Klappentext:
Merle findet ihren Stiefbruder Dominik einfach nur
blöd. Wenn er überhaupt mit ihr spricht, dann meistens grobklotzig und
herablassend. Es dauert eine ganze Weile, bis ihr bewusst wird, dass sich ihr
Verhältnis grundlegend geändert hat und sie bis über beide Ohren in ihn verliebt
ist. Zunächst will sie das nicht wahrhaben und kämpft mit aller Macht dagegen
an. Doch schließlich muss sie vor ihren Gefühlen kapitulieren, und die Situation
wird noch komplizierter. Merle schlittert von einer fatalen Situation in die
nächste, als sie versucht, Dominiks Liebe zu gewinnen. Erhältlich bei Amazon.
Leseprobe:
Schließlich fehlte nur noch Dominiks Weihnachtsgeschenk für mich. Doch
der war so beschäftigt mit seinem neuen Navigationsgerät, dass er offenbar alles
andere darüber vergaß. Erst als es plötzlich still wurde im Raum, blickte er
auf. Abwartend schauten wir ihn an. „Oh ja, natürlich“, sagte er und griff neben
sich. Er hielt mir ein kunstgerecht in Weihnachtspapier eingewickeltes Päckchen
hin. Es sah aus wie ein Buch.
Mir klopfte ein bisschen das Herz, als ich es
entgegennahm. Was hatte Dominik sich für mich einfallen lassen?
Es war
tatsächlich ein Buch, das zum Vorschein kam. Das Cover zeigte einen tieforange
leuchtenden Schmetterling auf dunkelblauem Grund. Der Titel lautete:
„Schmetterlingsglühen“. Überrascht schaute ich Dominik an. Wie war er darauf
gekommen, mir ausgerechnet dieses Buch zu schenken?
Er verstand die
unausgesprochene Frage in meinem Blick. „Ich hatte keine Ahnung, was ich für
dich besorgen sollte“, begann er. „Aber ich weiß ja, dass du gerne liest.
Deshalb bin ich in eine Buchhandlung gegangen und habe mich beraten lassen. Man
hat mir diesen Roman empfohlen. Er steht auf allen Bestsellerlisten.“
„Schmetterlingsglühen“, warf Mama ein, „hat dieser Roman nicht gerade einen
Literaturpreis gewonnen?“
„Genau“, antwortete Dominik, „und deshalb ist es
ein Bestseller. Das ganze Schaufenster war voll davon.“
Ich las den
Klappentext. Es ging um einen Schmetterlingssammler, der beim Anblick seiner
aufgespießten Schmetterlinge auf poetische Weise über das Leben philosophierte.
Das klang, offen gestanden, nicht besonders spannend.
„Meinst du, dir
gefällt das Buch?“, fragte Dominik. Ich hörte den leisen Zweifel in seiner
Stimme.
„Ich sag’s dir, wenn ich es ausgelesen habe“, antwortete ich. Denn
dass ich das Buch lesen würde, war für mich Ehrensache, weil er es mir geschenkt
hatte.
Noch am selben Abend im Bett fing ich damit an. Doch schon auf der
zweiten Seite stockte ich: „Mit seinen Pfauenaugen durchdrang er die Löcher der
Zeit.“ Was sollte das bedeuten? Waren mit den „Pfauenaugen“ Schmetterlinge
gemeint oder die Augen der Hauptfigur? Und was hatte ich mir unter „Löchern der
Zeit“ vorzustellen? Ich las weiter, aber eine Antwort blieb mir der Autor
schuldig. Auf der vierten Seite fielen mir die Augen zu. Ich konnte das Buch
gerade noch beiseitelegen und die Lampe ausknipsen, bevor ich einschlief.
An
den Feiertagen machte ich noch mehrere Anläufe, das Buch zu lesen. Ich kam
insgesamt bis auf Seite 40, dann gab ich auf. Warum die Literaturkritiker diesen
Roman so gut fanden, dass sie dem Verfasser einen Preis zusprachen, war mir ein
Rätsel.
Interessehalber las ich mir ein paar Rezensionen im Internet durch.
Einige Leser schwärmten in den höchsten Tönen. Wenn ich mir allerdings ihre
Begründungen ansah, falls sie überhaupt welche gaben, hatte ich das Gefühl, dass
jeder von ihnen ein anderes Buch gelesen hatte. Einige Leute sahen das aber
genauso wie ich und schrieben, dass „Schmetterlingsglühen“ hochgestochener,
literarischer Quatsch wäre und stinklangweilig. Sie drückten es vornehmer aus,
aber das meinten sie.
„Hast du schon mal in das Buch reingeguckt?“, fragte
mich Dominik ein paar Tage nach Weihnachten.
Ich hätte mir gewünscht, dass
er mich das nicht fragte. Aber ich wollte ihm nichts vormachen und nickte. „Ich
habe mehrmals darin gelesen. Leider gefällt es mir überhaupt nicht.“
„Das
habe ich befürchtet“, antwortete Dominik düster. „Nachdem ich den Roman gekauft
hatte, habe ich ihn mir nämlich im Internet näher angesehen, und ich gebe zu,
ich war heilfroh, dass ich mir den Schinken nicht zu Gemüte führen musste.
Selten einen derartigen Schwachsinn gelesen.“
Wir guckten uns an. Um seine
Mundwinkel zuckte es. Um meine auch. Ich unterdrückte ein Glucksen, Dominik gab
einen erstickten Laut von sich. Und dann platzten wir gleichzeitig los. Wir
lachten, bis uns die Tränen kamen.
„Schade“, keuchte Dominik, „dass wir
einen Kamin haben. Dann könnten wir die Schwarte wenigstens verfeuern.“
„Aufgrund der enorm festen Papierqualität eignen sich die Seiten noch nicht
mal als Klopapier“, brachte ich mühsam hervor.
Und über noch etwas waren wir
uns einig: Das Cover war das Beste an dem Buch. Dieser orange glühende
Schmetterling sah wirklich hübsch aus. Das Buch machte sich gut im Regal.
Autorenvita:
Eva Markert ist von Beruf Studienrätin mit den Fächern
Englisch und Französisch, und sie besitzt ein Zertifikat für Deutsch als
Fremdsprache. Außerdem ist sie staatlich geprüfte Übersetzerin.
Hobbymäßig
arbeitete sie viele Jahre als Lektorin und Korrektorin in einem kleinen Verlag
mit.
Eva Markert schreibt Kinder- und Jugendbücher, Romane und
Kurzgeschichten.
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