Kurzbeschreibung:
"Die Liebe ist eine
höchst verzwickte Angelegenheit. Manchmal überfällt sie einen so
gnadenlos, dass es keinen
Zweifel gibt. Manchmal kommt sie langsam angeschlichen. Oder sie versteckt sich
hinter einem anderen Gefühl und macht dann plötzlich Buh!, wenn man am
wenigsten damit rechnet."
Luca ist gerade 14
geworden und verliert sich gern in Tagträumen. Nach dem Fiasko an ihrem
Geburtstag - warum musste ihre Mutter ausgerechnet ihren Schwarm Ron und ihren
Lieblingsfeind Fredo einladen? - beschließt sie, ihr Leben endlich in den Griff
zu kriegen. Wenn ihr nur die Liebe nicht ständig dazwischenfunken würde!
Der süße Ron hält sie
leider für komplett bescheuert. Ob Anschmachten überhaupt noch einen Sinn hat?
Und dann wäre da Bela aus der Theater-AG, der Luca einfach zu seiner Freundin
erklärt hat. Inzwischen entwickelt ihr Lieblingsfeind Fredo fast schon
Stalkerqualitäten. Das Chaos ist perfekt. Und alles wegen der verflixten Liebe
...
Leseprobe
Kapitel 1
Ich hockte auf der Mauer hinter dem Wartehäuschen, in
das sich die anderen drängten, die auf den Schulbus warteten. Es nieselte an
diesem Aprilmorgen und ich freute mich direkt auf das beheizte Klassenzimmer.
Meine Freundin Nisha kam um die Ecke, befühlte die kalte Mauer und blieb lieber
stehen. »Mensch, Luca, das ist ja schlimm, was da passiert ist«, sagte sie
betroffen.
Ach du je, hatte ich wieder etwas nicht mitbekommen?
Tante Rieke, die vorübergehend bei uns wohnte, lag mir ständig damit in den Ohren, dass ich vor lauter Tagträumen mein halbes
Leben verpasste.
So, wie Nisha dreinschaute, musste etwas Entsetzliches
geschehen sein. Hatte meine kleine Schwester Diggy ihre Drohung wahrgemacht und
in der Schulaula das Foto ausgehängt, das sie im Winterurlaub auf Gran Canaria
von meinem mit Sand panierten Hintern aufgenommen hatte? Diese Aktion wäre ihr
durchaus zuzutrauen.
Nisha strich sich eine Strähne ihres feinen, blonden
Haares hinters Ohr und meinte mitfühlend: »Ich hoffe, du kommst bald drüber
weg.«
»Ist halb so schlimm«, sagte ich, weil ich nicht
zugeben wollte, dass ich keinen Schimmer hatte, wovon sie sprach. Durch
geschicktes Fragen würde ich schon herausfinden, was passiert war.
»Ron hat dich sowieso nicht verdient«, sagte Nisha.
Aha, es ging um einen Jungen namens Ron. Nie gehört.
»Ich kenne keinen Ron«, gab ich zu.
»Klar, dass du jetzt so reagierst.« Nisha nickte
verständnisvoll. »Das nennt man Verdrängung. Tu ruhig so, als ob er dir am
Arsch vorbeigeht, dann kommst du am schnellsten drüber weg, wie er dich
abgefertigt hat. Du warst aber auch ein bisschen naiv, oder? Ich meine, du
hattest davor noch keinen Satz mit ihm gewechselt und dann machst du ihm aus
heiterem Himmel eine glühende Liebeserklärung. Das war schon der Hammer.«
Ich musste eine Doppelgängerin haben. Anders konnte
ich mir nicht erklären, dass ich einem mir unbekannten Typen eine
Liebeserklärung gemacht hatte, von der ich nichts wusste. Ich mochte ja
manchmal etwas geistesabwesend sein, aber das hätte ich doch mitgekriegt, oder?
Easy gesellte sich zu uns. Sie ist die Tratschkönigin
der Schule. Von ihr würde ich endlich alle Details erfahren.
»Hi, du altes Streifenhörnchen«, sagte ich betont
fröhlich.
Easy trägt grundsätzlich nur gestreifte Klamotten.
Egal ob quer oder längs, ob breite oder schmale Streifen.
Nisha raunte Easy zu: »Sie nimmt es ganz schön
tapfer.«
Easy starrte mich mit glühender Bewunderung an. »Das
war ja echt laser, was du da gemacht hast. Seit Ron an der Schule ist, sind
alle Girls nach ihm verrückt und tuscheln und schreiben Liebesbriefchen, die sie
dann wieder zerreißen – ich habe selbst auch einen verfasst, das gebe ich offen
zu. Aber keine traut sich so recht an diesen Wunderknaben heran, und dann
kommst du und erklärst ihm, dass er deine große Liebe ist und so weiter. Zu
dumm, dass ich nicht dabei war. Daraus hätte ich einen tollen Artikel machen
können. Ron – alle wollen ihn, keine hat eine Chance.«
Sie redet gern in Schlagzeilen.
