Band 1 der Kurzromanreihe um den Magier Rowan
Rowan besitzt schon als Kind die magischen Fähigkeiten der
Familie – so zum Beispiel mit Heil-Liedern, Handauflegen, Pflanzen und Kräutern
zu kurieren und mit Tieren zu sprechen. Sein Großvater Bunduar, ein mächtiger
Großmagier, fördert Rowans Begabungen und bereitet ihn darauf vor, einmal sein
Nachfolger und ein bedeutender Beschützer des Magierreichs zu werden. Dabei
möchte Rowan viel lieber wie seine Freunde ein edler Ritter werden. Als Drachen
in das Land einfallen und die Menschen bedrohen, erkennt Rowan schließlich, wie
wichtig Magier sind.
Leseprobe:
Mardok
und Ottgar stellten sich neben einen großen Stein ins Wasser und warteten.
Rowan hatte noch nie gesehen, wie jemand mit bloßen Händen Fische fing.
Großvater und Mutter aßen keine Tiere. Und ihr Nachbar, Bauer Rotur, benutzte
dazu Netze. Manchmal half Rowan ihm beim Fischen.
Eine
Weile schaute Rowan seinen beiden Freunden zu. Sobald ein Fisch in ihre Nähe
kam, bückten sie sich und griffen mit beiden Händen zu. Mardok erwischte auch
bald einen, Ottgar griff mehrmals daneben. Er war zu ungeduldig und wartete
nicht lange genug, wie Rowan schnell erkannte. Rowan suchte sich einen anderen
Stein und stieg ins Wasser. Es dauerte nicht lange, da schwamm eine Forelle
vorbei. Lautlos und langsam bewegte sich Rowan und hatte sofort den Fisch
gegriffen. Doch er spürte die Angst des Tieres, und sobald er es aus dem Wasser
hob, auch den Schmerz und die Atemnot. In seiner Todesangst wand sich der Fisch
in seinen Händen und Rowan ließ verschreckt los.
„Hättest
du nicht besser festhalten können? So ein großer Kerl“, schimpfte Mardok. Doch
Rowan wandte sich ab und stieg wieder aus dem Wasser. Ottgar kam hinterher.
„Was
ist los?“, fragte er.
Rowan
zuckte die Achseln. „Nichts.“
„Blödsinn,
sag schon.“ Ottgar sprach leise, damit Mardok nichts verstand.
„Ich
habe gespürt, wie der Fisch litt“, murmelte Rowan leise. Nicht leise genug,
denn Mardok war herangetreten und hatte es gehört.
„Blödsinn,
Fische spüren nichts.“
„Doch,
sie leiden sehr, wenn man sie fängt.“ Rowan konnte nicht verstehen, dass seine Freunde
den Schmerz der Tiere nicht fühlten. Schade, dass Ottgar so gar nichts von der
magischen Begabung seiner Vorfahren geerbt hatte. Sie wären sonst sicher noch
viel besser miteinander ausgekommen.
„Dummheit,
wir würden verhungern, wenn wir kein Fleisch und keine Fische essen würden.“
Rowan
antwortete ihm nicht, sondern lief zur Burg. Er musste seinen Großvater fragen,
warum sie keine Tiere aßen. Und sie verhungerten trotzdem nicht! Aber Großvater
war nirgends zu finden. Er war weder in seinen Räumen, in denen er studierte,
arbeitete und schlief, noch in den Ställen.
Als
Roman eintrat, versuchte der Pferdeknecht Karduar gerade, ein neugeborenes
Fohlen an die Zitzen der Stute zu schieben, doch die drehte sich weg und wollte
das Fohlen nicht trinken lassen. Peruan beobachtete die Situation besorgt. „Wir
müssen es mit der Hand aufziehen.“
„Ich
habe schon versucht, es einer anderen Stute unterzuschieben, aber das hat nicht
geklappt.“ Karduar drängte die Stute in die Ecke und Peruan hielt ihren Kopf mit
Gewalt fest. Aber sie wehrte sich und trat nach ihnen. Auf diese Weise konnte das
Fohlen nicht trinken.
Enttäuscht
wollte Rowan gerade den Stall verlassen, als seine Freunde kamen. Sie hatten
ihre Fänge in der Küche abgegeben und wollten sich das kleine Fohlen anschauen.
„Großvater,
Rowan hatte so eine große Forelle gefangen und sie
wieder entkommen lassen, weil er angeblich den Schmerz des Fisches gespürt
hat.“ Mardok zeigte mit seinen Händen, wie groß das Tier gewesen war.
„Magier
spüren mehr als wir, Mardok. Nur deshalb können sie mit Elfen und Geistern in
Kontakt treten.“
„Aber
unsere Leute brauchen doch etwas zu essen“, verteidigte sich Mardok.
„Es
ist auch nicht verboten, Fleisch und Fisch zu essen. Aber erwachsene Magier und
Priester essen so etwas nicht.“
„Rowan
ist doch ein Kind, er ist zwei Jahre jünger als ich.“
Peruan
lachte. „Lass ihn in Frieden, er weiß selbst am besten, was gut für ihn ist.“
Er ging mit Mardok und Ottgar aus dem Stall und nickte Rowan aufmunternd zu.
