Sonntag, 1. Mai 2016

Rubor Seleno: Im Reich der zwei Monde von Angela Planert





Buchinhalt:

Gerrit wächst als Findelkind im Kloster der Selenoriten heran. Bereits dort zeichnet er sich durch besondere Begabungen aus. Seine Ausbildung auf der Burg des geheimnisvollen und grausamen Vamun ruft fatale Veränderungen in ihm hervor. Er selbst fühlt sich zum Meer sowie zu einer rätselhaften Burgruine hingezogen und forscht insgeheim nach seinen Wurzeln. Eines Tages wird Gerrit von schwarzgekleideten Gestalten gefangen genommen und auf ein Schiff verschleppt. Erhältlich bei Amazon, Thalia, Kobo, GooglePlay, Weltbild


Leseprobe:





»Für euch beginnt jetzt die Zeit des Lernens.« Vamun schaute seine Zöglinge nacheinander an. Die standen aufgereiht vor ihm. »Ihr seid in den Wald gekommen, um einige Tage hier zu leben. Ihr werdet hier schlafen und in der Natur eure Nahrung suchen.«
»Ähm ... bleibt Ihr denn nicht bei uns?« Talons Augen weiteten sich.
»Ihr sollt lernen!« Vamun betonte das erste Wort besonders deutlich. »Dort drüben am Baum«, er wies mit der Hand in die Richtung, »hängt ein Klangholz. Wenn ihr in Not seid, könnt ihr dagegenschlagen, dann komme ich euch zur Hilfe. Das gibt allerdings weiße Striche.«
»Was«, Ramou schluckte, »bedeuten weiße Striche?«
»Ich werde euer Handeln bewerten. Rote Striche sind zu sammeln, weiße besser nicht. Bei einer größeren Anzahl von negativen Strichen erhaltet ihr einen anderen Raum, nämlich im Burgverlies. Das wird auch bei Verstößen gegen meine Gesetze der Fall sein. Diese sind zu besprechen, wenn ihr das hier überstanden habt.« Vamun schwenkte wiederholt seine Blicke von Talon zu Hanar, Ramou über Erylan zu Gerrit und wieder zurück. »Die Regeln für diese Aufgabe stellt ihr selbst auf. Ob ihr zusammen oder einzeln arbeitet, ist euch überlassen. Jeder bekommt ein kleines Messer und eine Decke. Das ist alles.«
»Aber wie sollen wir denn …« Talon kam nicht zum Ende.
»Das ist alles, habe ich gesagt!« Vamun erhob seine Stimme, seine Augen funkelten. »Euer Auftrag ist beendet, wenn ich sieben Mal das Klangholz ertönen lasse. Dann werdet ihr euch hier versammeln.« Er nickte wie zur Bestätigung, drehte sich um, legte die versprochenen Gegenstände auf den Boden und ließ die Kinder stehen.