Nisha seufzte bekümmert. »Ich wäre auch gern dabei
gewesen, dann hätte ich Luca nach der Abfuhr gleich trösten können.«
Gut, dass ich selbst nicht dabei gewesen war. Da war
mir anscheinend eine ziemlich peinliche Situation erspart geblieben. Nur, wo
kam das Gerücht her, dass ich diesen Ron angebaggert hatte?
»Und wer war dann dabei?«, fragte ich.
»Na, niemand«, sagte Easy. »Nur ihr beide, allein an
der Brücke beim Entenfüttern. Es hätte so romantisch sein können. Zwei Enten
im Mondschein. Obwohl es ja Tag war, aber egal. Ein bisschen
journalistische Freiheit darf man sich nehmen.«
Ich hatte also Enten gefüttert. Diese Information half
mir nicht weiter. »Tja«, sagte ich. Das reicht für gewöhnlich, um Easy zum
Weiterquasseln zu bringen.
»Aber wie ich dich kenne«, sagte sie auch prompt,
»hast du alles falsch gemacht und bist die Sache viel zu konfus angegangen, wie
das nun mal deine Art ist. Also, ich hätte dir da aus meinem reichen
Erfahrungsschatz einiges anzubieten gehabt, aber mich hast du ja nicht
gefragt.«
»Mich auch nicht«, schmollte Nisha.
Ich mag eine Träumerin sein, aber ich kann trotzdem
logisch denken, darum schloss ich messerscharf: Wenn ich mit Ron allein gewesen
war, dann musste er es gewesen sein, der die Story von unserer Begegnung
an der Brücke in Umlauf gebracht hatte.
Ob er über eine andere Luca sprach? Soweit ich wusste,
hatte ich an der Schule keine Namensvetterin. Auch sonst gab es in meinem
Dunstkreis kein Mädchen dieses Namens. Trotzdem musste eine Verwechslung
vorliegen. Irgendwie spannend, das Ganze. Und genau genommen auch ziemlich
fies. Denn egal, welche Luca nun gemeint war, das war ja wohl das Letzte von
diesem Super-Ron, dass er gleich herumerzählte, wie er sie abgefrühstückt
hatte. So etwas tut man nicht. Schon mal was von Diskretion und Feingefühl
gehört, der Herr?
Wie so oft ging die Fantasie mit mir durch und ich
stellte mir vor, wie Luca II, wie ich sie jetzt nannte, zitternd und mit allem
Mut, den sie aufbrachte, ihre Gefühle vor Ron ausbreitete, woraufhin er nichts
Besseres zu tun hatte, als darauf herumzutrampeln und sie hinterher vor all
ihren Freunden zur tragischen Figur zu machen, indem er es jedem, der es wissen
wollte oder nicht, brühwarm erzählte. Na, dem würde ich die Tour vermasseln!
»Jetzt kriegt euch wieder ein«, sagte ich zu Nisha und
Easy und hüstelte bedeutungsvoll. »Es war genau umgekehrt. Ihr wisst doch, dass
ich nie auf dem Laufenden bin, darum hatte ich keinen Schimmer, dass hier ein
neuer Mädchenschwarm herumläuft. Ich hockte gestern völlig ahnungslos und in
einen schönen Tagtraum versunken auf dem Brückengeländer, als der Kerl ankam
und ein paar total abgenutzte Sprüche losließ und mich zu begrapschen anfing.
Das hat mich sofort abgetörnt. Ich hab ihm gesagt, er soll mich in Ruhe
lassen«, berichtete ich weiter und steigerte mich so richtig in meine
Geschichte hinein. »Aber er wurde immer zudringlicher. Als ich mich wehren
wollte, hat er versucht, mich vom Geländer schubsen. Der fand sich wohl
reichlich cool. Ich habe ihm eine geknallt und bin gegangen. So war das! Bis
eben wusste ich nicht mal, dass er Ron heißt, denn er hatte es ja nicht nötig,
sich vorzustellen.«
»Ach, deshalb hast du vorhing gesagt, dass du keinen
Ron kennst«, meinte Nisha.
Prima, meine Story fügte sich nahtlos in die Tatsachen
ein.
»Mann, wenn ich das herumerzähle, wie du Ron
abgefertigt hast!«, freute sich Easy. »Der Schöne und das Biest. Coole
Story.«
»He, bloß nicht!«, wehrte ich schnell ab, aber ich
wusste, dass es zwecklos war. Easy hält nie den Mund, wenn es etwas Aufregendes
zu erzählen gibt, und für Easy ist alles aufregend. Sie liest sogar morgens die
Tageszeitung, um nichts zu verpassen, was in der Welt so passiert.
»Na hör mal, das müssen doch alle erfahren, was für
eine billige Vorstellung der abgeliefert hat«, beharrte sie.
