Klappentext
Als
Anthony im Herbst 1976 die Beziehung beendete, brach er Marita das
Herz. Trotzdem waren die Monate mit dem selbstbewussten amerikanischen
Soldaten eine wunderbare Zeit und für Maritas weiteres Leben von
entscheidender Bedeutung. „Du kannst alles erreichen, was du willst“,
hatte er gesagt. „Du musst nur dafür sorgen, dass du, wenn es soweit
ist, diese Welt mit Erinnerungen verlässt, nicht mit Träumen! “ Damit
machte er ihr klar, dass sie allein für ihr Leben und ihr Glück
verantwortlich war. Der Spruch wurde zu Maritas Lebensmotto. Mit Ende
fünfzig, mittlerweile anerkannte und erfolgreiche Wissenschaftlerin, die
ihr Leben nach ihren eigenen Maßstäben lebt, geschieht etwas gänzlich
Unerwartetes. Obwohl verstört und auch ängstlich, ergreift sie die
Gelegenheit, herauszufinden, warum er sie damals verlassen hat. Gibt es
vielleicht noch eine Chance für Marita und Anthony?
"Mein GI für einen Sommer" ist der erste Kurzroman der Reihe "Romanzen aus dem deutsch-amerikanischen Milieu".
"Mein GI für einen Sommer" ist der erste Kurzroman der Reihe "Romanzen aus dem deutsch-amerikanischen Milieu".
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Leseprobe
Eine spontane Aktion
Freitag, 16.Juli 1976
Schwimmbadgeräusche
drangen an ihr Ohr: Gelächter; Rufe; das Geräusch von Körpern, die auf
Wasser treffen. Marita lag auf ihrem Badetuch, hielt die Augen
geschlossen und genoss all dies in tiefen Zügen. In dem Baum über ihr
raschelte es – ein Luftzug streichelte ihren Körper.
Als jemand gegen die Adidas-Tasche direkt neben ihrem Kopf trat, erschrak sie und richtete sich hastig auf, voller Empörung.
„Sorry! I am very sorry.“ Ein
Amerikaner in Stars-and-Stripes-Badehose hob entschuldigend beide
Hände. Tatsächlich hatte er eine entfernte Ähnlichkeit mit Mark Spitz,
trug allerdings die Haare so kurz, wie es für GIs vorgeschrieben war.
„Das war keine Absicht“, versicherte das junge dunkelhaarige Mädchen an seiner Seite auf Deutsch.
„Schon
gut.“ Marita lächelte ihnen zu und legte sich wieder hin. Den Kopf auf
einem zusammengeknüllten Handtuch gebettet, beobachtete sie das Paar.
Während
der GI nur wenige Schritte von ihr entfernt eine große Decke
ausbreitete, zog das Mädchen den bunten Wickelrock aus. Es trug einen
knallroten Bikini. Dann setzten sich die beiden dicht nebeneinander auf
die Decke, der junge Mann legte den Arm um seine Freundin. Sie
betrachteten ihre Umgebung, unterhielten sich, lachten hin und wieder,
küssten sich.
Wie vertraut sie miteinander sind. Eifersucht machte sich in Marita breit. So will ich das auch mit Anthony.
Seit drei Wochen traf sie sich mit ihm. Bei ihrem ersten Treffen im Goldstein,
einer Kneipe in der Mainzer Altstadt, in der viele amerikanische
Soldaten verkehrten, hatte er sie mit seiner direkten Art und seiner
rauen Stimme ebenso sehr geängstigt wie fasziniert. Seinem burschikosen
Charme war sie sofort erlegen. Mit Anthony gab es keine Langeweile.
Erstaunt hatte sie nach der ersten Woche festgestellt, dass sie auch
ernsthaft miteinander reden konnten, dass er sich für ihr Leben
interessierte, sich Zeit nahm, ihr Schulenglisch zu verstehen.
Irgendwann im Verlauf dieser vergangenen Wochen hatte sie sich in ihn
verliebt. In seiner Gegenwart lebte sie auf. Die Zeit, die sie sie
miteinander verbrachten, prickelte wie Sekt. Ein Haudegen, ein Kämpfer,
ein Macher. Die Kehrseite der Medaille war allerdings, dass er manchmal
zu spät oder sogar gar nicht zu einer Verabredung erschien.
„Na, träumst du wieder vor dich hin?“ Sophie hielt ihr ein Softeis hin.
Noch etwas benommen richtete sich Marita auf und nahm das Eis entgegen.
