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Leseproben:
Prolog
Vampire existieren nicht! So ein Kinderkram! Denkst du auch so? Na
dann hör mir mal gut zu, ich werde dir jetzt eine Geschichte erzählen die dich
in zwei Welten einer noch lebenden Vampirfamilie entführen und fesseln wird. Wo
du vieles was so passiert in der Welt plötzlich mit anderen Augen sehen wirst.
In der du das Universum plötzlich mit anderen Augen betrachtest und es zwischen
Himmel und Hölle nicht nur unsere Welt gibt. Ich rede von einer unvorstellbaren
Zwischenwelt, in der Wesen gefangen sind, die nicht einmal der Teufel will. Du
hast dich sicher schon mal gefragt, warum immer schlimmere Dinge in der Welt
passieren. Naturkatastrophen und Unruhen beherrschen die Tagesschau und
überfluten eure unbedarften jungen Seelen mit Gewalt, Terror und
Einzelschicksalen. Du willst von mir eine kurze schnelle Antwort darauf? Die
kann auch ich dir nicht geben. Doch nicht immer ist alles nur Schicksal und
Zufall. Verlass deine reale Welt und tauch mit mir in die Geschichte von
Maximus dem jungen Vampir ein. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Antwort
darauf.
Die Zwischenwelt
»Brr
ist das kalt hier«, waren meine ersten Gedanken, als ich etwas unsanft
landete. Ich fühlte die Feuchtigkeit und die Kälte durch alle Poren meines
Körpers und sog mühsam die modrige Luft ein. Mein Kopf brummte und schmerzte.
Meine Lippen schmeckten die feuchte Erde. Ich lag auf dem Bauch und wagte nicht
mich umzudrehen. Wie war ich hergekommen? Es schien alles so unwirklich.
»Das Vamuraibuch! Das blaue
Licht!«, schoss es mir durch den Kopf. Ich hätte wohl besser das
Kaminzimmer meiden sollen. Warum war ich nur immer so neugierig? Papa hatte
mich doch vor dem Buch gewarnt. Mein Leben war doch eigentlich perfekt gewesen.
Papa hatte in meiner Lehrerin eine neue Frau gefunden und ich würde bald ein
Geschwisterchen bekommen. Dank meiner entwickelten Spezialcreme, die uns damals
schon vor den Vampirjägern gerettet hatte, führten wir ein fast normales Leben,
das sich kaum von dem anderer unterschied. Naja, außer dass wir in einem großen
Schloss wohnten, gräflichem Ursprung waren und übermenschliche Kräfte hatten.
Und dass sich mein Vater, der Graf Vamus immer noch gerne in seine Gruft
zurückzog.
Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln und konnte mir selbst in
dieser Situation das Grinsen nicht verkneifen. Frau Mairose hatte zwar einiges
in unserem Leben verändert, aber alle Marotten meines Vaters konnte auch sie
nicht verändern. Ich selber hatte in letzter Zeit viele neue Freunde gewonnen und
war eigentlich ein glücklicher Teenager. Was war nur in mich gefahren, die
Warnungen meines Vaters zu ignorieren? Er hatte mich noch gewarnt: »Was
für die Hexen das Hexenbuch ist, ist für die Vampire das Vamuraibuch. In diesem
Buch sind all die Antworten enthalten, die für Vampire wichtig sind. Doch es
ist sehr gefährlich, und man muss ganz vorsichtig damit umgehen, weil es lebt
und unheimliche Kräfte besitzt.«
Ich fand das alles damals ziemlich spannend. Das Vamuraibuch hatte
mich von Anfang an in den Bann gezogen. Selbst als es mein Vater geöffnet hatte
und ich anfangs etwas enttäuscht war, weil es nur aus leeren Seiten bestand.
Mein Vater hatte mir aber erklärt, dass das Buch erst Sätze schreibt und zu
einem spricht, wenn man ihm eine Frage stellt. Er hatte mich gleichzeitig vor
den Gefahren des Buches gewarnt, und dass man es nur im Notfall verwenden
dürfe. Es könne einem auch Schaden zufügen und dazu bringen, in seine Seiten
einzutauchen. Dann würde man in einer Zwischenwelt mit gefährlichen Wesen landen.
