Sonntag, 3. April 2016

„Die Jägerin – Blutrausch“ von Nadja Losbohm



Band 2

Kurzbeschreibung

Die mystisch-verrückte Welt der Jägerin, mit all ihren schrecklichen Geschöpfen der Nacht, ist nicht der richtige Ort für ein Kind, um darin sicher und behütet aufzuwachsen.
Doch Ada will nur eines: ihre Tochter, die ihr nach der Geburt aus den Armen gerissen wurde.
Kann sie den Verlust, der sie an den Rand der Verzweiflung bringt, überwinden und ihre Aufgabe als Beschützerin der Menschen weiterhin erfüllen?

„Die Jägerin - Blutrausch” ist der zweite Teil der Fantasy-Romance-Reihe, der sich mit dem Verlieren und Wiederfinden, dem Schmerz und der Heilung, mit Liebe und Trauer und Verständnis beschäftigt.
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Leseprobe

Ich wusste nicht, wie ich zurück in mein Bett gelangt oder wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich versucht hatte, aus meinem Zimmer zu gelangen. Ich hatte das Gefühl für alles verloren und an nichts Interesse. Trauernd lag ich in den Kissen und starrte vor mich hin. Pater Michael hatte mir etwas zu essen auf den Nachttisch gestellt. Auch daran konnte ich mich nicht erinnern, wann er zuletzt hier gewesen war. Doch die Ränder des Käses waren bereits angetrocknet, was mir sagte, dass das Sandwich schon eine ganze Weile dort stehen musste. Mir war aber nicht nach essen. Und auch nicht nach trinken. Alles, wonach ich verlangte, war, mein Kind zu sehen. Stattdessen öffnete sich die Tür zu meinem Schlafzimmer, und der Pater trat ein. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, sodass ich nur seine Füße sah und wie sie sich mir näherten. Neben dem Bett blieb er stehen. „Du hast nichts gegessen, Ada”, bemerkte er. Am Klang seiner Stimme hörte ich, dass er besorgt war. „Du musst etwas essen, Ada”, sagte er fürsorglich.
Ich konnte es nicht ertragen, wie er jetzt zu mir war. Für mich klang es wie Heuchelei, dass er sich nun um mich Sorgen machte. „Ich will zu meinem Baby!”, forderte ich, ohne ihn dabei anzusehen. Ich hörte, wie er tief durchatmete. Verlor er die Geduld mit mir? Gut! Denn dann würde er mich vielleicht doch schon bald zu ihr lassen.
„Es geht nicht, Ada. Du weißt das. Wir haben es so oft besprochen”, sagte er. Meine Augen fingen an zu brennen, als die Tränen aufstiegen. „Es tut mir leid, Ada. Es tut mir so unendlich leid”, säuselte er, als er sah, dass ich anfing zu weinen.
Alles in mir zog sich zusammen, als hätte mir jemand in den Bauch geboxt, und mein Herz fühlte sich an, als würde es von einer kalten Faust umschlossen. Vor Trauer und Wut verzog sich mein Gesicht. „Lass mich allein!”, brachte ich mit rauer Stimme hervor und schloss die Augen. Ich wollte ihn nicht sehen. Sein Anblick war für mich unerträglich. Er flüsterte meinen Namen und berührte mich an der Schulter. „Fass mich nicht an! Geh weg von mir! Lass mich einfach in Ruhe!”, fuhr ich ihn an. Seine Berührung war für mich entsetzlich. Seine Gegenwart zuwider. Als er sich nicht rührte, drehte ich mich auf meine andere Seite und kehrte ihm den Rücken zu. Irgendwie wusste ich aber, dass er mich ansah. Ich spürte seine Blicke so deutlich auf mir, als wären es seine Hände.
„Wieso weist du mich zurück? Ich will dir nichts Böses tun, Ada. Schick mich nicht weg. Nimm doch meine Hand. Sie bietet dir Hilfe und kann dir etwas von meiner Kraft abgeben. Lass mich dir doch helf…”, begann er zu sagen, hielt dann allerdings inne, weil er sah, wie ich mir eine Hand aufs Ohr legte, damit ich seine falschen Worte nicht hören musste. Sie waren bedeutungslos für mich. Wie Staub. Man holt Luft, stößt sie wieder aus, und der Staub wurde mit ihr weggeweht. Und es war, als hätte es ihn nie gegeben.
Es verging noch ein Moment, dann spürte ich, wie sich unter mir die Matratze bewegte. Er war gegangen.
….

