Klappentext:
Diktator Bodo Kaiser hat durch einen Militärputsch die Macht
an sich gerissen und verfolgt nur ein Ziel: Ultimative Kontrolle über ein
ausländerfreies Deutschland. Er zwingt die Ausländer in Ghettos und überwacht
das Volk mit implantierten GPS-Chips. In dieser unwirtlichen Zeit verliebt sich
Mark in Leyla, die mit ihrer Familie aus Syrien geflohen ist, in der Hoffnung,
in Deutschland eine neue Heimat zu finden. Nicht nur die Pläne des
rechtsgerichteten Kanzlers bedrohen die junge Liebe, auch Ali, Leylas Freund
aus Kindertagen, treibt immer wieder einen Keil zwischen die beiden. Es kommt
der Tag, an dem Leyla eine Entscheidung treffen muss. Wählt sie die Liebe in
Gefangenschaft oder die bloße Hoffnung auf Freiheit?
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Leseprobe Kapitel 4
»Die Jungs haben
ganz schön dumm geglotzt, als sie uns gesehen haben.« Flo kicherte leise und
Leyla stimmte ein. »Und erst die Gesichter, als Isaak ihnen eröffnet hat, dass
wir ab jetzt Teil des Teams sind.« Die Mädchen sahen sich an, zogen eine
Grimasse und prusteten los.
»Ohne uns sind die
aufgeschmissen«, behauptete Flo kühn, »dieser Mark hat keine zwei Schritte in
Folge hinbekommen. Der sah aus, als hätte er die Choreo heute zum ersten Mal
gesehen, dabei trainieren die das schon seit Wochen.«
»Na ja, so schlecht,
war er nun auch wieder nicht«, erwiderte Leyla, selbst überrascht, dass sie
Marks Partei ergriff. Argwöhnisch blinzelte Flo sie an.
»Findest du den etwa
cool?« Flo hakte sich bei Leyla ein und stieß sie mit der Schulter an. Leyla
schüttelte den Kopf. »Quatsch! Was du gleich wieder denkst. Ich finde ihn ...«,
Leyla strich sich mit der Hand eine Haarsträhne hinter das Ohr und überlegte.
»Ich find ihn nett.«
»Nett ist die kleine
Schwester von Scheiße.« Leyla rempelte Flo leicht an, welche stolpernd
weiterschnatterte. »Ich weiß echt nicht, was du an dem findest. Der ist doch
ein totaler Langweiler. So angepasst und weichgespült. Als würde es was bringen,
wenn sich alle einmal brav die Hände schütteln.«
»Wäre es dir lieber
gewesen, die hätten sich gekloppt?«
»Nee, natürlich
nicht. Vor allem, weil du dich unbedingt noch mit Ali anlegen musstest. Der Typ
hat sie nicht alle. Das ist dir doch klar, oder?«
»Ali ist okay, wenn
man weiß, wie man mit ihm umgehen muss«, brummelte Leyla.
»Das haben wir heute
gesehen!«, schimpfte Flo, »weißt du eigentlich, wie viel Glück du hattest? Wenn
der Weichspüler nicht dazwischen gegangen wäre ...« Flo beendete den Satz nicht,
sondern seufzte auf. »Warum habe ich ständig das Gefühl, auf dich aufpassen zu
müssen?«
»Wie kommst du denn
darauf? Kann ich gut alleine!« Leyla war wütend. Flo war ihre beste Freundin,
aber es gab Augenblicke, da mutierte sie zur Mutti. So wie jetzt. Leyla löste
sich von Flo und zog sich die Kapuze ihres Parkas tief ins Gesicht.
»Jetzt sei nicht
so!«, bat Flo, die instinktiv begriffen hatte, dass sie die magische Grenze
überschritten hatte. Niemand durfte Leyla sagen, was sie zu tun oder zu lassen
hatte. Auch sie nicht. Natürlich wusste Flo, dass Leyla es hasste, bemuttert zu
werden. Es gab da diese unsichtbare Mauer zwischen ihnen, die sie nicht
überwinden konnte, so sehr sie es auch versuchte.