„Da war eine ganz schön lange Schlange“, fügte Sophie hinzu. Dann setzte sie sich neben ihre Freundin.
Ein
ganze Weile war Marita damit beschäftigt, an ihrem Eis zu lecken, das
bei diesen Temperaturen schon die Waffel hinunterlief.
„Zum Glück sind jetzt Ferien“, erklärte Sophie inbrünstig. „Die Schule nervt ganz schön.“
„Wenn
es wieder losgeht, sind wir in der dreizehnten Klasse. Nächstes Jahr im
April machen wir Abitur. Kannst du dir das vorstellen?“
„Nein!“, stöhnte Sophie.
„Wann
bist du eigentlich wieder mit Rick verabredet?“, fragte Marita nach
einer Weile und wendete sich damit den wirklich wichtigen Dingen zu.
Dass Sophie sich seit ein paar Tagen mit Anthonys Freund Rick traf,
passte wunderbar.
„Keine Ahnung, wir haben ja nichts ausgemacht.“ Ein tiefer Seufzer.
Genau
dieser Umstand nagte an Marita. Sie fühlte sich nur wohl, wenn sie
wusste, wann sie ihren Freund wiedersehen würde. „Die haben doch so
gegen sechs Uhr abends frei, nicht wahr?“, fiel ihr ein.
„Ich denke schon.“ Sophie warf ihr einen misstrauischen Blick zu. „Warum?“
Marita ignorierte die Frage. „Die Lee Barracks sind ganz in der Nähe.“
„Ja, und?“
„Ach. Nur so.“
Die Uhr am Gebäude des Hallenbades zeigte zehn Minuten vor fünf. Marita überlegte …
„Spinnst du?“ Völlig fassungslos schüttelte Sophie den Kopf. „Ich habe CLOGS an!“
Die
Schuhe sahen wirklich nicht besonders sexy aus. Zu einem weißen T-Shirt
trug Sophie einen engen, knielangen Jeansrock. Das war okay. Für ein
Date mit Rick hätte sie allerdings Plateausandalen angezogen.
„Und
wie wir aussehen! Immerhin waren wir den ganzen Nachmittag im Freibad.“
Mit einem zutiefst empörten Gesichtsausdruck und großer Geste zeigte
Sophie mit dem Arm nach hinten, in Richtung Schwimmbad.
Marita
gab ihr recht, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt: Sie wollte
jetzt in die Lee Barracks, um Anthony zu treffen und herausfinden, ob er
wirklich in der Kaserne war und nicht irgendwo anders. Nervenkitzel –
große weite Welt – etwas Drama und Abenteuer – das wollte sie! „Wir
richten uns ein bisschen. Dann geht das schon“, erklärte sie ungeduldig.
„Na ja, warum eigentlich nicht?“ Sophie hob einen Fuß und präsentierte Marita ihren Schuh. „Wieder mal was Spontanes.“
„Genau.“
Marita lächelte milde. Auf Sophie war Verlass. “Wir gehen jetzt zur
nächsten Telefonzelle und rufen erst einmal an.“ Von einer Sekunde zur
nächsten wurde sie nervös, versuchte ihre feuchten Haare, verdreht durch
eine verunglückte, sündhaft teure Minipli-Dauerwelle, in Form zu
kneten. Ihre Stimmung kippte. „Was hast du überhaupt für ein Problem?
Deine Haare sehen immer gut aus.“ Sie konnte es nicht verhindern, ihr
Blick wurde giftig – sie spürte es. Wie das rüberkam, konnte sie sich
vorstellen.
„Wie guckst du mich denn an?“ Sophie zeigte ihr den Vogel. „Komm, krieg dich wieder ein.“
„Tut mir leid.“ Marita blieb stehen und sah ihre Freundin eindringlich an. „Ich bin einfach so neidisch auf deine Haare.“
Sophies hüftlanges dunkelbraunes Haar wogte in einer sanften Brise. Sie setzte an, etwas zu erwidern, wurde aber abgelenkt.
Mit
ihnen hatten mehrere Leute das Schwimmbad verlassen. Hinter einer
Familie mit zwei kleinen Kindern, die gierig ihr Eis schleckten,
tänzelte eine junge Frau in einem bedruckten Baumwollkleid vorbei, das
ihr bis zu den Knöcheln reichte. In ihren schulterlangen Locken
leuchtete ein rosa Band. Sie lächelte entrückt. Von irgendwoher tönte
Abbas Fernando, wurde dann abgelöst von If You Are Going To San Francisco … Die Tänzerin strahlte sie an, schwebte an ihnen vorbei. Die Flower-Power-Hymne erstarb. Sophie und Marita grinsten sich an.