Er erzählte mir außerdem, dass ein Vampir in dieser Zwischenwelt über keine
außergewöhnlichen Kräfte verfügen würde.
Tja und das schien jetzt der Fall zu sein. Ich fror fürchterlich
und hatte Angst. Meine Gedanken schwelgten weiter. Wie konnte ich mich nur dazu
hinreißen lassen. Das erste Erlebnis mit dem Vamuraibuch war schon einige Zeit
her gewesen, aber es war mir nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Immer wieder zog
es mich magisch ins Kaminzimmer, doch normalerweise betrachtete ich es immer
aus sicherer Entfernung. Bis ich eines Tages die Grenze überschritt.
Meine Eltern waren nicht zuhause und wie von unsichtbarer Hand
geführt, ging ich ins Kaminzimmer und stand plötzlich ganz nahe neben dem
Vamuraibuch. Ich konnte mich der Magie des Buches nicht mehr entziehen. Wie von
selbst griff meine Hand in das Regal, wo das Buch lag. Es war so schwer, dass
ich es kaum anheben konnte. Ich nahm es, legte es vor den Kamin auf den Boden
und betrachtete es zum ersten Mal näher. Seltsame Ornamente zierten den Umschlag
und die Blätter waren außen rot gefärbt. Es sah ganz anders aus, als alle
Bücher, die ich bisher gesehen hatte. Als es so vor mir lag, konnte ich einfach
nicht widerstehen, ich musste es berühren. Meine Hand strich vorsichtig über
den dicken Umschlag. Es fühlte sich an wie eine Mischung aus Freude und Leid,
Gut und Böse. Es roch alt und modrig. Ich sog gierig an diesem Duft, wie ein
Verdurstender an einem Strohhalm. Es machte mich ganz benommen und meine Hand
begann leicht zu vibrieren.
Doch irgendetwas hielt mich zurück das Buch zu öffnen. Die
Warnungen meines Vaters waren tief und fest in meinem Gehirn verankert. Ich
wollte schon wieder das Kaminzimmer verlassen, als aus der Seite des Buches ein
Hauch blauen Rauches entwich. Es war als wollte das Buch mit mir Kontakt
aufnehmen. Gebannt starrte ich den Rauch an, der sich sogleich wieder verzogen
hatte. Zurück blieb ein süßlicher, unwiderstehlicher Geruch, der mich an
frisches Blut erinnerte. Genüsslich strich meine Zunge über meine Lippen und
meine Vampirzähne fingen leicht an zu zittern. Aber nicht dass ihr jetzt denkt,
ich wäre ein blutrünstiger Vampir. Ganz im Gegenteil. Ich hatte mich bisher nur
von Tier Blut und Beuteln aus der Blutbank ernährt. Seit ich mit der
Spezialcreme eins geworden war, schmeckte mir auch normales Essen. Diese Creme
hatte nicht nur unser Leben verändert, sondern sie hatte uns zu Halbmenschen gemacht, weil wir
jetzt tagsüber existieren konnten. Meine Gedanken wanderten zurück zum Vamuraibuch.
Nachdenklich starrte ich es an und berührte es erneut. Doch etwas hielt mich
immer noch davon ab, das Buch zu öffnen. Ich wollte meine Hand schon zurück
ziehen, doch irgendwie klebte sie jetzt am Einband fest. Es war, als ob sich
das Buch weigern würde, mich wieder gehen zu lassen. Ich dachte ich träume und
schüttelte ungläubig den Kopf.
»Was willst du von mir?
Lass mich gehen! «
Dabei versuchte ich mit der anderen Hand die klebende Hand
wegzuziehen. Doch es half nichts, das alte Vamuraibuch blieb stur und ließ es
nicht zu. Ich fasste neuen Mut, nahm stattdessen die andere Hand um das Buch zu
öffnen. Das hätte ich wohl besser lassen sollen, denn ich spürte so etwas wie
einen Stromschlag durch meinen Arm und dieser wurde plötzlich ganz schwer und
heiss. Anschließend durchfloss mich ein angenehmer Schauer, der sich sogleich
in meinen ganzen Körper verteilte. Ein letzter Versuch den Arm zurückziehen
scheiterte. Wie von einer unsichtbaren Kraft geleitet, schlug der Deckel des
Vamuraibuches plötzlich von alleine auf und das Buch lag geöffnet vor mir.