Flo und Leyla
kannten sich nun schon mehrere Jahre. Leyla war mit ihren Eltern dem
Flüchtlingsstrom gefolgt und hatte Europa kurz vor der Schließung der Grenzen
erreicht. Ihre Familie schlug sich bis Deutschland durch und endete, wie so
viele vor ihnen, im Ghetto. Flo bemerkte sie zum ersten Mal im Supermarkt, wo
sie verzweifelt versuchte, sich zwischen den Regalen zu orientieren. Sie hielt
eine dieser Wertmarken in der Hand, mit denen die Flüchtlinge Lebensmittel
erwerben konnten. Flo hatte sie damals angesprochen und ihr mit Gesten zu
verstehen gegeben, dass sie ihr helfen wollte. Leyla hatte vorsichtig, fast
abweisend reagiert, doch Flo hatte sich nicht beirren lassen. Als sie wenige
Wochen später in der Schule auftauchte, wo sie in einer Flüchtlingsklasse
Deutsch lernte, freundete Flo sich mit Leyla an, auch wenn Leyla sich anfangs
sträubte.
Inzwischen hatten
die beiden Mädchen das Haus erreicht, in dem Flo wohnte. Der alte Plattenbau
aus den Siebzigern machte einen verwahrlosten Eindruck. Die Wände waren mit
Graffiti beschmiert und das Glas der Eingangstür war vor langer Zeit durch
Pappe ersetzt worden.
»Ich werde dann
mal«, murmelte Flo und wandte sich zum Gehen.
Leyla hielt sie am
Arm fest. »Es tut mir leid, Flo«, flüsterte sie, »du weißt, ich kann das nicht
haben ...«
Flo hob die
Schultern und seufzte. Kurz sah sie Leyla an, die jedoch kein weiteres Wort von
sich gab. Niedergeschlagen drehte Flo sich um und ging zum Haus.
»Morgen, wie
immer?«, rief Leyla ihr hinterher. Flo hob die Hand, statt einer Antwort und
schloss die Tür hinter sich. Leyla verharrte einen Moment und setzte sich dann
wieder in Bewegung. Mit zügigen Schritten folgte sie der Straße, während sich
ihre Gedanken eigene Wege bahnten. Sie dachte an Mark, der eingeschritten war,
bevor Ali ihr etwas antun konnte. Sie wusste, dass sie unüberlegt gehandelt
hatte, auch wenn sie das vor Flo nicht zugeben wollte.
Mit Ali Hemidi legte
man sich einfach nicht an. Sein Bruder Erkan war der ungekrönte König des
Ghettos und der zweifelhafte Ruhm des großen Bruders färbte auf Ali ab. Niemand
wusste, welche Konsequenzen ein Streit mit den Hemidi-Brüdern haben konnte,
aber die Gerüchteküche brodelte. Wann immer es Ärger im Ghetto gab, waren die
Hemidi-Brüder nicht weit. Erkan hielt hier im Viertel die Fäden in der Hand.
Egal, ob es um legale oder illegale Geschäfte ging. Er war stets beteiligt und
verdiente mit. Niemand würde es wagen, sich ihm zu widersetzen. Wenn Erkan dein
letztes Hemd haben wollte, war es besser, nackt zu laufen, als sich gegen ihn
aufzulehnen. Leyla kannte Ali und Erkan besser, als es ihr lieb war, und tat
normalerweise ihr Bestes, den Brüdern aus dem Weg zu gehen.
Immer noch in
Gedanken versunken, bog sie in ihre Straße ein und wäre fast mit Ali
zusammengeprallt, der in einem Türbogen gewartet hatte und sich ihr in den Weg
stellte.
»Was sollte das
heute, Leyla«, ranzte er sie an.
Leyla hob das Kinn
und sah ihn mit festem Blick an. »Ich weiß nicht, was du meinst«
Ali straffte sich in
einem verzweifelten Versuch, größer zu erscheinen. Leyla hatte den Wunsch einen
Schritt zurückzutreten, wusste aber, dass er dies als Niederlage ihrerseits
werten würde.
»Du solltest besser
auf dich aufpassen!«, zischte er, »ich werde mir von einer Schlampe in der
Öffentlichkeit nicht dumm kommen lassen!«
»Ach so? Deshalb
hast du mir also Prügel angeboten?« Spöttisch hob Leyla eine Augenbraue.
»Würde ich jederzeit
wieder machen, wenn du mir keinen Respekt zeigst«, entgegnete Ali wütend. »Du
bist definitiv zu weit gegangen.«
»Respekt?«, höhnte
Leyla, »den musst du dir erstmal verdienen!«
»Sei froh, dass ich
auf dich aufpasse. So, wie du dich benimmst, könnte man dich für eine deutsche
Schlampe halten. Liegt wohl am schlechten Umgang!«
»Ausgerechnet du
faselst von schlechtem Umgang?«, schnaubte Leyla verächtlich, »der liegt bei
euch doch in der Familie!«
»Pass auf, was du
sagst!«, drohte Ali, der jetzt Mühe zu haben schien, sich zu beherrschen. Leyla
wusste, dass sie am Rande des Vulkans tanzte und doch konnte sie nicht zurück.
»Was glaubst du
eigentlich, wer du bist?«, blaffte Leyla wütend, »wenn ich den richtigen Leuten
erzähle, was Erkan getan hat, dann ist Sense!«
»Nichts wirst du!«
Ali packte Leyla am Kragen, »du weißt gar nicht, was damals passiert ist. Du
hast kein Recht, Erkan zu verurteilen!«
»Sag das meiner
Familie. Sag meiner Mutter, dass es nicht Erkans Schuld ist, dass Mehmet jetzt
tot ist!« Leyla riss sich los, machte einen Bogen und lief los. Ali folgte ihr.
»Du hast keine Beweise! Niemand weiß, wie das abgelaufen ist, es war keiner von
uns dabei. Soll ich meinen eigenen Bruder verdächtigen? Würdest du das an
meiner Stelle?«
Leyla drehte sich zu
ihm um und starrte ihn wutentbrannt an. »Ich würde wissen wollen, was damals
wirklich passiert ist. Schließlich war Mehmet nicht der Einzige, der ums Leben
kam. An den Händen deines Bruders klebt Blut!«
Ali sah sie mit
großen Augen an. Er setzte an, um etwas zu erwidern, überlegte es sich aber
anders und zuckte nur mit den Schultern. Er steckte die Hände, die immer noch
zu Fäusten geballt waren in die Jackentaschen, und fixierte sie mit kaltem
Blick. Leyla schnaubte, drehte sich um und lief los. Die Auseinandersetzung mit
Ali hatte ihr die letzte Kraft geraubt, doch sie zwang sich, mit geradem Rücken
und festen Schritten, das Sichtfeld von Ali zu verlassen, obwohl sie am
liebsten mit hängenden Schultern nach Hause geschlurft wäre.
Ali sah ihr nach und
schüttelte den Kopf. Obwohl die vergangenen Ereignisse eine tiefe Schlucht
zwischen ihre beiden Familien geschlagen hatte, mochte er sie. Sie waren
zusammen in dem kleinen Ort in Syrien aufgewachsen, hatten in derselben Straße
gelebt, bis der Krieg das Land und das Leben ihrer beiden Familien zerstörte.
Ali zog die
Schultern hoch. Erst jetzt bemerkte er die Kälte, die durch seine dünne Jacke
zog und ihn frösteln ließ. Als Leyla an der nächsten Straßenecke verschwand, drehte er sich um und ging durch
die dunkle Straße zur Wohnung seines Bruders.
Vita:
Dörte Kunz begann als fiktiver Charakter mit kleinen
Geschichten vom Hinterhof. Natürlich hat sie wie jede Protagonistin ein reales
Vorbild. Dörte lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in der Nähe von
Berlin in einem beschaulichen Vorort. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie als
Plappermaul und die Schreiberei bietet eine schöne Abwechslung zu ihrem
manchmal turbulenten Alltag.
„Kaiserland: Total Control“ ist der erste Jugendroman von
Dörte Kunz, die bisher nur Frauenromane geschrieben hat. Die Idee dazu hatte
ihr ältester Sohn, der, wie der Protagonist Mark, auch fünfzehn Jahre alt ist.
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