich hatte dieser Mann einmal anders ausgesehen, deshalb erkannte ihn Gerrit nicht. In seinen Gedanken kürzte er die Haare, den Bart. Ein Ruck durchfuhr ihn. Blitzartig schoss er in die Höhe und sprang durch das Fenster hinaus.
»Wartet, Herr!« Sanar hechtete ihm hinterher.
Gerrit blickte zuerst die Seitengasse hinauf, dann hinunter. Er sah gerade noch einen der Krieger, bevor dieser nach rechts abbog.
Sanar packte ihn am Arm. »Wir dürfen uns nicht einmischen, Herr.«
Sein Gefährte würde es verstehen, wenn er ihm alles erklärte, dafür blieb aber jetzt keine Zeit. Gerrit eilte die Gasse entlang, spähte vorsichtig um die Ecke. Die fünf Krieger hatten den Mann bereits gefasst und ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Gerrit lief ihnen nach, ohne wirklich zu wissen, was er unternehmen konnte. Es lag ihm fern, sich Ärger mit den Argusanern aufzuhalsen. Er folgte den Kriegern in einer überschaubaren Distanz, zwängte sich dabei dicht an die Hauswände, um nicht aufzufallen. Sanar bemühte sich, ihm auf den Fersen zu bleiben. An einem großen Gebäude hielten die Krieger an und verschwanden mit ihrem Gefangenen darin. Gerrit überlegte, ob er ihn auf der Stelle befreien oder zunächst abwarten sollte.
»Was habt Ihr nur vor?«, schnaufte Sanar, endlich bei Gerrit angekommen.
Gerrit zuckte mit den Schultern. Auf eine derartige Situation war er nicht vorbereitet. Während er fieberhaft nachdachte, sah er zwei Krieger das Haus mit dem Verhafteten verlassen. Mit einem Sack über dem Kopf, mit einem Seil an seinem Hals zugeschnürt, führten sie ihn ab.
»Welch ein bedrückender Anblick«, flüsterte Gerrit Sanar zu.
»Herr! Das ist ein Delinquent.«
»Ich hege da meine Zweifel.«
Erfolglos versuchte Sanar, Gerrit festzuhalten. Dieser eilte den Kriegern den unübersichtlichen Weg bis zum Flussufer nach. Als sie ihren Gefangenen derb in ein Boot stießen und er mit seinen gefesselten Händen ins Stolpern geriet, sah Gerrit die Gelegenheit zuzuschlagen. Er trat an das Boot heran, um mit seiner betörenden Stimme die Krieger zu beeinflussen. »Ich werde ihn dem Konsilium übergeben. Macht Euch auf die Suche nach dem wahren Verbrecher.« Er wiederholte seine Worte, um sicherzugehen, dass beide Krieger seinem Einfluss unterlagen. Wortlos gaben sie den Gefangenen frei und gingen die Straße, die sie gekommen waren, zurück.
»Eure Methoden sind auch nicht die edelsten.« Sanar schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, Euch ist bewusst, was das für Ärger bedeuten wird.«
In diesem Moment war Gerrit gern bereit, einiges in Kauf zu nehmen. Er kletterte in das Boot, zog sein Messer heraus, zerschnitt die Fesseln des Gefangenen und befreite ihn von dem Sack. Als Gerrit dem Mann in die Augen sah, wusste er, dass er richtig gehandelt hatte. Vorsichtig untersuchte er die Verletzung an der rechten Schläfe. »Das sieht nicht gut aus.« An einer Stelle war der Schorf blutig aufgeplatzt.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Gerettete Gerrit ins Gesicht. »Was wollt Ihr von mir?«
Gerrit spürte seine Überraschung. »Ich ... ich wollte Euch das Verlies ersparen.«
»Ich habe keine Goldstücke«, er schüttelte seinen Kopf, »Ich habe nichts, was ich Euch geben könnte.« Nervös schaute er sich um.
»Warum sollte ich dafür etwas verlangen?«
»Herr«, Sanar ergriff Gerrits Arm, »wir müssen verschwinden.«
»Herr? Beim weißen Mond, wer seid Ihr?« Sein unruhiger Blick wechselte zwischen Sanar und Gerrit hin und her.
Diese Frage fühlte sich für Gerrit wie einer gewaltigen Ohrfeige an. Er schluckte hart. Erkannte sein Lehrer ihn nicht wieder? 


Vita:
Angela Planert, Jahrgang 1966, begeisterte sich bereits in der Schulzeit für das Schreiben. Zunächst erlernte sie einen medizinischen Beruf, später füllte die wachsende Familie ihren Alltag aus. Anfänglich zufällige Erfahrungen über den Zusammenhang zwischen dem Mond und seinen Auswirkungen wurde bald mehr, als nur eine Freizeitbeschäftigung.
Seit 2004 widmet sich Angela Planert intensiv dem Leben als Schriftsteller, wobei sie ihre selenorische Erfahrungen gekonnt mit den Elementen des Fantastischen verbindet. So erstanden in den letzten Jahren zahlreiche Manuskripte.

Von der selenorischen Literatur zum Vampirroman über Thriller bis hin zu Science-Fiction und Kinderbücher bieten die Werke vielfältigen Lesestoff.

Neben gewohnten Lesungen sowie Lesungen mit verteilten Rollen im Schulunterricht gehören auch Workshops an Schulen sowie die Organisation von Schreibwettbewerben zur kreativen Gestaltung.

"Fragwürdige Identität" ist 2015 im Verlag Edition Baerenklau erschienen
Ein Gemeinschaftsprojekt »Gedankenwellen der Freude« mit der bekannten Autorin Janine Musewald wurde vom EalaFrya Literatur Verlag verlegt.
»Weihnachtliches Wunder« ist im THG-Verlag erschienen.
Der Vampirroman »Flügel der Dunkelheit« wurde vom Spielberg-Verlag publiziert.
Vier der selenorischen Romane sowie »Drachenseele« wurden beim Amicus - Verlag veröffentlicht.



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