Sanfter blauer Rauch stieg langsam aus dem Buch empor und weil ich den Kopf
nach unten gebeugt hatte, stieg mir erneut der süßliche blaue Rauch direkt in
die Nase hinein. Hastig und gierig sog ich daran. Ich konnte nicht genug davon
bekommen und es machte mich ganz benommen. Noch bevor ich mir über dieses blaue
Licht und den Geruch Gedanken machen konnte, begann das Buch plötzlich mit mir
zu sprechen: »Ich habe dich erwartet Maximus! Ich warte seit dem Tag an dem du
mich zum ersten Mal gesehen hast darauf, dass du mich öffnest! Was willst du
wissen?«
Vor Schreck ließ ich den Deckel los, wollte dabei gleichzeitig
aufspringen und einen Satz zurück machen, verlor aber mein Gleichgewicht. Ich
fiel rücklings um und knallte mit dem Kopf gegen die Couch. Es gab einen
dumpfen Schlag und ich hielt mir schmerzerfüllt den Kopf.
»Das gibt es doch gar nicht«, murmelte ich mehr zu mir selbst,
»wie kann ein Buch zu mir sprechen?«
Wieder schüttelte ich ungläubig meinen Kopf und starrte erneut das
Buch an. Was hatte mir mein Vater letztes Mal gesagt?
»Das Buch lebt!«
Aber dass es auch noch mit mir sprechen würde, darauf war ich
einfach nicht vorbereitet gewesen. Ich krabbelte vorsichtig auf allen Vieren
zurück zum Buch und sog erneut gierig den süßlichen Duft des blauen Rauches
ein. Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen und wurde erneut ganz
benommen davon. Wie in Trance begann ich schließlich mit dem Buch zu sprechen.
»Ich, ich möchte gern«, stammelte ich noch etwas unbeholfen, fasste dann aber
meinen ganzen Mut zusammen. »Die Zwischenwelt, was ist
das denn genau? Kannst du sie mir bitte zeigen?«
Der blaue Rauch reagierte bei dem Wort Zwischenwelt, als hätte er
auf diese Frage gewartet und wurde immer heftiger. Ein kalter Schauer durchzog
mich und erneut hatte ich das Gefühl fliehen zu müssen. Doch als ich
aufspringen und flüchten wollte, bemerkte ich, wie gelähmt ich war. Ich konnte
mich nicht mehr von der Stelle bewegen. Gebannt starrte ich auf den blauen
Rauch und musste tatenlos zusehen, wie dieser immer heftiger wurde. Dann
entwickelte sich aus dem blauen Rauch plötzlich ein sich immer schneller
drehendes und immer größer werdendes blaues Loch, das versuchte mich hineinzuziehen.
Kraftvoll stemmte ich mich dagegen.
»Nein«, versuchte ich es nochmal mit letzter Kraft und hielt mich
verkrampft mit der einen Hand am Boden fest. Mit der anderen Hand ergriff ich
panisch ein Stuhlbein. Doch diese unheimliche Kraft zog unaufhaltsam an mir.
Ein letzter Versuch. »Ich möchte nicht in diese Zwischenwelt! Ich wollte nur
wissen, was sie ist«, probierte ich das Vamuraibuch zu beschwören und zu
besänftigen.
Einen Augenblick schien es, als ob der blaue Rauch zögern und sich
anders besinnen würde. Doch dann machte sich eine angenehme Wärme in mir breit.
Der süßliche Duft betörte mich erneut und machte mich schließlich willenlos.
