Sonntag, 22. Januar 2017

Jamil und die Schwerkraft von Jan Viebahn








„Jamil und die Schwerkraft“, eine Kurzgeschichte über den Tod, die Liebe, Mut und die Chancen, die sich daraus ergeben können.

Lange Rede, kurzer Sinn: Man muss was tun. Seit Mai 2016 gehen 25% der Verkaufserlöse aus allen meinen Büchern an Ärzte ohne Grenzen.
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Leseprobe

Ein drückend heißer Freitag im Sommer 2015 in Bonn. Jamil war 14 und im Vorjahr aus Syrien
nach Deutschland geflohen. Nun saß er gedankenverloren im Klassenzimmer der Hauptschule, in
die er seit Kurzem ging. Seine Deutschkenntnisse waren nicht allzu gut, er hatte nie ein Talent für
Sprachen gehabt.
Herr Müller, der Klassenlehrer, saß hinter seinem Pult und forderte die Schüler der Reihe nach auf,
ihre Hausaufgaben, einen Aufsatz über Goethes Leben, vorzulesen. Er war ein mürrischer alter
Mann. Einer, der keine Jugendlichen mochte und übertrieben streng mit Strafen war. Außerdem
konnte er Jamil aus irgendeinem Grund besonders schlecht leiden.
Als der Krieg in ihre kleine Heimatstadt kam, waren sein Vater, seine Mutter, sein kleiner Bruder
und er geflohen. Jamil erinnerte sich genau an die Worte seines Vaters: „Hier haben wir keine
Zukunft mehr. Wir müssen weg, nach Europa, vielleicht nach Deutschland. Dort können wir neu
anfangen.“
Auf dem Weg nach Norden in die Türkei begegneten sie einem Trupp Söldner. Die wollten, dass sein
Vater für sie kämpft, es waren Männer des Warlords, der diese Gegend beherrschte. Sein Vater
hatte sich geweigert, er versuchte ihnen klar zu machen, dass sie nur weg wollten und er bei seiner
Familie bleiben müsse. Sie hatten ihn mit Pistolen bedroht, doch er flehte sie auf Knien an, sie
gehen zu lassen. Da hatten sie ihn einfach erschossen und auf seinen Leichnam gespuckt.
Jamil sah immer noch seinen Vater vor sich, wie er mit weit vor Schmerz und Erstaunen
aufgerissenem Mund im Wüstensand lag.
Er hätte nicht gedacht, dass es hätte schlimmer kommen können. Seine Mutter hatte zum Glück das
Geld für den Schlepper gut versteckt, und so ging es von der Türkei aus nach Griechenland,
nachdem sie den beschwerlichen Weg zur Küste geschafft hatten.
Kurz vor der Küste Griechenlands ermahnte die Mannschaft die Flüchtlinge, still zu sein, damit die
Küstenwache nichts mitbekäme.
Die Stimmung war äußerst drückend. Das verstand Jamils kleiner Bruder nicht, er war erst zwei
und spürte, dass seine Mama Angst hatte. Er fing an, nach Leibeskräften zu schreien.
Sofort war einer der Schlepper bei seiner Mutter, riss ihr brutal das Kind aus den Armen und
schlug sie nieder. Den Kleinen warf er im hohen Bogen ins Meer. Seine Mutter rappelte sich
blitzschnell hoch, kreischte verzweifelt auf, als die Wellen über ihrem Sohn zusammenschlugen und
sprang so schnell hinterher, dass niemand sie hindern konnte.
Auch Jamil war aufgesprungen und wollte den beiden ebenfalls nach, doch einige Flüchtlinge
hielten ihn fest.
Die Schlepper bedrohten sie nun mit Maschinengewehren und trieben sie weg von der Reling. Ihren
Mienen nach war klar, dass sie keinen Spaß verstanden und nicht zögern würden, zu schießen. Sie
zwangen die Übriggebliebenen barsch, sich wieder zu setzen und still zu sein.
»Jamil!«, riss Lehrer Müllers tiefe Stimme ihn aus seinen quälenden Erinnerungen. Er schrak auf.

Jan Viebahn, der Autor hinter Yrangir, ist Fantasy- und Science-Fiction-Fan. Er steht auf Heavy Metal genau so wie auf Blues. Sein erstes Buch gab er 2012 heraus. Es trägt den Titel "Schwarzes Licht" und ist das erste seiner Yrangir-Bände. 2014 folgte "Erkar Bodin", Yrangir Band 2. Seit 2013 versucht er sich auch an satirischen Texten. Siehe "Das Handbuch der Dämonenkunde", das 2015 erschien und www.yrangir.de.


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