Band 2 der Raukland-Trilogie
Rauklands Blut
Ronan ist nach Raukland zurückgekehrt, doch sein
Vater sieht auch in Broghan einen Anwärter auf den Thron. Die beiden
Kontrahenten führen einen erbitterten Kampf um die Gunst des Königs. Ronan
rechnet fest mit dem Sieg, als Broghan ein ungeheuerliches Geheimnis aufdeckt.
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(...)
Vorsicht, die Leseprobe enthält einen Spoiler! Wenn du Band 1 noch nicht gelesen hast, solltest du besser nicht weiterlesen ;)
Kapitel 1
Ronans Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als er vor die Eichentür
trat, hinter der die Gemächer seines Vaters lagen. Die schweren Bretter
waren längst ausgeblichen, die schwarzen Nagelköpfe
mit Staub bedeckt. Auf Augenhöhe quollen Splitter hervor: Dort hatte
ein Schürhaken das Holz zerrissen. Knapp über seiner Schulter war das
schwarze Stück Eisen damals stecken geblieben: Vater
hatte wieder einmal die Geduld mit seinem Thronfolger verloren.
Ronan holte tief Luft, legte die Fingerknöchel an das Holz und
klopfte. Drinnen blieb es still. Unruhig betrachtete Ronan den Mann
neben sich. Dort stand Broghan, das Gesicht gespenstisch weiß,
die blutleeren Lippen ein schmaler Strich. Die Augen seines Bruders
waren auf ihn gerichtet, als wollte er ihn mit Blicken durchbohren. Mehr
konnte er auch nicht tun. Seit Broghan versucht hatte
ihn auf Lannoch zu töten, um sich Rauklands Thron zu sichern, hatte
er die Seereise nach Raukland als Gefangener im Bauch des Schiffes
verbracht. Auch jetzt waren seine Hände vor dem Körper
gefesselt. Broghan, sein Bruder. Ronan konnte immer noch nicht
glauben, dass er einen hatte.
Der Riegel klapperte. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und eine
junge Frau lugte daraus hervor, den Körper mit einem Tuch bedeckt, das
sie eilig vor der Brust zusammenraffte. Ronan erkannte
Sari, Vaters liebste Bettgespielin.
„Sieh an, es ist Ronan“, schnurrte sie. „Zurück aus dem kalten Norden?“
„Ich muss Vater sprechen.“
Die Frau sah in den Raum hinein.
„Geh“, grollte eine Stimme aus dem Inneren.
Saris Schulter streifte Ronans Arm. Sie lächelte ihm ins Gesicht und lief auf bloßen Füßen davon.
Die Tür pendelte vor und zurück. Ronan holte tief Atem, packte
seinen Bruder am Genick und schob ihn vor sich in die Gemächer des
Königs von Raukland.
Vater wandte ihnen den Rücken zu. Nach vorn gebeugt zerrte er die
Leinenhose über seine Hüften. Sein Oberkörper war so blass, als hätte
die Sonne ihn ausgebleicht, anstatt seine Haut zu bräunen.
Allein die Unterarme zeigten eine fahle, rötliche Farbe.
Ronan hätte zu gerne sein Gesicht gesehen. Aber Azel von Raukland
fuhr fort an Hose und Gürtel zu nesteln, als hätte er nicht bemerkt,
dass jemand eingetreten war. Sein mähnenartiges Haar fiel
wie ein struppiger Vorhang in sein Gesicht, jede Strähne war dünn
und farblos. Vom linken Schulterblatt zog sich eine Narbe seinen Rücken
hinunter. Das glänzende Gewebe spannte bei jeder
Bewegung.
Ronan betrachtete Vater stumm. Über ein Jahr waren sie einander
nicht begegnet. Dieses Jahr hatte Ronan auf der nordischen Insel Lannoch
verbracht. Sein Vater hatte ihn, mehr tot als lebendig,
dorthin geschickt, als Strafe für die verlorene Schlacht gegen König
Bellingor. Außerdem drohte er damit, Ronan Rauklands Thron zu entsagen,
wenn es ihm nicht gelang Lannoch einzunehmen.