Meine verkrampften Hände gaben nach und ich ließ los. All mein Widerstand war
jetzt verflogen und ich fühlte mich plötzlich leicht wie eine Feder. So
bemerkte ich erst gar nicht, dass das Buch begann mich aufzusaugen. Der Sog
wurde immer heftiger und mein mittlerweile willenloser gebeutelter Körper,
wurde wie von einem Staubsauger aufgesogen. Schwindel erfasste mich und bis ich
mich versah, verlor ich das Bewusstsein. Das blaue Licht transportierte mich
weit weg in diese andere Welt und ich erwachte in diesem düsteren, unheimlichen
und kalten Wald.
Mittlerweile hatte ich mich umgedreht, lag auf dem Rücken und
starrte auf die düsteren Bäume über mir. Sie bewegten ihre Äste im Wind, als
würden sie nach mir greifen wollen und ächzten, als würden sie mich auslachen.
Ich bereute, dass ich die Warnungen meines Vaters vor Neugier ignoriert hatte.
Das hatte ich jetzt davon. Mutterseelen allein in dieser düsteren
Zwischenwelt, fror ich zum ersten Mal in meinem Leben und machte mir vor lauter
Angst fast in die Hose. Schützend umklammerte ich mit den Armen meinen kalten
Körper und dachte über mein Leben nach. Was würde mich hier erwarten? Konnte
ich irgendwann wieder heim zu meiner Familie? Würde ich jetzt überhaupt noch
mein Geschwisterchen kennenlernen, das bald geboren wird?
Verzweifelt blickte ich mich erneut um. Nichts als diese
grässlichen Bäume. Ich fühlte mich hilflos und kraftlos und meine Augen
blickten müde und angsterfüllt umher. Normalerweise konnte ich mit diesen Augen
sehr weit sehen, doch hier in dieser Zwischenwelt nur ein paar Meter. Meine
Ohren lauschten den Geräuschen im Wald, doch außer dem Ächzen der Bäume, war es
hier still. Keine Tiergeräusche – gar nichts.
Ich hörte mein Vampirherz bis zum Hals schlagen und war
überwältigt von meinen eigenen Gefühlsausbrüchen. So etwas kannte ich bisher
nicht. Es musste wohl an dieser Zwischenwelt liegen. War ich hier ein normaler
Mensch? Fühlen richtige Menschen immer so? Ich war verwirrt und fühlte mich in
dieser Welt einfach nur hilflos und kraftlos. Ich war zum ersten Mal in meinem
Leben einsam und verlassen. Die Angst schnürte mir den Hals zu. Panisch rang
ich nach Luft und sog die modrige und feuchte Luft des Waldes ein. Plötzlich
zuckte mein ganzer Körper zusammen.
War da nicht doch ein Geräusch? Ein Hitzewall traf meinen Körper
unverhofft und erste Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Panisch
blickten meine Augen umher, doch niemand war zu sehen.
»Ich muss hier raus, hilft mir denn
keiner! Papa wo bist du?«, wimmerte ich hilflos vor mich hin. Und zu mir selbst: »Reiß
dich zusammen du Jammerlappen!« Angst vor der Ungewissheit machte sich erneut
in mir breit. Und nichts als diese grässlichen Bäume um mich herum. Ich
überlegte noch kurz, ob ich die Nacht hier verbringen und erst bei Tageslicht
weiterziehen sollte. Doch angesichts des unheimlichen Ortes verwarf ich den
Gedanken sofort wieder.
»Reiß dich endlich zusammen«, schellte ich mich erneut selber,
»ich bin doch schließlich ein Vampir. Vor was soll ein Vampir denn Angst
haben?«
Das stärkte mein Selbstvertrauen – schließlich war ich immer noch
ein Wesen der Nacht. Warum also sollte ich in der Nacht in einem Wald Angst
haben. Doch irgendetwas stimmte hier nicht. Mein Blick – er war wirklich nicht
normal hier. Ich konnte in der Dunkelheit kaum etwas sehen und das machte mir
erneut Angst. »Das kann nicht sein, ich bilde mir das alles nur ein.« Ich
machte einfach kurz die Augen zu und wollte alles um mich herum wegzaubern. Das
war bestimmt nur ein Traum. So, das müsste genügen. Langsam öffnete ich ein
Auge nach dem anderen. Doch nichts hatte sich verändert. Immer noch dieser
düstere muffelige Wald. Resignation machte sich in mir breit.
