Sein treuer
Gefährte Sanar scheint mehr über seine Veränderungen zu wissen, als er zunächst
preisgibt.
Lesealter: (ab 12)
Leseprobe:
Kelo führte Sanar und Gerrit durch die Gassen. »Ich werde mich
bemühen, Euren Wünschen nachzukommen.« Er neigte leicht sein Haupt in Gerrits
Richtung, sein schulterlanges blondes Haar glänzte dabei im Mondlicht.
»Danke, Kelo!«
»Bitte hier entlang.« Kelo wies nach links. »Unten am Hafen gibt es
ein Gasthaus mit dem besten Wein.«
Gerrit dachte an die erste Begegnung mit Gagat. »Mein letzter Besuch
in einem …«
»Wann wollt Ihr in einem Gasthaus gewesen sein?« Sanar zog seine
Stirn in Falten.
»Dann wird es aber Zeit«, sagte Kelo.
Gerrit beschloss, diese Angelegenheit für sich zu behalten. »Führt
uns dorthin, Kelo.«
Kelo nickte, auch sein blonder Bart, der am Ende spitz zulief,
schimmerte ab und zu im Fackelschein. Die meisten Gassen waren nur dürftig
beleuchtet, denn nicht an jeder Hausecke brannte ein Licht. Die Wegführung kam
Gerrit ziemlich verwirrend vor. Nachdem sie zwei Mal links abgebogen waren,
meinte er, im Kreis zu gehen, doch letztlich erreichten sie den Hafen.
Allerdings befanden sie sich etwas weiter flussaufwärts als dort, wo sie am
Morgen angelegt hatten. Gerrit zweifelte, ob er den Weg ohne Kelo zum Haus der
Argusaner finden würde. Hier am Hafen erhellten Fackeln alle Hausecken, sogar
zu beiden Seiten einer Holztür brannten zwei Feuerschalen, auf einem eisernen
Gestell, welches aus der Wand herausragte. Kelo ging auf jene Tür zu. »Tretet
ein!« Er hielt Gerrit die Tür auf. Die Räumlichkeit erinnerte Gerrit
augenblicklich an das Gasthaus bei Endanas Burg, nur dieses war viel
geräumiger. Ungefähr zwanzig Tische boten den zahlreichen Gästen Platz. Einige
spielten Karten, andere erzählten und lachten. Keiner nahm von den Dreien
Notiz. In einer schummrigen Ecke führte Kelo Gerrit und Sanar zu einem Tisch.
»Setzt Euch, ich bin sogleich zurück.«
Obwohl Kelo groß und kräftig war, wirkte er in diesem Gasthaus ein
wenig verloren, als er auf den schmalen Schanktisch zuging, wo er gegen ein
paar Goldstücke einen Krug und Becher erhielt.
Gerrit setzte sich. Ein unerklärliches Gefühl von Vertrautheit
überkam ihn. Er begann, nach einem bekannten Gesicht zu suchen, welches für
diese Empfindung verantwortlich sein könnte. Er schalt sich innerlich. Er war
noch nie in Selarun gewesen, hier konnte er niemand kennen.
»Herr!« Sanar beugte sich zu ihm. »Stimmt etwas nicht?«
»Doch, doch, Sanar.« Es musste einen Grund für seinen Eindruck geben.
Sanar sprach auffallend leise. »Die Argusaner legen Wert darauf,
nicht aufzufallen. Ihr solltet versuchen, es ihnen gleichzutun.«
Kelo stellte die Becher auf den Tisch und goss roten Wein ein. Er
nahm Platz und hob seinen Becher an. »Willkommen in Selarun!«
»Danke, Kelo.« Abermals sah sich Gerrit in der Menge der Gäste um,
denn dieses vertraute Gefühl ließ ihn nicht los. Sanar stieß mit dem Fuß gegen
Gerrits Schienbein. »Ihr strahlt Unruhe aus, Herr.«
»Verzeiht, Sanar.« Um sich abzulenken, suchte er das Gespräch mit
Kelo. »Sagt, wie viele gibt es von Euch?«
Kelo lächelte. »Das vermag ich nicht zu sagen. Es sind Einige.«
Gerrit knetete seinen rechten Handrücken. »Dann leben außerhalb von
diesem Haus noch mehr Argusaner?«
Sanar und Kelo grinsten sich gegenseitig an. »Herr!« Sanar
antwortete, »es sind einige Hunderte.«
»Einige Hunderte?«, wiederholte Gerrit verblüfft.
Plötzlich wurde die Tür des Gasthauses heftig aufgestoßen und fünf
Krieger stürmten herein. Einen Tisch weiter schreckte eine große, kräftige
Gestalt mit schwarzen langen Haaren und Vollbart hoch. Die hellbraunen Augen
und die gerade, schmale Nase kamen Gerrit vertraut vor. Eine handgroße
Verletzung zog sich vom rechten Wangenknochen bis zur rechten Schläfe hin. Das
Auge war leicht geschwollen. Durch einen Sprung aus dem Fenster flüchtete er,
die Krieger folgten ihm.
Gerrit erhob sich, als wolle er ihnen hinterherstürmen.
Sanar zog ihn energisch auf seinen Stuhl zurück. »Ihr seid zu
auffällig!«
»Das waren Krieger des Konsiliums.« Kelos Augen wirkten erschrocken.
»Wenn diese Männer jemanden verfolgen, dann hat diese Gestalt etwas Unrechtes
getan und wird dafür bestraft. Die Argusaner werden vom Konsilium unterstützt.«
»Sanar! Dieser Mann – ich kenne ihn.« Das vertraute Gefühl war mit
ihm verschwunden.
»Wir dürfen nicht eingreifen.« Kelo goss Wein nach. »Das Konsilium
wird bestimmen, wie dieser Mann verurteilt wird.«
Gerrit wollte es einfach nicht einfallen, wer dieser Unbekannte war.
»Wohin bringen sie ihn?«
»Auf der anderen Seite des Flusses steht eine Burg, dort werden
wichtigen Entscheidungen getroffen. Auch ein großes Verlies für die Verbrecher
befindet sich darin.« Kelo nahm einen Schluck Rotwein.
Gerrit sah nur noch dieses Gesicht vor sich, unentwegt fragte er
sich, warum er diesen Anblick nicht aus seinem Kopf bekam. Er trank seinen Wein
aus. Wahrscheinlich hatte dieser Mann einmal anders ausgesehen, deshalb
erkannte ihn Gerrit nicht. In seinen Gedanken kürzte er die Haare, den Bart.
Ein Ruck durchfuhr ihn. Blitzartig schoss er in die Höhe und sprang durch das
Fenster hinaus.
»Wartet, Herr!« Sanar hechtete ihm hinterher.
Gerrit blickte zuerst die Seitengasse hinauf, dann hinunter. Er sah
gerade noch einen der Krieger, bevor dieser nach rechts abbog.
Sanar packte ihn am Arm. »Wir dürfen uns nicht einmischen, Herr.«
Sein Gefährte würde es verstehen, wenn er ihm alles erklärte, dafür
blieb aber jetzt keine Zeit. Gerrit eilte die Gasse entlang, spähte vorsichtig
um die Ecke. Die fünf Krieger hatten den Mann bereits gefasst und ihm die Hände
auf dem Rücken zusammengebunden. Gerrit lief ihnen nach, ohne wirklich zu
wissen, was er unternehmen konnte. Es lag ihm fern, sich Ärger mit den
Argusanern aufzuhalsen. Er folgte den Kriegern in einer überschaubaren Distanz,
zwängte sich dabei dicht an die Hauswände, um nicht aufzufallen. Sanar bemühte
sich, ihm auf den Fersen zu bleiben. An einem großen Gebäude hielten die
Krieger an und verschwanden mit ihrem Gefangenen darin. Gerrit überlegte, ob er
ihn auf der Stelle befreien oder zunächst abwarten sollte.
»Was habt Ihr nur vor?«, schnaufte Sanar, endlich bei Gerrit
angekommen.
Gerrit zuckte mit den Schultern. Auf eine derartige Situation war er
nicht vorbereitet. Während er fieberhaft nachdachte, sah er zwei Krieger das
Haus mit dem Verhafteten verlassen. Mit einem Sack über dem Kopf, mit einem
Seil an seinem Hals zugeschnürt, führten sie ihn ab.
»Welch ein bedrückender Anblick«, flüsterte Gerrit Sanar zu.
»Herr! Das ist ein Delinquent.«
»Ich hege da meine Zweifel.«
Erfolglos versuchte Sanar, Gerrit festzuhalten. Dieser eilte den
Kriegern den unübersichtlichen Weg bis zum Flussufer nach. Als sie ihren
Gefangenen derb in ein Boot stießen und er mit seinen gefesselten Händen ins
Stolpern geriet, sah Gerrit die Gelegenheit zuzuschlagen. Er trat an das Boot
heran, um mit seiner betörenden Stimme die Krieger zu beeinflussen. »Ich werde
ihn dem Konsilium übergeben. Macht Euch auf die Suche nach dem wahren
Verbrecher.« Er wiederholte seine Worte, um sicherzugehen, dass beide Krieger
seinem Einfluss unterlagen. Wortlos gaben sie den Gefangenen frei und gingen
die Straße, die sie gekommen waren, zurück.
»Eure Methoden sind auch nicht die edelsten.« