Sonntag, 17. Mai 2015

„Ausgerechnet Liebe“ von Tina Zang



Kurzbeschreibung:

"Die Liebe ist eine höchst verzwickte Angelegenheit. Manchmal überfällt sie einen so
gnadenlos, dass es keinen Zweifel gibt. Manchmal kommt sie langsam angeschlichen. Oder sie versteckt sich hinter einem anderen Gefühl und macht dann plötzlich Buh!, wenn man am wenigsten damit rechnet."
Luca ist gerade 14 geworden und verliert sich gern in Tagträumen. Nach dem Fiasko an ihrem Geburtstag - warum musste ihre Mutter ausgerechnet ihren Schwarm Ron und ihren Lieblingsfeind Fredo einladen? - beschließt sie, ihr Leben endlich in den Griff zu kriegen. Wenn ihr nur die Liebe nicht ständig dazwischenfunken würde!
Der süße Ron hält sie leider für komplett bescheuert. Ob Anschmachten überhaupt noch einen Sinn hat? Und dann wäre da Bela aus der Theater-AG, der Luca einfach zu seiner Freundin erklärt hat. Inzwischen entwickelt ihr Lieblingsfeind Fredo fast schon Stalkerqualitäten. Das Chaos ist perfekt. Und alles wegen der verflixten Liebe ...

Erhältlich als E-Book bei Amazon und Thalia.


Leseprobe

Kapitel 1

Ich hockte auf der Mauer hinter dem Wartehäuschen, in das sich die anderen drängten, die auf den Schulbus warteten. Es nieselte an diesem Aprilmorgen und ich freute mich direkt auf das beheizte Klassenzimmer. Meine Freundin Nisha kam um die Ecke, befühlte die kalte Mauer und blieb lieber stehen. »Mensch, Luca, das ist ja schlimm, was da passiert ist«, sagte sie betroffen.
Ach du je, hatte ich wieder etwas nicht mitbekommen? Tante Rieke, die vorübergehend bei uns wohnte, lag mir ständig damit in den Ohren, dass ich vor lauter Tagträumen mein halbes Leben verpasste.
So, wie Nisha dreinschaute, musste etwas Entsetzliches geschehen sein. Hatte meine kleine Schwester Diggy ihre Drohung wahrgemacht und in der Schulaula das Foto ausgehängt, das sie im Winterurlaub auf Gran Canaria von meinem mit Sand panierten Hintern aufgenommen hatte? Diese Aktion wäre ihr durchaus zuzutrauen.
Nisha strich sich eine Strähne ihres feinen, blonden Haares hinters Ohr und meinte mitfühlend: »Ich hoffe, du kommst bald drüber weg.«
»Ist halb so schlimm«, sagte ich, weil ich nicht zugeben wollte, dass ich keinen Schimmer hatte, wovon sie sprach. Durch geschicktes Fragen würde ich schon herausfinden, was passiert war.
»Ron hat dich sowieso nicht verdient«, sagte Nisha.
Aha, es ging um einen Jungen namens Ron. Nie gehört. »Ich kenne keinen Ron«, gab ich zu.
»Klar, dass du jetzt so reagierst.« Nisha nickte verständnisvoll. »Das nennt man Verdrängung. Tu ruhig so, als ob er dir am Arsch vorbeigeht, dann kommst du am schnellsten drüber weg, wie er dich abgefertigt hat. Du warst aber auch ein bisschen naiv, oder? Ich meine, du hattest davor noch keinen Satz mit ihm gewechselt und dann machst du ihm aus heiterem Himmel eine glühende Liebeserklärung. Das war schon der Hammer.«
Ich musste eine Doppelgängerin haben. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass ich einem mir unbekannten Typen eine Liebeserklärung gemacht hatte, von der ich nichts wusste. Ich mochte ja manchmal etwas geistesabwesend sein, aber das hätte ich doch mitgekriegt, oder?
Easy gesellte sich zu uns. Sie ist die Tratschkönigin der Schule. Von ihr würde ich endlich alle Details erfahren.
»Hi, du altes Streifenhörnchen«, sagte ich betont fröhlich.
Easy trägt grundsätzlich nur gestreifte Klamotten. Egal ob quer oder längs, ob breite oder schmale Streifen.
Nisha raunte Easy zu: »Sie nimmt es ganz schön tapfer.«
Easy starrte mich mit glühender Bewunderung an. »Das war ja echt laser, was du da gemacht hast. Seit Ron an der Schule ist, sind alle Girls nach ihm verrückt und tuscheln und schreiben Liebesbriefchen, die sie dann wieder zerreißen – ich habe selbst auch einen verfasst, das gebe ich offen zu. Aber keine traut sich so recht an diesen Wunderknaben heran, und dann kommst du und erklärst ihm, dass er deine große Liebe ist und so weiter. Zu dumm, dass ich nicht dabei war. Daraus hätte ich einen tollen Artikel machen können. Ron – alle wollen ihn, keine hat eine Chance
Sie redet gern in Schlagzeilen.
Nisha seufzte bekümmert. »Ich wäre auch gern dabei gewesen, dann hätte ich Luca nach der Abfuhr gleich trösten können.«
Gut, dass ich selbst nicht dabei gewesen war. Da war mir anscheinend eine ziemlich peinliche Situation erspart geblieben. Nur, wo kam das Gerücht her, dass ich diesen Ron angebaggert hatte?
»Und wer war dann dabei?«, fragte ich.
»Na, niemand«, sagte Easy. »Nur ihr beide, allein an der Brücke beim Entenfüttern. Es hätte so romantisch sein können. Zwei Enten im Mondschein. Obwohl es ja Tag war, aber egal. Ein bisschen journalistische Freiheit darf man sich nehmen.«
Ich hatte also Enten gefüttert. Diese Information half mir nicht weiter. »Tja«, sagte ich. Das reicht für gewöhnlich, um Easy zum Weiterquasseln zu bringen.
»Aber wie ich dich kenne«, sagte sie auch prompt, »hast du alles falsch gemacht und bist die Sache viel zu konfus angegangen, wie das nun mal deine Art ist. Also, ich hätte dir da aus meinem reichen Erfahrungsschatz einiges anzubieten gehabt, aber mich hast du ja nicht gefragt.«
»Mich auch nicht«, schmollte Nisha.
Ich mag eine Träumerin sein, aber ich kann trotzdem logisch denken, darum schloss ich messerscharf: Wenn ich mit Ron allein gewesen war, dann musste er es gewesen sein, der die Story von unserer Begegnung an der Brücke in Umlauf gebracht hatte.
Ob er über eine andere Luca sprach? Soweit ich wusste, hatte ich an der Schule keine Namensvetterin. Auch sonst gab es in meinem Dunstkreis kein Mädchen dieses Namens. Trotzdem musste eine Verwechslung vorliegen. Irgendwie spannend, das Ganze. Und genau genommen auch ziemlich fies. Denn egal, welche Luca nun gemeint war, das war ja wohl das Letzte von diesem Super-Ron, dass er gleich herumerzählte, wie er sie abgefrühstückt hatte. So etwas tut man nicht. Schon mal was von Diskretion und Feingefühl gehört, der Herr?
Wie so oft ging die Fantasie mit mir durch und ich stellte mir vor, wie Luca II, wie ich sie jetzt nannte, zitternd und mit allem Mut, den sie aufbrachte, ihre Gefühle vor Ron ausbreitete, woraufhin er nichts Besseres zu tun hatte, als darauf herumzutrampeln und sie hinterher vor all ihren Freunden zur tragischen Figur zu machen, indem er es jedem, der es wissen wollte oder nicht, brühwarm erzählte. Na, dem würde ich die Tour vermasseln!
»Jetzt kriegt euch wieder ein«, sagte ich zu Nisha und Easy und hüstelte bedeutungsvoll. »Es war genau umgekehrt. Ihr wisst doch, dass ich nie auf dem Laufenden bin, darum hatte ich keinen Schimmer, dass hier ein neuer Mädchenschwarm herumläuft. Ich hockte gestern völlig ahnungslos und in einen schönen Tagtraum versunken auf dem Brückengeländer, als der Kerl ankam und ein paar total abgenutzte Sprüche losließ und mich zu begrapschen anfing. Das hat mich sofort abgetörnt. Ich hab ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen«, berichtete ich weiter und steigerte mich so richtig in meine Geschichte hinein. »Aber er wurde immer zudringlicher. Als ich mich wehren wollte, hat er versucht, mich vom Geländer schubsen. Der fand sich wohl reichlich cool. Ich habe ihm eine geknallt und bin gegangen. So war das! Bis eben wusste ich nicht mal, dass er Ron heißt, denn er hatte es ja nicht nötig, sich vorzustellen.«
»Ach, deshalb hast du vorhing gesagt, dass du keinen Ron kennst«, meinte Nisha.
Prima, meine Story fügte sich nahtlos in die Tatsachen ein.
»Mann, wenn ich das herumerzähle, wie du Ron abgefertigt hast!«, freute sich Easy. »Der Schöne und das Biest. Coole Story.«
»He, bloß nicht!«, wehrte ich schnell ab, aber ich wusste, dass es zwecklos war. Easy hält nie den Mund, wenn es etwas Aufregendes zu erzählen gibt, und für Easy ist alles aufregend. Sie liest sogar morgens die Tageszeitung, um nichts zu verpassen, was in der Welt so passiert.
»Na hör mal, das müssen doch alle erfahren, was für eine billige Vorstellung der abgeliefert hat«, beharrte sie.
»Ja, schon gut.« Ich hatte schon so viele peinliche Situationen überlebt, da kam es auf eine mehr nicht an. Ich tröstete mich damit, dass es keine Zeugen des Vorfalls gab. Also würde mein Wort gegen Rons Wort stehen. Dumm war nur, dass er natürlich wissen würde, dass ich Unfug erzählt hatte. Aber das konnte mir doch egal sein. Der Typ war bei mir sowieso unten durch. Dachte ich.
In der großen Pause dachte ich das nicht mehr. Da zeigte mir Nisha den sagenhaften Ron, und ich war total geplättet, denn er gefiel mir schon aus der Ferne wahnsinnig gut.
Inzwischen hatte Easy meine Version der Geschichte erfolgreich in der Schule verbreitet und ich wurde von allen Seiten dumm angequatscht.
»Bist du doof, dir so eine Chance entgehen zu lassen?«
»Wenn ich an der Brücke gewesen wäre, hätte Ron mich gern ins Wasser schubsen dürfen.«
»Bist du lesbisch, oder was?«
»Wie konntest du es wagen, ihn zu ohrfeigen. Du bist ja unzurechnungsfähig!«
Langsam wurde es brenzlig, doch da kam mir Silke zur Hilfe. Sie ist so breit wie sie groß ist, und alle haben einen Heidenrespekt vor ihr, weil sie als Sport Ringen betreibt. Silke stellte sich breitbeinig vor mich, mit dem Rücken zu mir.
»Willst du meine dunkle Ecke sein, in der ich mich verstecken kann?«, fragte ich sie.
»Gerne.« Sie verschränkte die Arme. »Gleich wird es nämlich heftig. Da kommt Mr. Supertyp persönlich und will ein Hühnchen mit dir rupfen. Mal sehen, ob er sich an mir vorbeitraut.«
Silke ist zwar nicht direkt eine Freundin von mir, aber sie hat den unwiderstehlichen Drang, Schwächere zu beschützen. Da im Prinzip jeder schwächer ist als sie selbst, ist sie an der Schule der Bodyguard für jeden, der gerade einen braucht. Ich drückte mich eng an ihren Rücken und stierte an ihrem Arm vorbei Ron an. Irre süß, der Typ, so richtig zum Knutschen und dabei total cool und ein bisschen verwegen. Eine tolle Mischung. Wieso war er mir bisher nicht aufgefallen?
Der süße Typ steuerte direkt auf mich zu, umrundete Silke und baute sich vor mir auf. »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich sah mich um, als wäre ich mir nicht sicher, ob er mich meinte. »Wie, welche Luca?«
Er stemmte die Fäuste in die Seiten. »Na, die, die mir angeblich eine geknallt hat.«
»Ich?«, tat ich entsetzt. »Ich würde niemals jemandem eine knallen.« Das war immerhin keine Falschaussage und konnte somit nicht gegen mich verwendet werden.
Silke schob sich wieder zwischen Ron und mich. Er zog kopfschüttelnd davon.
In der nächsten Schulstunde stand, oder vielmehr saß, ich komplett neben mir. In Gedanken ging ich wieder und wieder die Szene auf dem Schulhof durch. Das hätte anders laufen müssen.