Es vergingen einige Momente, bis den Jungen bewusst wurde, dass Vamun seine Worte ernst gemeint hatte und sie tatsächlich hier draußen, einen halben Tagesmarsch von der Burg entfernt, auf sich allein gestellt waren.
Talon sah zu Hanar. »Was für eine närrische Aufgabe!«
Ramou schaute in die Runde. »Wir gehen zurück zum Kloster.«
»Ich vermute mal, dafür gibt es weiße Striche.« Hanar drehte sich um, als stünde jemand hinter ihm.
»Aber im Kloster könnten wir uns etwas zu essen besorgen, das merkt Vamun doch gar nicht.« Über Talons Gesicht zog ein triumphierendes Grinsen.
Gerrit hob die Hand und zeigte in den dichten Wald, durch den sie hergekommen waren.
Talon trat an Gerrit heran. »Hat unser großer Meister was zu sagen?«
»Macht, was ihr denkt! Ich in eurer Situation wäre nur vorsichtig mit dem, was ich sage. Wir werden nämlich beobachtet.« Entschlossen nahm Gerrit eine Decke sowie ein Messer, um sich seiner Aufgabe zu stellen. Genau drei Schritte weit kam er, dann fiel er unsanft zu Boden. Talon lag auf ihm.
»Ich mache dich fertig!« Talon setzte sich auf seinen Rücken und griff, wie Gerrit im Augenwinkel erfasste, nach einem handgroßen Stein. Er musste nicht warten, bis dieser auf seinem Kopf landete. Gerrit stemmte seinen Oberkörper auf, holte Schwung und rammte Talon seinen Ellenbogen ins Gesicht. Der stöhnte auf. Gerrit nutzte den Schreckensmoment. Er entledigte sich durch eine geschickte Drehung seines schweren Widersachers. Beinah gleichzeitig sprangen die Jungen auf und standen sich gegenüber. Talon hatte noch immer den Stein in der Hand, den er nun Gerrit an den Kopf zu werfen versuchte. Mit einer Seitwärtsbewegung wich Gerrit aus und der Stein hätte zu Boden fallen müssen.
Talon wich erschrocken zurück, während Gerrit sich umdrehte, als habe er Vamun, der den Stein aufgefangen hatte, bereits bemerkt.
»Wenn ihr etwas töten wollt, dann sucht euch ein Kaninchen.« Seine Worte klangen drohend. »Ich erwarte von euch, dass ihr euch mit Achtung begegnet. Jeder von euch besitzt besondere Fähigkeiten, die es unter meiner Obhut zu entfalten gilt. Dieser Vorfall wird sich nicht wiederholen. Fang!« Vamun warf Talon den Stein entgegen, der jedoch schwerfällig auf dessen Brust landete und ihm ein hörbares Stöhnen entlockte. Talon stand da wie versteinert. »An deinen Reaktionen solltest du dringend arbeiten.« Vamun drehte sich um. Er verschwand hinter den Baumstämmen im Gebüsch.
Gerrit dachte augenblicklich an die Erzählung von den zwei gegensätzlichen Brüdern aus den Mondsagen. Talon erinnerte ihn sehr an Han. Er musste achtgeben, dass sie nicht eines Tages das gleiche Schicksal erleiden würden. Jedenfalls mochte er diese Aufgabe nicht mit ihm lösen müssen. Er nahm seine Sachen und wollte gehen.
»Komm schon Gerrit«, warf ihm Erylan nach, »bleib hier!«
»Wenn wir zusammenhalten«, Ramou sah zu Talon, »ist es doch für uns alle einfacher.« Er schwenkte seinen Blick zu Hanar, Erylan und Gerrit. »Womöglich bereitet es uns am Ende noch Vergnügen!«
Gerrit setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm. »Womit wollt ihr anfangen?«
»Zuerst müssen wir uns überlegen, wovon wir uns ernähren können.« Hanar schaute erwartend in die Runde.
»Kaninchen!« Talon nahm sich ein Messer.
»Die sind verdammt flink!« Erylan ergriff den Deckenstapel sowie die Messer und verteilte sie. »Ich zweifle, dass wir die kleinen Rammler überhaupt zu fassen bekommen.«
»Als Erstes brauchen wir eine Quelle oder einen Bach.« Hier im Wald verspürte Gerrit zwar Hunger, jedoch war Wasser wichtiger als Nahrung. »Angenehm wäre ein Lagerfeuer, sonst wird uns heute Nacht sehr kalt. Zudem wäre ein Schutz vor Regen auch nicht verkehrt.«
»Gerrit!« Verächtlich sprach Talon seinen Namen aus. »Du weißt ja immer alles besser.«
»Hör auf, Talon! Gerrit hat recht.« Ramou steckte sich sein Messer an den Gürtel. »Vielleicht sollten wir uns zuerst aufteilen, um nach Wasser zu suchen. Die Sonne zeigt die Mittagsstunden an. Wenn sie die Baumkronen erreicht hat, treffen wir uns hier wieder.«
Talon verdrehte seine Augen, als sei ihm jedes gesagte Wort zu viel. Ohne darauf einzugehen, ging er los.
»Ich meine, dein Vorschlag ist gut.« Erylan strich sich durch sein langes Haar. »Machen wir uns auf den Weg!«