Dabei war es nicht seine Schuld gewesen, dass er besinnungslos in
seinem Zelt lag, statt Männer in einen Hinterhalt zu führen. Broghan,
der Bruder, von dem er damals nicht wusste, hatte ihn mit
vergiftetem Wein aus dem Weg schaffen wollen. Als er jedoch nicht
genug davon trank und nach Lannoch geschickt wurde, anstatt zu sterben,
folgte ihm Broghan mit dem Schwert, um den jüngeren
Bruder dort zu töten, wo dieser keine Hilfe erwarten konnte.
Aber Ronan hatte Hilfe bekommen, wenn auch von gänzlich unerwarteter
Seite: Merin, der König Lannochs hatte ihn nicht nur vor Broghans Dolch
gerettet, sondern ihm zudem Lannoch unterworfen. Ronan
sollte die Insel vor dem Mann beschützen, vor dessen Grausamkeit das
gesamte Nordmeer zitterte: vor Azel von Raukland, Ronans eigenem Vater.
Erst auf Lannoch hatte Ronan erfahren, dass sein tot geglaubter
älterer Bruder noch am Leben war: Im Alter von vier Jahren war Broghan
in einen Fluss gefallen und hatte seither als verschollen
gegolten. Doch er hatte überlebt: Hütejungen holten ihn aus dem
Wasser. Eine kinderlose Frau zog ihn als ihren Sohn auf. Beinahe zwanzig
Jahre blieb Broghan im Glauben, ein Waisenkind zu sein,
bis er herausfand, dass er in Wirklichkeit ein Königssohn war. Ab
diesem Moment setzte Broghan alles daran seinen jüngeren Bruder aus dem
Weg zu räumen, um sich selbst den Thron zu sichern. Um
Haaresbreite wäre es ihm gelungen.
Ronan schob die Schultern zurück. Heute würde Broghans Mordversuch
vor ihrem gemeinsamen Vater eine gerechte Strafe finden. Dann war diese
unsägliche Episode ein für alle Mal vorbei. Sollte Vater
Broghan hängen, köpfen oder den Fischen zum Fraß vorwerfen: Sobald
Ronan diesen verhassten Raum verließ, war Broghan aus seinem Leben
verschwunden. Er konnte es kaum erwarten.
Mit einem Grunzen zog Vater die Stiefel heran, stieß die Füße hinein
und stopfte die Hose in die Schäfte. Dann erst wandte er sich um. Sein
Blick fiel auf Broghans gefesselte Hände.
„Was soll das?“
Seine Stimme war zu laut für den niedrigen Raum.
„Broghan hat …“, begann Ronan.
„Vater, hört mich an!“, fiel ihm sein Bruder ins Wort. Es war
sonderbar, Broghan „Vater“ sagen zu hören. „Ronan hat mich auf Lannoch
gefangen genommen! Wie ein Stück Vieh hat er mich im Bauch des
Schiffes hierher verschleppt!“
„Sei froh, dass du lebst, nach all dem, was du angerichtet hast!“,
schnaubte Ronan. „Vater, Broghan ist mir nach Lannoch gefolgt. Er …“
„Ronan wollte mich töten!“
Das war nicht nur frech, das war unverschämt. Mit Mühe erinnerte
sich Ronan daran, dass es schlechtes Benehmen war, gefesselte Gefangene
zu schlagen.
„Halt den Mund, Broghan!“, zischte er. „Du bist der Grund, warum vor einem Jahr die Schlacht gegen Bellingor verloren ging!“
„Wer hat mit diesem Mädchen so viel Wein gesoffen, dass er nicht mehr wusste, wer er war, und die Schlacht verpennt?“
„Du hast den Wein vergiftet und Cessey dazu angestiftet mich betrunken zu machen!“
„Beweis es!“, wisperte Broghan.
„Du weißt, dass das nicht geht! Die Frau ist tot und wird nichts mehr sagen.“
Broghan lächelte. „Ist das so?“
Mit einer schnellen Bewegung packte Ronan Broghans Linke. Sein
Bruder ballte die Hand zur Faust, doch es brauchte nicht mehr als einen
kurzen Druck und Broghan spreizte mit einem schmerzlichen
Keuchen die Finger. Über die Innenfläche seiner Hand zog sich eine
hellweiße Narbe.
Ronan zwang die Hand vor Broghans Gesicht. „Auf dein Blut hast du
geschworen, dass du König von Raukland sein wirst! Da wusste ich noch
nicht einmal, dass ich einen Bruder habe!“
„Einen älteren Bruder“, stellte Broghan richtig.