Hastig lief ich zu meiner Zimmertür. Ich riss sie auf und wollte auf den Gang hinaustreten, als plötzlich Pater Michael vor mir stand und mir den Weg versperrte. Ich war so fassungslos, dass ich ihn nur mit offenem Mund anstarren konnte. Hatte er tatsächlich vor meiner Tür Wache gehalten? Hatte er gewusst, dass ich versuchen würde zu fliehen? War ich wirklich so leicht durchschaubar?
Als ich den ersten Schock verdaut hatte, verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihn trotzig an. „Lass mich gehen, Michael!”, verlangte ich und versuchte mich an ihm vorbei zu drängen. Er reagierte schnell und stellte sich mir in den Weg. „Geh beiseite!”, forderte ich ihn auf. Er schüttelte nur den Kopf.
Also schön! Wenn er es so haben will! Dieses Mal gab ich mir keine Mühe, um ihn herumzulaufen. Dieses Mal wagte ich einen Frontalangriff. Ich kratzte all meine Kraft zusammen und lief genau in ihn hinein. Unsanft prallte ich von ihm ab und wurde wie ein Gummiball zurückgeworfen. Pater Michael fasste mich an den Schultern und schob mich durch die Tür zurück in mein Zimmer. Schnell packte er die Türklinke und wollte die Tür verschließen. Als ich das sah, lief ich sofort los. Aber ich war zu spät. Ich rüttelte an der Klinke, schlug gegen das Holz und schrie. „Lass mich raus, Michael!” Verzweifelt hämmerte ich gegen die Tür. Ich trat mit den Füßen dagegen. Meine Finger versuchten in den Spalt zwischen Tür und Rahmen zu gelangen, als könnte ich sie dadurch aufhebeln. Aber das Holz blieb unnachgiebig. Kraftlos lehnte ich mich dagegen und begann zu weinen. „Du elender Mistkerl! Lass mich gehen!”, rief ich aus und schlug ein letztes Mal mit der flachen Hand gegen die Tür. Dann rutschte ich erschöpft an ihr hinunter und blieb auf dem Boden davor sitzen. Ich wusste, dass er immer noch da war. Sein Schatten fiel deutlich unter dem Spalt der Tür in mein Zimmer. Er konnte mich also hören. „Wie kannst du mir das antun?”, fragte ich ihn. Er gab mir keine Antwort.
Ich weinte noch mehr. Meine Finger kratzten weiter über das Holz und tasteten erneut an der Klinke herum. „Bitte, lass mich raus. Ich möchte doch nur zu meinem Baby”, flehte ich Pater Michael ein letztes Mal an.
Aber er ignorierte mein Betteln. „Es tut mir leid, Ada”, hörte ich seine Stimme durch die Tür hindurch flüstern. Dann entfernten sich seine Schritte von meinem Zimmer, und ich war wieder allein und eingesperrt.

Irgendwann war ich auf dem Boden eingeschlafen, und als ich erwachte, begann ich sofort damit, die Tür erneut zu bearbeiten. Ich gab die Hoffnung nicht auf, dass ich sie doch noch dazu bewegen konnte, sich zu öffnen.
„Ada.”
Beim Klang seiner Stimme hörte ich abrupt mit meinem nutzlosen Schlagen und Hämmern gegen das Holz auf. „Lass mich gehen, Michael. Bitte, bitte, lass mich gehen”, bettelte ich. Ich hörte, wie er sich auf der anderen Seite der Tür bewegte. Vermutlich drehte er sich so hin, dass er direkt mit dem Gesicht zu mir saß.
„Was hast du dann vor?”, wollte er wissen. Er gab mir einen kurzen Moment, um darüber nachzudenken. Aber ich war so sehr über diese Frage verblüfft, dass ich kaum klar denken konnte. „Wo willst du hin, Ada?”, fragte er mich. Ich wusste keine Antwort darauf. „Es gibt keinen Ort, wo du leben könntest, und du hast nichts, außer dem, was du an deinem Körper trägst. Du kannst nicht gehen.”
Die Wahrheit traf mich wie ein Schlag. Er hatte Recht. Ich hatte keine Ahnung, was nach meiner Flucht sein würde. Aber um ehrlich zu sein, war es mir scheißegal! Für mich zählte nur eines. Ich musste zu meinem Baby. „Bitte, lass mich raus”, flehte ich wieder. Ich begann zu weinen. Erst waren es stille Tränen, die über meine Wangen liefen. Doch dann wandelten sie sich zu merkwürdigen Klagelauten, die sogar mich erschreckten. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Das Wimmern musste einfach aus mir heraus.
„Gott, Ada”, sagte der Pater gegen die Tür. Er klang entsetzt und traurig. Aber es reichte trotzdem nicht aus, um die Tür zu öffnen und mich hinauszulassen. „Ada, hör mir zu. Ich weiß, das alles tut dir weh. Aber du darfst eines nicht vergessen”, hörte ich ihn sagen. Ich schluchzte und wimmerte. Aber nicht, weil ich ihm dadurch signalisieren wollte, weiterzusprechen. Ich ahnte, was er sagen wollte. Nur war ich es leid, es zu hören. „Du hast eine Aufgabe zu erfüllen, Ada. Und du kannst ihr nicht entgehen. Es ist dein Schicksal. Du kannst nicht einfach aufhören. Du wurdest als Jägerin geboren. Es ist deine Verpflichtung. Das hier ist dein Leben”, sagte er. Seine Stimme klang müde, als wäre er es leid, mich an diese Sache zu erinnern.
„Das hier ist nicht mein Leben. Es ist eine Rolle, in die ich geschlüpft bin, weil es andere so wollten. Mein Leben war das, was ich vor alledem hatte”, bemerkte ich bitter.