„Also gut, zuallererst bringen wir unsere Taschen mit dem nassen Zeug ein bisschen in Ordnung“, bestimmte Sophie.
In
der prallen Sonne bemühten sie sich, ihre Bikinis und Handtücher besser
zu verstauen, damit nicht sofort zu erkennen war, dass sie ihre
Schwimmsachen spazieren trugen.
„Mann, ich glaube, ich werfe ein Handtuch in den Abfalleimer da drüben. Ich kriege meine Tasche kaum zu“, stöhnte Marita.
„Was
soll ich denn sagen? Ich muss den Krempel irgendwie abdecken.“ Sophie
trennte sich nie von ihrem Korb. Der war oben natürlich offen. Sie
entknotete das geblümte Tuch vom Henkel und drapierte es über den
Inhalt.
„Langsam wird mir schlecht. Die Sonne sticht ja regelrecht.“ Marita prustete eine hellbraune Strähne aus ihrer Stirn.
Sophie
band sich ihr Haar zu einem üppigen Pferdeschwanz zusammen. Sie
beeilten sich, von dem Vorplatz des Schwimmbades wegzukommen. Etwas
abseits, sogar im Schatten, warteten sie vor einer öffentlichen
Telefonzelle, bis eine ältere Dame in einem weißen Sommerkostüm, mit
einem riesigen Ring am Finger und einem kleinen weißen Pudel im Arm, ihr
Telefonat beendet hatte. Als die Frau die Zelle verließ, warf sie ihnen
einen bösen Blick zu. Der Pudel knurrte.
„Was sollte das denn?“ Sophie schüttelte den Kopf.
Dann
lachten beide los, hektisch und überdreht, denn gleich würden sie in
der Kaserne anrufen und bis zuletzt unter Strom stehen, bis sie einen
ihrer Freunde am Hörer hätten. Und das alles unter schwierigen
klimatischen Bedingungen. In den öffentlichen Telefonzellen staute sich
die Sommerhitze, geschwängert von unangenehmen Gerüchen.
Sie
quetschten sich in die Kabine und stellten ihre Taschen auf die Ablage
über der Vorrichtung für die Telefonbücher, die nach unten hingen.
Sophie hielt die Tür auf. In der Mischung aus Parfum, Schweiß, kaltem
Zigarettenrauch und Pudel entfaltete sich langsam ein neuer Geruch:
feuchte Wäsche mit einer deutlichen Chlornote.
„Mach schnell“, würgte Sophie.
Marita
kramte ein paar Zehnpfennigmünzen hervor und warf zwei davon
nacheinander in den dafür vorgesehenen Schlitz. Die Münzen fielen nicht
durch. Großartig. Als sie den Zeigefinger in die Wählscheibe steckte,
verharrte sie, sah Sophie an, ebenso überrascht wie entgeistert. „Ich
kenne die Nummer nicht auswendig.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst.“
Dann
lachten sie wieder völlig unkontrolliert los. Marita drückte auf die
Halterung. Die Zehner fielen in die Auffangschale. Eilig verstaute sie
die Taschen übereinander in einer Ecke der Zelle, um eines der
Telefonbücher hochzuklappen. Es dauerte eine Weile, bis sie die Nummer
gefunden hatte. Als sie soweit war, das Geld wieder einzuwerfen,
registrierte sie auf der Seite eine Bewegung. Sophie erging es wohl
ebenso. Beide sahen durch die seitliche Scheibe – und kreischten auf.Vita
Paula Dreyser ist Bibliothekswissenschaftlerin und Ethnologin.
Nach einer Tätigkeit an der Universität mit Forschungsaufenthalten
in Namibia übte sie verschiedene Berufe aus. Sie arbeitete als Lehrerin,
betreute eine Schulbücherei, leitete Projekte in Institutionen
der Familienbildung und führte ein Online-Antiquariat.
Mittlerweile ist sie als freie Lektorin tätig und widmet sich ihren Romanen.
Mit Mann und fast erwachsener Tochter lebt sie im Vordertaunus,
in der Nähe ihrer Heimatstadt Mainz.
Webseite: http://www.paula-dreyser.de/de/
Facebook: https://www.facebook.com/pauladreyser/
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