In welche Richtung sollte ich denn jetzt gehen? Ich wünschte mich
zurück in das Kaminzimmer, zurück zu meinen Eltern. Ich vermisste sie bereits
jetzt. Was hatte ich nur getan? Sie machten sich bestimmt Sorgen. Warum hatte ich nur nicht auf Papa
gehört? Doch es half alles nichts, ich
musste irgendwie alleine aus diesem Wald raus kommen. Vielleicht solle ich mich
ja einfach in eine Fledermaus verwandeln.
Ich wollte es gerade tun, musste jedoch
feststellen, dass nicht einmal das hier funktionierte. »So ein Mist«, grummelte ich jetzt missmutig. Ich würde also als ein normal sehender Mensch, diese Welt erkunden
müssen und fühlte mich plötzlich verletzlich. Müde und hoffnungslos machte ich
mich auf den Weg. Nach einiger Zeit wurde der Wald lichter und die Sterne
spenden mehr Licht. Als der Wald zu Ende war, kam ich an ein Feld. Doch das war
kein normales Feld. Es wuchs nichts auf diesem Feld, zumindest nichts
Fruchtbares. Und dann fielen mir beinahe die Augen raus. Auf dem Feld ragten
Holzpfähle heraus. Und auf diesen Pfählen waren Köpfe aufgespießt, die mich
jetzt auch noch anschrien:. »Rette uns! Rette uns!« Mein ganzer Körper zuckte
zusammen und ich erschauderte. Wie konnten Köpfe ohne Körper reden und was
wollten sie von mir?
»Redet ihr Köpfe mit mir? Was wollt ihr? Das gibt es
doch gar nicht!«
Dabei stöhnte ich laut auf und stolperte vor Angst und Erregung
über eine Wurzel, die auf dem Weg lag. Ich landete mit einem Satz auf dem Bauch
und wagte zuerst nicht aufzublicken. Ein eiskalter Schauer lief mir über den
Rücken. Ganz langsam hob ich den Kopf und rappelte mich auf. Mein Blick fiel
erneut auf die Köpfe, die auf den Pfählen aufgespießt waren. Es waren hunderte
– nein tausende. Soweit das Auge reichte. Es war unglaublich. Die Köpfe sahen fürchterlich aus und
ein Geruch von faulem Fleisch stieg mir in die Nase. Ich rümpfte angewidert die Nase, als die Köpfe erneut riefen:
»Rette uns! Rette uns!«
Ich blickte mich um und suchte nach etwas, wovor
ich die Köpfe retten sollte, doch ich
sah nichts anderes als diese schrecklichen Felder. Etwas mutiger geworden, ging
ich zu einer Gruppe von Köpfen und fragte sie neugierig: »Vor wem oder was soll
ich euch denn retten? Es ist doch niemand anderes da. Und überhaupt, ihr seid
doch schon alle tot, ihr habt doch keine Körper mehr und kein Herz!« Dabei
schüttelte ich angewidert meinen Kopf. »Wer macht denn so etwas
Schreckliches, Köpfe abtrennen und dann auf Pfähle stecken?“
Redeten die Köpfe wirklich mit mir, oder bildete ich mir das nur
ein? Das war doch alles unmöglich.
Erneut schüttelte ich meinen Kopf, als wollte ich meine Gedanken
ordnen. Die Köpfe schienen meinen Zweifel zu bemerken und redeten jetzt alle
wirr durcheinander. »Der Herrscher«, »Ein schlimmer Fluch«, »Böse Gräueltaten«,
»Die Welt wird vernichtet.«
Das war mir jetzt doch zu viel und ich hielt mir die Ohren zu.
Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ohne nochmals umzublicken, rannte ich
entsetzt an ihnen vorbei. Ich lief und lief, vorbei an vielen Feldern, die ich
jetzt einfach ignorierte. Ich wollte nur noch weg von diesem grauenhaften
Ort, raus aus der Zwischenwelt. »Warum
hilft mir keiner?«, wimmerte ich verzweifelt. Dann waren die Stimmen der Felder
verschwunden.