Nicht einmal der Schlaf konnte mir helfen, Ruhe zu finden. Die Träume, die ich hatte, waren grausam, und auch wenn ich mit offenen Augen da lag, sah ich die Bilder noch vor mir. Irgendwann hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren und auch jede Empfindung abgeschaltet. Wie versteinert lag ich in meinem Bett und starrte vor mich hin. Wenn der Pater zu mir kam, um nachzusehen, ob ich seine gemachten Mahlzeiten gegessen hatte, lag ich immer noch genauso da, wie er mich zuvor schon gesehen hatte. Er seufzte dann jedes Mal, weil er feststellte, dass ich wieder das Essen hatte verderben lassen. Aber er gab nicht auf. In regelmäßigen Abständen kehrte er zurück und stellte mir etwas Frisches hin, nur um es wenige Stunden später unangetastet wegzutragen. Dann hörte ich auch den Schlüssel, der sich im Schloss herumdrehte. Er vergaß nie, die Tür zu verriegeln.

Ich saß aufrecht in meinem Bett und starrte auf die Überdecke. Die Muster ihrer Stickereien verschwammen vor meinen Augen. Ich sah sie schon gar nicht mehr. Ich war eine leblose Statue. Ich saß da, ohne mich zu bewegen. Ich aß nicht, weil ich keinen Hunger verspürte. Ich trank nicht, weil ich nicht durstig war. Es hatte keinen Sinn für mich. Nichts hatte für mich einen Sinn. Ich sah nichts Schönes mehr und nichts Gutes um mich herum. Ich spürte nur Kälte.
Pater Michaels Schritte ertönten im Gang vor meinem Zimmer. Die Tür wurde aufgeschlossen, und er trat ein. Er war immer da. Unaufhörlich, ohne etwas von seiner Energie zu verlieren wie ein batteriebetriebenes Spielzeug, kümmerte er sich und wollte mich davon abhalten, zu verhungern und zu verdursten. Für einen Moment blieb er im Rahmen stehen. Wahrscheinlich überraschte es ihn, mich in einer anderen Position vorzufinden, als bei seinen anderen Besuchen. Rasch erholte er sich von seiner Verwunderung und kam zum Bett. Geräusche drangen an mein Ohr, die mir sagten, dass er einen Teller auf meinen Nachttisch gestellt hatte und dazu ein Glas. Es plätscherte leise, als das Wasser darin hin und her schwappte. „Ich habe dir ein paar Cracker mitgebracht, Ada. Bitte versuch doch wenigstens das zu essen,” bat er mich. Seine Hand tauchte in meinem Blickfeld auf. Zwischen den Fingern hielt er einen Cracker.
Ich machte aber keine Anstalten, ihn zu nehmen. Ich wollte ihm den Gefallen nicht tun. Ich wollte nicht das Essen essen, das er mir anbot. Und ich wollte nicht das Wasser trinken, dessen Bläschen sprudelten, bis es nach Stunden abgestanden war. Pater Michael seufzte und senkte seinen Arm wieder. Ich spürte seine Verzweiflung, und es verschaffte mir Genugtuung.
Ich litt.
Er sollte auch leiden.
Er hatte mir keine Gnade gewährt. Nun tat ich das Gleiche mit ihm.
„Dein Schweigen und dein Verweigern bringen mich noch um den Verstand! Du müsstest dich sehen, Ada! Du bist ganz weiß und hast dunkle Schatten unter den Augen. Deine Wangen sind eingefallen und deine Lippen aufgesprungen, weil du nichts isst oder trinkst”, sagte er mir.
Was war los mit ihm? Gefiel ich ihm so nicht? Es war doch sein Werk!