»Ja, schon gut.« Ich hatte schon so viele peinliche
Situationen überlebt, da kam es auf eine mehr nicht an. Ich tröstete mich
damit, dass es keine Zeugen des Vorfalls gab. Also würde mein Wort gegen Rons
Wort stehen. Dumm war nur, dass er natürlich wissen würde, dass ich Unfug
erzählt hatte. Aber das konnte mir doch egal sein. Der Typ war bei mir sowieso
unten durch. Dachte ich.
In der großen Pause dachte ich das nicht mehr. Da
zeigte mir Nisha den sagenhaften Ron, und ich war total geplättet, denn er
gefiel mir schon aus der Ferne wahnsinnig gut.
Inzwischen hatte Easy meine Version der Geschichte
erfolgreich in der Schule verbreitet und ich wurde von allen Seiten dumm
angequatscht.
»Bist du doof, dir so eine Chance entgehen zu lassen?«
»Wenn ich an der Brücke gewesen wäre, hätte Ron mich
gern ins Wasser schubsen dürfen.«
»Bist du lesbisch, oder was?«
»Wie konntest du es wagen, ihn zu ohrfeigen. Du bist
ja unzurechnungsfähig!«
Langsam wurde es brenzlig, doch da kam mir Silke zur
Hilfe. Sie ist so breit wie sie groß ist, und alle haben einen Heidenrespekt
vor ihr, weil sie als Sport Ringen betreibt. Silke stellte sich breitbeinig vor
mich, mit dem Rücken zu mir.
»Willst du meine dunkle Ecke sein, in der ich mich
verstecken kann?«, fragte ich sie.
»Gerne.« Sie verschränkte die Arme. »Gleich wird es
nämlich heftig. Da kommt Mr. Supertyp persönlich und will ein Hühnchen mit dir rupfen.
Mal sehen, ob er sich an mir vorbeitraut.«
Silke ist zwar nicht direkt eine Freundin von mir,
aber sie hat den unwiderstehlichen Drang, Schwächere zu beschützen. Da im
Prinzip jeder schwächer ist als sie selbst, ist sie an der Schule der Bodyguard
für jeden, der gerade einen braucht. Ich drückte mich eng an ihren Rücken und
stierte an ihrem Arm vorbei Ron an. Irre süß, der Typ, so richtig zum Knutschen
und dabei total cool und ein bisschen verwegen. Eine tolle Mischung. Wieso war
er mir bisher nicht aufgefallen?
Der süße Typ steuerte direkt auf mich zu, umrundete
Silke und baute sich vor mir auf. »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich sah mich um, als wäre ich mir nicht sicher, ob er
mich meinte. »Wie, welche Luca?«
Er stemmte die Fäuste in die Seiten. »Na, die, die mir
angeblich eine geknallt hat.«
»Ich?«, tat ich entsetzt. »Ich würde niemals jemandem
eine knallen.« Das war immerhin keine Falschaussage und konnte somit nicht
gegen mich verwendet werden.
Silke schob sich wieder zwischen Ron und mich. Er zog
kopfschüttelnd davon.
In der nächsten Schulstunde stand, oder vielmehr saß,
ich komplett neben mir. In Gedanken ging ich wieder und wieder die Szene auf
dem Schulhof durch. Das hätte anders laufen müssen.
Etwa so:
Ron, finster: »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich, ganz relaxed: »Hey, und du bist dieser Ron, ja?
Toll, was wir uns jetzt richtig kennenlernen, damit die albernen Gerüchte über
uns aufhören.«
Rons böse Mine weicht einem Lächeln. Er hakt mich
unter. »Guter Plan.«
Oder noch besser so:
Ron, finster: »Sag mal, bist du diese Luca?«
Ich, den Tränen nahe: »Ja, und es tut mir so leid,
dass ich diesen Mist über uns erzählt habe. Weißt du, du hast mich völlig
durcheinandergebracht. So ein toller Junge wie du ist mir noch nie begegnet.«
Ron, besänftigt und geschmeichelt: »Danke. Ich find’s
cool, dass du dazu stehst.«
Ich, mutig: »Um ganz ehrlich zu sein, würde ich total
gern mit dir ein Eis essen gehen.«
Ron, flirtend: »Wenn ich dir danach die Sahne von den
Lippen lecken darf, gern.«
Dann küsst er mich. Seine Lippen schmecken nach
Vanilleeis.
Mir fielen die Augen halb zu, während ich mir das in
allen Details ausmalte. Easy riss mich aus meinen Träumen, indem sie mir ihren
Lippenstift in die Hand drückte.
»Was soll ich damit?«, fragte ich flüsternd.
»Na, du hast doch trockene Lippen, oder wieso leckst
du ständig darüber?«
Über die Autorin:
Tina Zang hat sich einen
Namen gemacht mit ihren frechen und ungewöhnlichen Kinder- und Jugendbüchern.
Sie schreibt seit zwanzig Jahren, weil es nichts gibt, was sie glücklicher
macht ... außer Singen und Katzen streicheln.