Mittlerweile
waren Graf Vamus und die Gräfin wieder in das Schloss zurückgekommen und
suchten ihren Sohn überall.
»Wo kann er denn nur sein? Er muss doch hier sein!«, meinte die
Gräfin zu ihrem Mann. Sie machte sich große Sorgen. Es war ja gleich Essenszeit
und das ließ Maximus eigentlich nie aus.
»Es wird ihm schon nichts passiert sein«, versuchte Graf Vamus die
Gräfin zu beruhigen, »er ist ja wirklich alt genug um auf sich selber
aufzupassen!«
Im Kaminzimmer angekommen, stockte ihm plötzlich der Atem. Er
hatte auf dem Boden das Vamuraibuch entdeckt. Es war geöffnet und ein Strahl
sanften blauen Rauches strömte heraus. Hatte
Maximus etwa das Buch benutzt? Still
und nachdenklich betrachtete er es.
»Maximus wo bist du?«, brüllte Graf Vamus durch das Schloss. Keine
Antwort, es blieb still. Der Graf durchsuchte das ganze Schloss nach Maximus.
Wieder im Kaminzimmer angekommen, dämmerte es ihm plötzlich. »Er wird doch
nicht!«, murmelte der Graf und betrachtete das Vamuraibuch erneut. Dann fiel es
ihm wie Schuppen von den Augen. Maximus war womöglich mit Hilfe des Buches in
die Zwischenwelt gelangt. Jetzt musste er besonders besonnen handeln, denn sein
Sohn war in großer Gefahr. Er durfte das Buch auf keinen Fall zuschlagen. Maximus
wäre sonst für immer und ewig in der Zwischenwelt gefangen. Und was das
bedeuten würde, war Graf Vamus klar. Er erinnerte sich an die Zeit, in der er
hilflos dem Herrscher der Zwischenwelt ausgesetzt war. Er wusste, dass es dem
jungen Vampir nicht alleine gelingen würde, den Klauen des Buches zu entkommen.
Der Herrscher der Zwischenwelt würde sich des kleinen Vampirs bedienen und ihn
für seine Machenschaften ausnutzen. Er wagte nicht, den Gedanken weiter zu
spinnen und es sich näher auszumalen. Alleine die Bekanntschaft mit diesen
bösen Wesen machen zu müssen, würde für seinen Sohn eine schlimme, grausame
Erfahrung werden.
»Was soll ich denn nur tun?« rätselte Graf Vamus, »ich kann doch
die Gräfin jetzt nicht alleine lassen und mich auf solch ein gefährliches
Abenteuer einlassen. Maximus muss eine Weile in der Zwischenwelt alleine
klarkommen. Ich kann ihm dieses Mal nicht sofort helfen.«
Er seufzte laut auf. In diesem Moment, kam die Gräfin außer Atem ins Kaminzimmer
gelaufen und fand ihren Mann kauernd vor dem Vamuraibuch. Er wirkte auf sie
völlig hilflos und verzweifelt. So hatte sie ihren Mann bisher noch nie erlebt.
»Was ist denn los, was ist passiert?«, fragte sie ihn.
»Siehst du dieses offene Buch da?«, meinte er auf das Vamuraibuch
deutend, »dies ist das Vamuraibuch. Es ist der Schlüssel zur Zwischenwelt.