„Bitte, iss doch etwas. Wie sollst du denn wieder gesund werden, wenn du dich so stur verhältst?”, sagte er und hielt mir erneut den Keks vors Gesicht.
Ich ignorierte wieder sein Betteln. Er hatte es auch mit meinem getan. Und wozu sollte ich gesund werden? Was war es nütze, wenn mir das Wichtigste in meinem Leben fehlte? Doch es war einmal zu viel des Guten, und ihm riss der Geduldsfaden. Pater Michael kniete sich neben mich aufs Bett, packte mit einer Hand meinen Hinterkopf und versuchte mit der anderen, den Cracker in meinen Mund zu zwingen. Aber ich biss fest die Zähne aufeinander. Er hatte keine Chance, und das Essen zerbröselte nur zu kleinen Krümeln, die sich über die Decke verteilten. Er zog einen weiteren Cracker aus der Packung hervor und legte ihn zurecht. Ich spürte seine Finger an meinem Mund und wie sie versuchten, mit Gewalt meine Lippen auseinander zu kriegen, die sich so sehr zusammengepresst hatten, sodass es mir schon weh tat. Wieder gelang es ihm nicht. Frustriert schrie er auf und schleuderte nicht nur den Cracker, der neben mir gewartet hatte, durchs Zimmer, sondern auch die restliche Packung, die knisternd und im hohen Bogen quer durch den Raum flog. „Verdammt, Ada!”, rief er aus und sprang vom Bett auf. Er drehte sich im Kreis herum und vergrub die Hände in den Haaren. Dann kehrte er zurück zu mir und packte mich an den Schultern. Kräftig schüttelte er mich durch. „Ich liebe dich, Ada, und ich brauche dich hier! Tu mir doch den Gefallen, und iss etwas!”, sagte er und versuchte mir in die Augen zu sehen. Stur blickte ich an ihm vorbei und zeigte mich ihm völlig unbeeindruckt. „Wie kann man nur so dickköpfig sein?!”, schrie er mich an.
Ich zuckte nicht einmal mit der Wimper und blieb stumm. Für eine Weile spürte ich seine Blicke auf mir. Dann seufzte er und gab sich geschlagen. Ihm fiel offenbar nichts mehr ein, was er noch tun konnte. Pater Michael lief hinüber zu der am Boden liegenden Cracker-Packung und hob sie auf. Dann verließ er den Raum. Und wieder hörte ich den Schlüssel, als er mich einschloss.

Autorenvita

1982 in Hennigsdorf, Brandenburg, geboren, zog es die Autorin im Alter von sechs Jahren in die deutsche Hauptstadt, wo sie noch heute lebt und arbeitet. Dank der guten Gene ihrer Eltern interessiert sie sich schon seit Kindertagen für das Malen, Zeichnen und Fotografieren. Tat sie sich anfangs noch schwer mit dem Lesen, wurde sie dank einer berühmten Maus rasch zu einer Leseratte. Die Idee, eine eigene Geschichte zu verfassen, ereilte sie im Alter von 19.
Zehn Jahre dauerte es, bis das Erstlingswerk „Alaspis - Die Suche nach der Ewigkeit" fertig gestellt wurde und die Autorin den Mut fand, ihren Traum von einer Buchveröffentlichung mit anderen zu teilen. Am 15.10.2012 erschien die märchenhafte Saga als Ebook und Taschenbuch.
In den Jahren 2013 bis 2015 folgte die mehrteilige Jugendbuchreihe „Die Jägerin“, eine Mischung aus Sci-Fi und Fantasy-Romance mit einem Spritzer Humor.
„Hamster Stopfdichvoll & seine Freunde“ ist das achte Buch aus Nadja Losbohms Feder und das erste Kinderbuch, das sie veröffentlicht hat.

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