Etwa so:
Ron, finster: »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich, ganz relaxed: »Hey, und du bist dieser Ron, ja? Toll, was wir uns jetzt richtig kennenlernen, damit die albernen Gerüchte über uns aufhören.«
Rons böse Mine weicht einem Lächeln. Er hakt mich unter. »Guter Plan.«

Oder noch besser so:
Ron, finster: »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich, den Tränen nahe: »Ja, und es tut mir so leid, dass ich diesen Mist über uns erzählt habe. Weißt du, du hast mich völlig durcheinandergebracht. So ein toller Junge wie du ist mir noch nie begegnet.«
Ron, besänftigt und geschmeichelt: »Danke. Ich find’s cool, dass du dazu stehst.«
Ich, mutig: »Um ganz ehrlich zu sein, würde ich total gern mit dir ein Eis essen gehen.«
Ron, flirtend: »Wenn ich dir danach die Sahne von den Lippen lecken darf, gern.«
Dann küsst er mich. Seine Lippen schmecken nach Vanilleeis.

Mir fielen die Augen halb zu, während ich mir das in allen Details ausmalte. Easy riss mich aus meinen Träumen, indem sie mir ihren Lippenstift in die Hand drückte.
»Was soll ich damit?«, fragte ich flüsternd.
»Na, du hast doch trockene Lippen, oder wieso leckst du ständig darüber?«


Über die Autorin:
Tina Zang hat sich einen Namen gemacht mit ihren frechen und ungewöhnlichen Kinder- und Jugendbüchern. Sie schreibt seit zwanzig Jahren, weil es nichts gibt, was sie glücklicher macht ... außer Singen und Katzen streicheln.

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