Die Sonne stand tief über den Baumwipfeln, als vier der Jungen sich aus verschiedenen Richtungen am Ausgangspunkt zusammenfanden. Die ersten dunklen Wolken zogen über den Himmel.
»In dieser Richtung liegt ein kleines Dorf.« Erylan wies den Weg zurück, den er gekommen war.
»Das Einzige, was ich gefunden habe, ist ein stinkender Pfuhl. Brackwasser, nicht zu gebrauchen.« Ramou setzte sich auf den umgefallenen Baumstamm.
»Bäume, Büsche und Wald.« Gelangweilt ließ sich Talon neben Ramou nieder.
»Ich habe keine Vermutung, was dieser Vamun von uns erwartet. Ein wenig Unterstützung, ein paar Hinweise wären uns hilfreich gewesen.« Hanar blickte zum Himmel. »Es wird bald regnen.«
»Gerrit scheint sich verlaufen zu haben.« Talon sah sich kurz um. »Lasst uns ins Dorf gehen!«
»Bestimmt gibt es dafür weiße Striche«, Erylan fuhr sich erneut durch sein Haar, »und vor Einbruch der Dunkelheit werden wir es nicht erreichen. Ich habe es lediglich aus der Ferne gesehen.«
»Nicht mit mir! Dieser Vamun will aus uns Narren machen.« Talon stand auf. »Von mir aus kann er sich mit anderen vergnügen. Ich gehe zum Kloster zurück!«
»Ja«, auch Ramou erhob sich, »ich sehe keinen Sinn in dieser Aufgabe.«
»Gerrit! Da bist du ja!« Erylan ging auf ihn zu. »Wir überlegen, was wir tun sollen.«
»Reisig und Holz sammeln wäre ein Anfang für einen trockenen und warmen Abend.« Gerrit machte eine Kopfbewegung in die Richtung, aus der er gekommen war. »Wir müssen wieder ein gutes Stück zur Burg zurückgehen.«
Außer Gerrit hatte keiner der fünf Jungen einen Plan, wie sie die Nacht über im Wald verbringen sollten. Seine Entschlossenheit überzeugte sogar Talon, der ein wenig widerwillig seinen Kameraden hinterherlief. Zwischendurch bückten sie sich hier nach Zweigen, dort nach dürren Ästen, bis jeder von ihnen einen Haufen brennbares Material auf dem Arm trug.
Ein kräftiger Wind zog auf, rüttelte damit weitere lose Äste und Kienzapfen hinunter. Die Luft kühlte sich merklich ab, als die Sonne von den dunklen Wolken verdrängt wurde. Anfangs folgten die Jungen Gerrit, ohne zu fragen. Doch ihre Ungeduld wuchs mit der Zunahme der dichten Wolken, die finsterer und drohender am Himmel erschienen. Ihr Schritttempo verdoppelte sich. Bald klatschten die ersten Regentropfen auf den Boden.
»Wir haben es noch geschafft, bevor die Sintflut niedergeht!« Gerrit blieb vor einer Felswand stehen.
»Verstehe ich nicht.« Erylan sah an der Wand entlang.
»Beim roten Mond!« Talon klang begeistert. »Das ist wirklich ein großartiges Versteck.«
Gerrit schob die Äste und Zweige der dichten Büsche zur Seite und zwängte sich in die Höhle; Talon und die anderen folgten ihm.
»Herrje, ist das finster hier drin!« Talons Stimme hallte unheimlich. Nahe des Höhleneingangs, wo noch etwas Licht hineinfiel, zerkleinerte Gerrit mit seinem Messer einige Holzstückchen. Seine Kameraden kamen dazu. Gerrit nahm ein Stöckchen zwischen die Hände. Er setzte es auf ein Stück Holz und drehte es schnell hin und her. Es dauerte ein wenig, aber letztlich fingen dessen Späne Feuer und brachten die gesammelten Zweige zum Brennen. Ein wärmendes Feuer beleuchtete ihr Versteck. An den Felswänden liefen zahlreiche Rinnsale an den Wänden entlang. Es gab genügend Vertiefungen, unter die Gerrit seine Hände hielt, um daraus zu trinken. Die anderen taten es ihm gleich.
Vom Eingang her drang ein immer lauter werdendes Rauschen in die Höhle. Es verursachte einen unheimlichen Klang. Neugierig drängten sich Erylan und Ramou neben den Höhleneingang.
»Als würden die Monde sämtliche Wasser über uns ergießen!«, schrie Erylan gegen den Krach an. Ramou nickte und kehrte zum Feuer zurück.
»Mein Magen knurrt!« Ramou legte seine Hand auf den Bauch, »Ich habe Hunger.«
»Glaubst du vielleicht, wir nicht?« Talon warf einen Ast auf die Flammen.
Erylan sah seine Kameraden an. »Mit dem Messer ein Kaninchen zu fangen, ist mehr als eine Herausforderung.«
»Und ...«, Hanar rieb sich über die Stirn, »wenn wir uns einen Speer aus Holz schnitzen?«
Gerrit stellte sich neben den Eingang. »Sobald es zu regnen aufhört«, er drehte sich um, sprach laut, um gegen das Rauschen anzukommen, »sorge ich mich um ein Abendmahl.« Er beobachtete den Regen eine Weile, der anfangs wie durchsichtige Strippen aussah und gemächlich in erkennbare Tropfen überging. Die Luft von draußen fühlte sich kalt und ungemütlich an. Viel lieber hätte sich Gerrit ans Feuer gesetzt. Aber dann würden sie vermutlich nichts zu essen bekommen. Außerdem hatte er es seinen Kameraden versprochen, sich darum zu kümmern.