Maximus befindet sich jetzt in der Zwischenwelt und muss mit den Kreaturen
dieser Welt kämpfen. Wir sind zwar auch Wesen der Zwischenwelt, müssen aber
nicht in ihr leben. In dieser Zwischenwelt leben alle, die aus der Welt
verbannt wurden. Sie sind der Abschaum der Welt. Nicht einmal die Hölle will
diese Kreaturen. Erst wenn sich diese Wesen in der Zwischenwelt verdient
gemacht haben, dürfen sie in die Hölle. Das Leben dort ist grausam. Du kannst dir
das gar nicht vorstellen. Nur ein paar dieser Kreaturen auf der Erde und sie
würden alle Menschen, die sich nicht wehren können und zu den Mitläufern
gehören, in ihren Bann ziehen. Die Welt würde immer schlechter und grausamer
werden.«
Seine Stimme wurde dabei immer leiser. Der Graf erzählte seiner
Frau von seinen eigenen Erfahrungen in der Zwischenwelt und wie ihn damals sein
Vater gerade noch gerettet hatte. Er war für ihn selber sehr knapp gewesen,
doch sein Vater wurde vom Herrscher getötet. Das glaubte zu mindestens Graf
Vamus. Vielleicht wurde aus ihm deshalb kein böser blutrünstiger Vampir und er
wollte nie wieder in diese Zwischenwelt zurückkehren. Damals beschloss er ein
guter Vampir zu werden. Doch jetzt musste wohl er nochmal diese Welt betreten,
um seinen Sohn zu retten. Maximus würde sonst für immer und ewig in dieser Welt
gefangen sein. Nur er konnte ihn retten und durch den blauen Tunnel mit ihm
entfliehen. Doch das würde für Graf Vamus bedeuten, dass er seine Frau und sein
bald geborenes Kind verlassen müsste. Im Moment unmöglich. Maximus musste eine
Weile alleine klarkommen. Dass das Maximus allerdings prägen und verändern
würde, war ihm auch klar. Er wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Gräfin
Vamus war das plötzlich alles zu viel. »Auf was wartest du? Du musst ihn sofort
retten«, schrie sie auf einmal völlig hysterisch und rüttelte wie wild am Arm
ihres Mannes.
»Das geht so nicht«, meinte Graf Vamus sanft und nahm ihre Hand in
die seine und legte die andere auf ihr Bäuchlein. »Ich
kann dich doch in diesem Zustand nicht alleine lassen. Wir müssen erst
abwarten, bis das Baby da ist und es dir besser geht. Es ist sehr riskant in
diese Welt einzutauchen. Ich kann dir nicht garantieren, dass ich wirklich mit
Maximus zurückkommen werde. Ich kann nur hoffen, dass es mir gelingt.«
Die Verzweiflung war aus seinen Worten heraus zuhören. Er ließ
seine Frau los, nahm das Vamuraibuch vorsichtig in die Hände und legte es auf
den Tisch. »Sei mutig Maximus«, rief er in das Buch hinein, »ich werde bald
kommen und dich retten!«
War da nicht erneut die
Stimme von Papa? Hatte er nicht gerade gesagt, dass ich mutig sein soll und
dass er bald kommen würde, um mich zu retten? Wieso konnte ich ihn hören?
»Papa, hilf mir – ich hab fürchterliche Angst! Hörst du mich?«.
Doch niemand antwortete.
Ich
konnte nicht ahnen, dass Papa gerade in diesem Moment mit meiner Mama aus dem
Kaminzimmer gegangen war. So hatte er mein Flehen nicht mehr gehört. Ich
schöpfte trotzdem neue Hoffnung. Meine Familie konnte also mit mir durch das
Vamuraibuch Kontakt aufnehmen. Sie wussten es nur noch nicht. Irgendwann würde
ich wieder bei meiner Familie sein. Papa würde mich bestimmt bald retten. Ich
konnte in dieser Situation auch nicht verlangen, dass mein Papa mir jetzt half,
denn Mama war kurz vor der Niederkunft und brauchte ihn. Es war schon schlimm
genug, dass ich ihnen vor lauter Neugier solche Probleme machte. Ich musste
mich eben selber durch dieses Schlamassel kämpfen – ich würde das schaffen!Renate Roy wurde 1962 in München geboren und lebt dort mit ihren beiden Töchtern Josi und Izi und Hund Reggie. Nach einer erfolgreichen Lehre als Industriekauffrau studierte sie noch Wirtschaftsingenieurwesen und möchte noch ihren Heilpraktiker machen. Sie ist eine sehr vielseitig interessierte, sportliche Leseratte. Die Maximus Bücher sind ihre ersten Veröffentlichungen.
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