Klappentext
Erkar Bodin hat überlebt, aber er befindet sich in einer misslichen Lage. Für das, was ihm angetan wurde, schwört er bittere Rache. Im Dunkelreich bekommt er Hilfe von unerwarteter Seite. Aber ist der Feind des Feindes wirklich sein Freund? Oder wird Erkar nur als Spielball der Mächte benutzt?
Zur selben Zeit steuert Yrangir unausweichlich auf einen Krieg zu. Kaiser Grimlok sammelt sein Heer und schickt die Männer ins Dunkelreich. Aber auch die Gegner schlafen nicht. Nicht mehr, denn Okrip, der Herr aller Orks von Yrangir, ist erwacht. Und auch Kjulan Schwarzklinge hat plötzlich einen äußerst mächtigen Trumpf in der Hand.
Schließlich sind drei gegnerische Heere auf dem Marsch, um sich in die große Schlacht zu stürzen. Doch die Hitarii scheinen nach wie vor übermächtig.
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Leseprobe:
Prolog:
In alter Zeit:
Ein völlig abgemagerter und verwahrloster Orkjunge von
vielleicht sieben Jahren taumelte entkräftet auf eine kleine Orksiedlung zu. Es
war früher Morgen, alle schliefen noch, niemand bemerkte ihn. Auch die
Dorfwache nicht, die dem Schnaps allem Anschein nach nicht abgeneigt war.
Darauf deutete der Krug hin, der leer neben dem Ork lag.
Mit letzter Kraft schaffte der Junge es zum Zelt des
Schamanen Sarranszar. Er war zu schwach, um zu rufen, und fiel ein Stück vor
dem Zelt mit dem Gesicht in den Staub.
Sarranszar war als Einziger schon wach. Er saß in seinem
Zelt und nutzte die frühen Morgenstunden für den Versuch, eine Verbindung zu
den Ahnen herzustellen. Plötzlich erschienen ihm erstmals nach dem Verschwinden
Okrips die Geister. Sie flehten ihn um Hilfe an.
Die Vision war so intensiv, dass er sofort aus seinem Zelt
trat. Noch ganz benommen stolperte er fast über den Jungen.
Er kniete nieder und drehte den Bewusstlosen vorsichtig auf
den Rücken. Da durchfuhr es ihn wie einen Blitz: Die Geister hatten für den
Jungen um Hilfe gerufen.
Sarranszar legte die Rechte auf die Brust des Kindes. Es
atmete sehr schwach und doch konnte Sarranszar
eine große Kraft spüren. Wie in Trance sprach er eine alte Heilformel, um den
Jungen zu stärken, und spürte zu seinem Erstaunen seine schamanischen Kräfte
zurückkehren.
Der kleine Ork schlug zunächst erschrocken die Augen auf,
doch schien er etwas Gutes in Sarranszar zu sehen. Er ließ sich entspannt vom
Schamanen in die Arme nehmen und glitt, nachdem dieser ihn im Zelt auf sein
Lager gebettet hatte, in einen tiefen erholsamen Schlaf..
Der Schamane behielt ihn bei sich. Er erzählte allen, er
hieße Mokrar und sei ein Großneffe dritten Grades aus dem weit entfernten
Süden. Mokrar wurde zu seinem Gehilfen. Sarranszars Kräfte erwachten zum Leben,
solange der Junge in seiner Nähe war. Er hatte eine Vermutung, woran das lag,
doch er sprach mit niemandem darüber.
Alle anderen Schamanen aus den südlichen Gebieten hatten
den Zugang zu ihren Kräften verloren und so kamen immer wieder Orks auch aus
entfernten Gegenden zu Sarranszar, um sich von schweren Krankheiten oder
Verletzungen heilen zu lassen. Der Schamane versuchte, die Quelle seiner Magie,
so gut es ging, zu verbergen, und so hatten sie lange Glück.
Nach einigen Jahren aber, als Sarranszar sich schon in
Sicherheit wog, erschienen die Dunkelmenschen. Sie zerrten ihn und den
mittlerweile halbwüchsigen Orkjungen aus
dem Zelt und schleiften beide vor ihren Anführer, den berüchtigten
Dunkelmenschenmagier Kartosklonn.
Es gab kein Entkommen, die Hitarii hatten das gesamte Dorf
bereits umstellt.
»Tötet sie alle!«, befahl
Kartosklonn. »Aber den Schamanen als Letztes. Lasst ihn sehen, was seine
Entscheidung kostet.«
Ein Aufschrei ging nach diesem Befehl durch die ringsum
versammelten Orks, die das Treiben der Dunkelmenschen beobachtet hatten.
Sie versuchten, sich zu wehren, doch waren die Hitarii in
der Überzahl. Die Kräftigen wurden sofort getötet, alle anderen gefesselt.
Vor allem Mokrar wehrte sich tobend gegen seine Angreifer.
Er war für sein Alter schon sehr stark und kämpfte gleichzeitig mit drei
Kriegern, doch es nutzte alles nichts. Ein harter Schlag traf ihn am Kopf und
er fiel bewusstlos nieder.
Die Hitarii begannen damit, alle Dorfbewohner hinzurichten. Sie zerrten Männer, Frauen, Kinder und
auch Neugeborene vor Sarranszar und schlachteten sie ab. Der Sand färbte sich
rot vor Blut und der Leichenberg wurde immer größer.
Der Schamane flehte in seiner Verzweiflung auf den Knien um
Gnade für jeden Einzelnen des Dorfes, doch Kartosklonn blickte nur
herablassend, ja fast schon gelangweilt auf ihn nieder.
Als Letztes schnappte sich ein großer Hitariikrieger den
bewusstlosen Mokrar. Er schleifte ihn vor Sarranszar und hob sein Schwert, um
ihm den Kopf abzuhacken.
»Stop!«, befahl Kartosklonn. »Mit ihm habe ich noch andere
Pläne.«
Der Krieger hielt mit missmutiger Miene inne.
»Wenn sie misslingen sollten, hast du natürlich das
Vorrecht, ihn zu töten. Aber mein Vorhaben wird dir sicherlich gefallen. Und
dem Herrscher auch.«
Er rieb sich vor Vorfreude die Hände und lächelte dem
Soldaten diabolisch zu. Dann wandte er sich an Sarranszar. »Nun bist du an der
Reihe, Verräter! Wir werden ein Mahnmal setzen für all jene, die versuchen
wollen, den Herrscher zu hintergehen.«
Kurz bevor das Schwert den Kopf des Schamanen vom Rumpf
trennte, betete dieser noch zu den Geistern, dass das Vorhaben des Magiers
scheitern solle.
»Bitte, o ihr Geister der Ahnen, habt Erbarmen und erspart
ihm die Qualen, die die Hitarii für ihn vorgesehen haben.«
Dann verschlang die Dunkelheit des Todes seine Sinne.
***
I
769 Jahre später
Der Morgen graute über den Bergen von Taar. Ein Adler
segelte durch die Lüfte. Seine Flügel waren weit gespannt und er zog lautlos
seine Kreise. Dann stieß er plötzlich einen langgezogenen Schrei aus.
Unter ihm im Tal der Götter, wie es von den Orks genannt
wurde, herrschte reges Treiben. Einige Dutzend Krieger der schwarzen Garde
Duramatars waren dabei, letzte Vorkehrungen an einem stählernen Käfig zu
treffen. Das Gefängnis umschloss einen gewaltigen Gesteinsbrocken, der mit
Runen, die von Verbannung, Unterdrückung und Gefangenschaft sprachen, übersät
war.
Seit nunmehr 777 Jahren lag er hier und war das
bestgehütete Geheimnis der Hitarii.
Hauptmann Korr stand ein Stück entfernt vom Käfig und
beaufsichtigte das Treiben. Während er Befehle bellte, zupfte er immer wieder
nervös an seinem roten Schnauzbart.
Nach einer Weile gesellte sich Erzmagier Vargan zu ihm.
Beides waren Hitarii, wie alle Angehörigen der schwarzen Garde.
Mit besorgtem Unterton richtete Korr das Wort an Vargan:
»Wird der Zauber halten?«
»Ja, Kommandant, er wird nicht in der Lage sein, seine
Gestalt zu wandeln, und somit auch nicht fähig sein, seine Zauber zu wirken.«
Der Kommandant nickte. »Hoffen wir, dass Ihr recht habt,
sonst ist der Käfig kein Hindernis für ihn.«
Er blickte gen Horizont, die Sonne war fast aufgegangen.
»Schließt das Tor! In wenigen Momenten dürfte es so weit sein!«, rief er laut
zu den Soldaten, die den Käfig noch einmal untersuchten.
Hastig verriegelten sie die schwere Tür mit drei armlangen
Bolzen. Diese waren so dick wie der Oberarm eines kräftigen Mannes.
Die Hitarii versammelten sich nun hinter der eisernen
Mauer.
Selbst in den Gesichtern dieser erfahrenen Krieger zeigte
sich eine gewisse Nervosität.
Nun fiel der erste Sonnenstrahl des Tages auf den Stein.
Erwartungsvolle Stille herrschte im Tal, alle Hitarii schwiegen, auch die Tiere
schienen zu spüren, dass ein großes Ereignis bevorstand – nicht eines von ihnen
gab einen Laut von sich.
Plötzlich durchbrach erneut ein Schrei des Adlers die
bleierne Stille.
Als sei dies ein Startsignal, begann der Fels zu erzittern.
Die Runen glommen auf, als wollten sie etwas im Inneren des Gesteins halten,
doch dann geschah es. Der Stein barst und kleine bis kopfgroße Stücke flogen
mit einem lauten Knall in alle Richtungen. Sie schlugen mit Wucht gegen die
dicken Stäbe der Umzäunung und eine undurchdringliche Staubwolke breitete sich
aus.
Die Hitarii husteten, ihre Anspannung war beinahe mit den
Händen fassbar. Sie wedelten den Staub beiseite und versuchten, etwas zu
erkennen.
Da leuchteten zwei gelblodernde Punkte in dem Chaos auf und
ein Knurren ertönte, das durch Mark und Bein ging. Etwas Großes, etwas
Mächtiges rührte sich in dem Käfig.
Kommandant Korr befahl: »Speerwehr vor den Ausgang!«
Die Männer zögerten einen Moment, beeilten sich dann aber
doch, seinem Befehl nachzukommen. Sie reckten ihre langen Spieße nach vorne und
der todbringende Wall aus Speerspitzen zeigte auf das Tor des Käfigs.
Nervös verharrten sie, während der dichte Staub langsam zu
Boden sank.
Aus der Wolke stieg wie in Zeitlupe der Körper eines
gewaltigen schwarzen Warges auf, so groß wie ein Schlachtross und doppelt so
massig. Das Wesen ähnelte einem riesigen Wolf, jedoch war der Kopf breiter und
der Kiefer wesentlich kräftiger. Seine gelben Augen loderten vor Wut und ein
Grollen kam aus seiner Kehle, als er die Hitarii erblickte. Er schüttelte sich
mit solcher Kraft, dass es klang wie eine Abfolge von mit großer Kraft
ausgeführten Schlägen, als sein dickes Fell in Bewegung geriet. Tief grollend
lief er auf und ab, stoppte aber immer vor den Gitterstäben, die ihn umgaben.
Dann schien der Warg zu begreifen, dass er sein steinernes
Gefängnis gegen ein eisernes getauscht hatte, und in blinder Wut loderten seine
Augen noch greller auf.
Er sprang mit einem riesigen Satz gegen das Tor. Der
Aufprall ließ die Erde erbeben, doch die stählerne Umzäunung hielt. Das Tier
geriet in Raserei, es biss in die Stäbe, schlug mit seinen Klauen dagegen,
sprang an ihnen hoch. Die Barriere ächzte unter der Kraft des Monsters, doch es
half nichts; es war gefangen.
Es hielt erneut einen Moment inne, wich ein Stück zurück
und betrachtete nochmals genauer, worin es gefangen war. Sein Blick fixierte
das Tor, die schwächste Stelle in der Konstruktion. Dann schnellte es erneut
vor und verbiss sich darin, knurrte wild, seine enormen Muskeln spannten sich
und es zog mit solcher Kraft daran, dass der Stahl zu ächzen begann. Wilder und
immer wilder stemmte sich der schwarze Warg gegen den Stahl, seine Zähne gruben
sich in das Metall und die oberarmdicken Riegel begannen, sich zu verbiegen.
»Speerwehr vor! Treibt ihn weg vom Tor!«, bellte Kommandant
Korr.
Die Hitarii erwachten augenblicklich aus ihrer
Schreckensstarre. Keiner wollte sich das zweimal sagen lassen. Sie hatten mit
Entsetzen das Untier beobachtet und kämpften mit der Angst, dass kein Stahl sie
mehr vor dieser Kreatur schützen würde.
Mit brutaler Gewalt rammten die vordersten fünf ihre
Speerspitzen in den Kopf des Warges.
Als der Stahl sich in seinen Kopf bohrte, heulte er
herzzerreißend auf, wie nur ein getroffenes Tier es kann. Aber er ließ nicht
locker, sondern knurrte noch wilder und riss weiter an den Stäben.
»Stecht stärker zu!«, blaffte der Kommandant.
Die Soldaten folgten gehorsam seinem Befehl; wieder und
wieder rammten sie die schweren Spitzen in Kopf und Hals des tobenden Tieres.
Schließlich gab der Warg auf. Er blutete stark aus vielen
kleinen Wunden.
Mit einem äußerst bösartigen Knurren zog er sich langsam
und zähnefletschend in den hinteren Teil des Käfigs zurück und beobachtete
seine Peiniger feindselig.
Kommandant Korr entspannte sich und stieß ein
siegessicheres Lachen aus. Dann wandte er sich an Vargan: »Ihr habt recht
behalten, er kann sich nicht verwandeln, wir haben ihn unter Kontrolle.«
Erzmagier Vargan nickte und schluckte zweimal, während er
den immer noch grollenden riesigen Warg betrachtete. »Besser ihr teilt
Speerwachen rund um die Uhr ein, nicht dass er noch einmal auf die Idee kommt,
das Tor einreißen zu wollen.«
Der Kommandant strafte ihn mit einem scharfen Blick. »Es
ist alles unter Kontrolle, Ihr könnt Euch beruhigen.«
»Ihr habt recht, ich werde sofort nach Duramatar aufbrechen
und Bericht erstatten, dass die Mission erfolgreich war.« Mit diesen Worten
machte sich der Erzmagier auf in Richtung des Reittierverschlags und man konnte
ihm ansehen, dass er froh war, sich von diesem Ort zu entfernen.
***
Bauer
Balutis stand vor Derzknats Laden. Er ähnelte eher einem düsteren Verschlag in
der Vorstadt Terrosilias als einem wirklichen Geschäft. Aber Derzknat hatte
etwas zu verkaufen, von dem die Obrigkeit nichts wissen sollte, also war
Balutis hier seiner Meinung nach richtig.
Derzknat
war ein Halbork, der es in der Schattengesellschaft Terrosilias recht weit nach
oben geschafft hatte. Er kaufte und verkaufte alles – gerade die Dinge, die man
sonst nirgendwo bekam oder loswurde. Trotz der kühlen Temperaturen stand
Balutis das Wasser auf der Stirn. Er war den Umgang mit solchen Leuten nicht
gewohnt und recht nervös. Mit zittriger Hand nahm er ein Stofftaschentuch aus
seiner groben Leinenjacke und wischte sich den Schweiß weg. Wenn er Glück
hatte, konnte er ein oder sogar zwei Kühe für seinen Hof herausschlagen.
Eine
vermummte Gestalt öffnete die Tür des Verschlags, trat hinaus, sah sich
verstohlen in alle Richtungen um und ging dann forschen Schrittes von dannen.
»Der
Nächste!«, erschallte es von innen. Balutis’ Herz pochte schneller bei diesen
Worten. Er nahm all seinen Mut zusammen und betrat den kaum mehr als mannshohen
Eingang.
Der
Raum war nicht nur niedrig, sondern auch eng. Es roch nach Schimmel. Das Licht
war schummrig, es ging nur von einer Talglampe hinter dem Holzverschlag aus.
Ein Vorraum für Besucher war von der Theke abgegrenzt.
Hier
stand niemand. Balutis hörte aus dem Hinterzimmer ein Scheppern, dann lautes
Fluchen, bei dem er zusammenzuckte.
Schließlich
kam Derzknat nach vorne. Er war sichtlich übel gelaunt.
»Was
willst du, Bauer?«, herrschte er Balutis an.
Balutis
schluckte und entgegnete kleinlaut: »Ich habe etwas, was Euch interessieren
könnte.«
»Das
werde ich entscheiden!«, entgegnete der Händler barsch.
Balutis
kramte das Päckchen aus seinem Rucksack hervor, den er zu diesem Zweck vom
Rücken nahm. Und ein Schauer lief ihm eisig die Wirbelsäule hinunter, als er
merkte, mit welchem Blick der Halbork ihn musterte.
Er
reichte das Päckchen Derzknat, der die Lumpen abwickelte, die den Inhalt
verbargen. Zum Vorschein kam ein kristallener menschlicher Totenschädel, der
über und über mit Runen verziert war. Ein aufmerksamer ruhiger Beobachter hätte
das Aufblitzen in Derzknats Augen bemerkt, Balutis hingegen war so nervös, dass
er nur auf seine Füße starrte.
Unwirsch
bellte der Halbork den Bauern an: »Was soll ich mit diesem Mist?« Balutis
blickte zaghaft auf und stammelte: »Aber seht nur, die reichen Verzierungen,
das edle Material ...«
»Unsinn,
das ist Schrott!«, unterbrach ihn der Händler.
Unglücklich
senkte der Bauer erneut den Blick und fragte kleinlaut: »Könnt Ihr mir wirklich
nichts dafür geben? Meine Kuh ist alt und wird bald sterben, aber wir brauchen
die Milch für die Kinder.«
Derzknat
funkelte ihn mit einem Blick an, den Balutis nicht zu deuten wusste. Ein Moment
des Schweigens herrschte und der Bauer trat in seinem Unwohlsein von einem Fuß
auf den anderen.
»Wo
hast du ihn her?«, fragte der Halbork schließlich.
»Seit
der Missernte im letzten Sommer angele ich oft mit meinem Enkel, um mal etwas
anderes als Kohl auf den Teller zu bekommen, da hab ich ihn durch Zufall
herausgezogen.«
Da
lächelte Derzknat auf einmal freundlich. »Nun gut, ich will mal nicht so sein;
wenn ich den Schädel einschmelze, kann ich sicher das Material verkaufen. Ich
gebe dir zwölf Silberlinge dafür, das dürfte für eine neue Kuh reichen, habe
ich recht?«
Balutis
blickte überrascht auf. »Das … das ist wirklich sehr großzügig, vielen, vielen
Dank!«
»Ach,«
grinste Derzknat. »Man muss auch mal ein gutes Werk tun und die Armen
unterstützen.« Er öffnete eine Schublade unter der Theke und holte zwölf
Silberlinge heraus. »Aber dieses Zusatzgeschäft bleibt unter uns, nicht wahr?
Ich will nicht meinen Ruf riskieren, hinterher denkt hier jeder, er kann mit
allem möglichen Plunder ankommen ... «
Balutis
nickte eifrig und lächelte glücklich. »Natürlich, Ihr habt mein Wort, ich werde
es niemandem gegenüber erwähnen!«
»Gut.«
Derzknat nickte und schob mit diesem Ausspruch die zwölf Silberlinge über den
Tresen.
Der
Bauer steckte sie ein und ging frohen Mutes zur Tür. »Ich danke Euch nochmals!
Seid gesegnet für Eure Großzügigkeit! Ich werde Euch weiterempfehlen!«
Derzknat
lächelte gütig und winkte ab. »Ach, einem ehrlichen Bauern zu helfen ist eine
gute Tat, die Götter werden mich entlohnen, irgendwann ... «
Balutis
öffnete die Tür und ging hinaus. Kaum war er weg, schnappte sich Derzknat den
Schädel vom Tresen und betrachtete ihn genauer. Eine Weile später klappte er
die Theke hoch, ging zur Tür und spähte hinaus, ob der Bauer weg war. Dann
ballte er die Faust.
»JA!«,
sagte er laut in jubelndem Ton zu sich selbst, »Das muss er sein! Ich werde
reich, reich, reich!« Er lachte schallend und die nackte Gier leuchtete aus
seinen Augen.
***
Grimlok,
Kaiser im Menschenreich Insugnia, saß vor Großhändler Edwans ausladendem
Schreibtisch.
»Schön,
dass Ihr es einrichten konntet, Zeit für ein vertrauliches Gespräch zu finden.
Es gibt wichtige Dinge zu besprechen.«
»Da
bin ich aber sehr gespannt«, entgegnete der Kaiser.
»Seht
Ihr das hier, Eure Majestät?« Edwan zeigte auf eine Botschaft, die mit einem
der Kriegsfalken der Hitarii bei ihm angekommen war. »Was meint Ihr wohl, was
Kjulan Schwarzklinge darin schreibt?«, fügte er mit einem hämischen Grinsen
hinzu.
»Ich
habe keine Ahnung«, entgegnete Grimlok stoisch, ja fast schon gelangweilt.
»Aber Ihr werdet es mir sicher gleich erzählen.«
Edwan
nickte und betätigte die Klingel, mit der er seine Diener immer rief.
Hinter
Grimlok öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers und zwei bullige Gestalten
traten ein.
Er
sah sich kurz um und Verärgerung huschte über sein Gesicht. »Was soll das? Ihr
wagt es mir zu drohen, dem Kaiser?«
Edwan
lachte hell auf. »Nicht dem Kaiser, dem ehemaligen Kaiser, dies ...«,
und er deutete auf die Nachricht, »... ist der Befehl Euch rituell hinzurichten
und durch einen der Unsrigen zu ersetzen, sodass wir, die Hitarii, von nun an
das Sagen im Kaiserreich haben.«
Grimlok
wollte bei diesen Worten aufspringen und sein Schwert ziehen. Doch kräftige
Hände drückten ihn von hinten auf den Sitz nieder, bis kurz darauf ein
Totschläger auf seinen Kopf niederfuhr und ihn in die Schwärze der
Bewusstlosigkeit beförderte.
Die
kräftigen Wachmänner packten den Kaiser, nahmen ihm seine Waffen ab und
fesselten ihn mit einem Seil. Sodann öffnete Edwan mit einem rituellen
schwarzmagischen Gesang die Geheimtür in seinem Büro und sie schleiften ihn in
die tiefen Gänge der Katakomben.
Nach
langem Abstieg kamen sie in den Raum, in dem der entweihte Sarkophag mit dem
Bildnis Pergonias stand: die Ritualstätte der Hitarii in Terrosilia, an der sie
ihr schreckliches Handwerk vollzogen.
Es
waren etwa zwei Dutzend schwarz vermummte Gestalten anwesend. Keiner der
Hitarii wollte diesen Moment verpassen. Grimlok wurde auf den Sarkophag gelegt
und dort zusätzlich zu den Fesseln angekettet; er war noch immer bewusstlos.
Edwan
von Harkingen streifte sich sein Priestergewand über und begann mit dem
rituellen Entzünden der Mixtur, die er für das Zeremoniell benutzte. Die
anderen verfielen in den dunklen Singsang ihres Chaosglaubens.
»Weckt
ihn auf!«, befahl Edwan schließlich. »Er soll bei Bewusstsein sein, wenn er
vergeht. Er soll alles mitbekommen.«
Einer
seiner Diener nahm einen bereitstehenden Eimer mit kaltem Wasser und schüttete
ihn mitten in Grimloks Gesicht. Der Kaiser prustete
und musste sich kurz orientieren. Dann, als er sah, in welcher Situation er
sich befand, begann er zu lachen, immer lauter, immer durchdringender, sodass
es selbst die Hitarii gruselte. Mit erhobenen Armen bot sich Edwan verärgert
Ruhe aus und wandte sich anschließend an Grimlok: »Was ist so lustig kurz vor
deinem Tod, Eure Kaiserlichkeit?«, zischte er.
Grimlok
gluckste noch immer, er schien sich prächtig zu amüsieren.
»Was?«,
schrie Edwan ihn an und kam mit bedrohlicher Miene näher.
»Dass
Ihr so dumm und so blind seid«, entfuhr es dem Kaiser und er lachte erneut laut
auf.
»Er
hat den Verstand verloren«, meinte eine der vermummten Gestalten.
Grimlok
wurde mit einem Schlag ernst. »Habe ich das? Ich glaube nicht.« Und dann rief
er: »Willuster, Zugriff!«
Plötzlich
strömten aus den vielen Gängen, die zu dem unterirdischen Saal führten, schwer
bewaffnete kaiserliche Soldaten, angeführt von Willuster Flux, der rechten Hand
Grimloks. Sie preschten vor und umringten die Hitarii.
»Keiner
bewegt sich!«, drohte Willuster mit eisiger Stimme und deutete auf eine Empore
seitlich des Sarkophags, auf der ungefähr zwei Dutzend Armbrustschützen mit den
Bolzen im Anschlag die Feinde des Kaisers im Visier hatten.
Edwan
von Harkingen entgleisten die Gesichtszüge. »Aber wie ... wie konntet Ihr das
wissen?«
Willuster
lächelte herablassend. »Ihr denkt doch nicht ernsthaft, wir lassen die Mörder
unseres verehrten Kaisers unbeaufsichtigt, damit sie dann auch noch den neuen
geschätzten Herren, unseren Kaiser, töten. Wir haben Eure Nachrichten
abgefangen und gelesen. Dieser Verrat kommt uns nun sehr gelegen. Das Volk wird
den Kaiser für die Aufdeckung Eurer Schandtaten lieben.« Er gab seinen Soldaten
einen Wink. »Macht den Kaiser los und nehmt denen ihre Kutten und den Schmuck
ab. Wollen wir doch mal sehen, wer wirklich hinter den Masken steckt. Dann
werft ihr sie ins kaiserliche Verlies, dort dürfen sie auf ihre Hinrichtung
warten.«
»Jawohl,
Kommandant!«, kam es von den Hauptleuten zurück, die den Befehl sofort
ausführten. Einem Spießgesellen nach dem anderen wurden die tiefsitzenden
Kapuzen von den Gesichtern gezogen und als man den Schergen die Ringe abnahm,
kamen Hitarii unter dem Erscheinungsbild ehrbarer Bürger zum Vorschein.
***
Vita: Jan Viebahn, der Autor hinter Yrangir, ist Fantasy- und Science-Fiction-Fan. Er steht auf Heavy Metal genau so wie auf Blues. Sein erstes Buch gab er 2012 heraus. Es trägt den Titel "Schwarzes Licht" und ist das erste seiner Yrangir-Bände. 2014 folgte "Erkar Bodin", Yrangir Band 2. 2018 konnte (endlich ;)) "Das Vermächtnis des Okrip", der dritte und letzte Band der Yrangir-Trilogie seinen Weg in die Öffentlichkeit finden ;). Mehr zum Autor auf seiner Website: www.yrangir.de
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