Als
sie gegangen waren, sagte Karduar: „Natürlich leiden Tiere unter Schmerzen und
Angst. Wer spürt, was die Tiere fühlen, kann besser mit ihnen umgehen. Du bist
der beste Reiter von euch dreien, weil du mit den Tieren sprichst.“
Rowan
lächelte Karduar an. Er trat näher und schaute, wie Karduar das Fohlen aus der
Box trug.
„Sie
hat Schmerzen.“
Karduar
setzte das Fohlen ab. „Was sagst du da?“
„Die
Stute hat Schmerzen, deshalb lässt sie das Fohlen nicht an das Euter.“
Karduar
betrat noch einmal die Box, Rowan folgte ihm und tätschelte den
Kopf der Stute, dabei murmelte er leise etwas, während Karduar die Zitzen abtastete.
„Du
hast recht. Heiß und geschwollen. Vielleicht kann dein Großvater helfen.“
Er
brachte das Fohlen in die Nachbarbox, dann ging er gemeinsam mit Rowan zum
Falkner, wo er Bunduar vermutete. „Der neue Adler hat sich ein Bein gebrochen“,
erklärte Karduar.
Bunduar
stand neben dem Falkner und beobachtete einen frisch abgerichteten Habicht, der
am Himmel kreiste. Auf einer Stange saß der Adler mit einem bandagierten Bein.
„Das wird wieder.“ Bunduar nickte Karduar zu.
„Die
junge Stute lässt ihr Fohlen nicht trinken, wir dachten erst, es wäre, weil es
ihr erstes ist, aber Rowan meinte, sie habe Schmerzen, und tatsächlich sind
ihre Zitzen heiß und geschwollen.“
„Dann
werde ich es mir einmal ansehen.“ Er ging aber nicht gleich zum Stall, sondern
suchte seine Arbeitsstube auf. Dort nahm er einige Kräuter aus seinen Säcken,
zerrieb sie im Mörser und vermischte sie mit Fett.
Rowan
erzählte seinem Großvater, während dieser arbeitete, von dem Fisch. „Mardok war
böse, weil ich ihn losgelassen habe.“
„Natürlich
spüren Tiere Schmerzen und Angst. Deshalb muss man sie gut behandeln. Und man
darf Tiere nur töten, wenn es nötig ist.“
„Zum
Essen ist es nicht nötig. Du isst doch auch kein Fleisch“, stellte Rowan fest.
„Fleisch
macht stark. Ritter müssen es deshalb essen; außerdem reicht die Ernte häufig
nicht für alle. Vor allem im Winter gehen die Vorräte oft aus, und dann muss
man Tiere schlachten oder auf die Jagd gehen.“
Rowan
dachte darüber nach. Sein Großvater füllte die Salbe in eine Holzdose, murmelte
ein Gebet und sang dann eins seiner Heil-Lieder. Rowan stimmte ein. Eine ganze
Reihe Lieder kannte er schon auswendig, aber er würde noch viele weitere lernen
müssen.
Auf
dem Weg zum Stall erzählte Großvater von einem guten Pferd, dass sich bei einer
Jagd ein Bein gebrochen hatte. „Ich konnte ihm nicht helfen. Da Pferde meistens
stehen, heilen die Brüche nicht gut. Bevor es sich quälte und dann doch starb,
habe ich es getötet.“
Rowan
schluckte.
„Das
gehört auch zu unserer Arbeit“, sagte Großvater.
Karduar
erwartete sie schon. Bunduar betrat die Box und redete leise auf die Stute ein.
Sie wurde ganz ruhig und ließ sich widerstandslos von ihm untersuchen.
Schließlich verlangte er eine Schale und wies Rowan an, den Kopf der Stute zu
halten und leise mit ihr zu sprechen.
Er
selbst zog ein Messer aus seinem Gürtel und schnitt die entzündete Stelle auf. Übel
riechender Eiter quoll aus der Wunde. Bunduar drückte mit seinen Händen,
während Karduar den Eiter in der Schale auffing. Anschließend rieb Bunduar die
Wunde und die Umgebung mit der Salbe ein. Er wies Karduar an, stündlich die
Salbe erneut aufzutragen. Dann ging er zum Fohlen hinüber. Das Tier lag
geschwächt auf dem Stroh. Er hob es hoch und trug es zu seiner Mutter hinüber.
Leise stimmte er ein Lied an, das Rowan noch nie gehört hatte, und hielt das
Fohlen an die Zitze. Diesmal ließ die Stute es trinken. Vorsichtshalber trug
Bunduar es hinterher wieder in die Nachbarbox.
„Ich
schaue nachher vorbei, dann helfen wir dem Fohlen noch einmal beim Trinken.“
Er ging zum Brunnen und
wusch sich die Hände und Unterarme, dazu holte er ein Stück Seife aus einem
Beutel, der an seinem Gürtel hing. Rowan folgte seinem Beispiel.Aileen O‘Grian
Was wäre wenn? - Fantasy als Spiel mit den Möglichkeiten
Seit Jahren schreibe ich aus Spaß am Phantasieren Märchen, Fantasy und Science-Fiction und habe diverse Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht.
Den Magier Rowan mag ich so gern, dass ich mir vorgenommen habe, eine Romanreihe zu schreiben.
Leseproben von mir gibt es auf meinem Blog: http://aileenogrian.overblog.com/
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