„Und was heißt das?“, fragte Ronan leise.
Broghan gab keine Antwort. Er riss seine Hand zurück und richtete
den Blick stattdessen auf den Mann, der ihren Wortwechsel schweigend
angehört hatte. Azel streckte die Hand nach einem tönernen
Becher aus, legte den Kopf in den Nacken und setzte das Gefäß an die
Lippen. Sein Adamsapfel glitt auf und ab, als der Wein in seine Kehle
rann. Mit einem Ruck setzte er den Becher ab. Er schritt
auf Ronan zu und machte dicht vor ihm Halt. Der Geruch von süßem
Wein traf Ronans Nase. Er hatte vergessen, dass Vater immerzu mit
offenem Mund atmete. Die Haut auf seinem Rücken begann zu
prickeln. Sein Instinkt verlangte, dass er einen Schritt zurücktrat,
aber er blieb stehen.
Stumm betrachteten sie einander. Wie alt Vater geworden war. Die
Haut an seinem Hals hing faltig herunter und über seine Wangenknochen
zogen sich unzählige rote Äderchen. Sein Atem ging pfeifend.
Wie lange hatte ihn Ronan nicht mehr von Nahem betrachtet? Der
mächtigste Mann Rauklands war ebenso verwittert wie die schwarzen
Festungstürme, in denen er herrschte. Aber Vater war niemand, der
das Ende seines Lebens vor einem prasselnden Kaminfeuer erwartete.
Er würde hoch zu Ross sterben, das Schwert in der Hand, eingehüllt vom
Staub und Lärm einer Schlacht.
„Hast du Lannoch erobert?“, grollte Vater. „Wie ich es dir aufgetragen hatte?“
Ronan zwang sich ihm in die Augen zu sehen. „Ja.“
Er hatte das Wort kaum herausgebracht, da stieß Broghan ein
verächtliches Schnauben aus. „Erobert? Erobert? Herrje, er hat die Insel
nicht erobert! Aus freien Stücken hat König Merin ihm Lannoch
unterworfen! Auf den Knien ist der alte Mann im Sand herumgerutscht
und hat Ronan angefleht, seine Insel vor Raukland zu beschützen. Vor
seinem eigenen Vater!“
Ronan biss die Zähne zusammen. Wieso hatte er diesem Kerl keinen
Knebel zwischen die Zähne gerammt? Wie konnte es sein, dass Broghan ihn
vorführte, obwohl er ein Gefangener war? Zhodan, sein
Lehrmeister, hatte recht behalten: Er hätte Broghan gleich auf
Lannoch die Kehle durchschneiden sollen!
„Fragt ihn, Vater!“, beharrte Broghan mit einem teuflischen Grinsen. „Fragt ihn, ob das wahr ist!“
Vater fragte nicht. Ein kaltes Funkeln trat in seine Augen, eines,
das Ronan sehr an Broghan erinnerte. Azel von Raukland hob den Becher,
als wollte er ihm zuprosten. „Dann ist Lannoch also
unser!“, grölte er. „Das ist gut. Wir werden die Insel König
Bellingor vermachen, als Tausch gegen den östlichen Teil des
Hochlandes.“
Ronan schnappte nach Luft.
„Was?“, fragte Azel leise.
In Ronans Kopf rauschte es. Lannoch sollte an Bellingor fallen? An
das Nachbarreich Angent, mit dem sie seit Jahrhunderten verfeindet
waren? Hatte Vater ihn nach Lannoch geschickt, um die Insel
an ihren Erzfeind abzutreten?
„Lannoch gehört mir“, sagte Ronan ruhig.
Autorenvita
Schon als Kind hat Jordis Lank Romane
weitergeträumt, wenn sie enttäuscht war, dass sie zu Ende waren. Wie oft hat
sie sich gewünscht die Figur sein zu können, von der sie da las! Bis sie
merkte, dass das Schreiben ein noch viel intensiveres Erlebnis ist als das
Lesen. Manchmal, wenn alles passt, wenn sich die Geschichte auf einmal von
selbst schreibt und die Charaktere Dinge tun, von denen man zwei Sätze vorher
noch nichts wusste, dann - so sagt sie - verschwimmen die Grenzen zwischen
Fiktion und Wirklichkeit - und man ist wirklich mitten drin: Ein einzigartiges,
großartiges Gefühl, das süchtig macht.
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