Vita:
Angela Planert, Jahrgang 1966, begeisterte sich bereits in der Schulzeit für das Schreiben. Zunächst erlernte sie einen medizinischen Beruf, später füllte die wachsende Familie ihren Alltag aus. Anfänglich zufällige Erfahrungen über den Zusammenhang zwischen dem Mond und seinen Auswirkungen wurde bald mehr, als nur eine Freizeitbeschäftigung.
Seit 2004 widmet sich Angela Planert intensiv dem Leben als Schriftsteller, wobei sie ihre selenorische Erfahrungen gekonnt mit den Elementen des Fantastischen verbindet. So erstanden in den letzten Jahren zahlreiche Manuskripte.

Von der selenorischen Literatur zum Vampirroman über Thriller bis hin zu Science-Fiction und Kinderbücher bieten die Werke vielfältigen Lesestoff.

Neben gewohnten Lesungen sowie Lesungen mit verteilten Rollen im Schulunterricht gehören auch Workshops an Schulen sowie die Organisation von Schreibwettbewerben zur kreativen Gestaltung.

"Fragwürdige Identität" ist 2015 im Verlag Edition Baerenklau erschienen
Ein Gemeinschaftsprojekt »Gedankenwellen der Freude« mit der bekannten Autorin Janine Musewald wurde vom EalaFrya Literatur Verlag verlegt.
»Weihnachtliches Wunder« ist im THG-Verlag erschienen.
Der Vampirroman »Flügel der Dunkelheit« wurde vom Spielberg-Verlag publiziert.
Vier der selenorischen Romane sowie »Drachenseele« wurden beim Amicus - Verlag veröffentlicht.

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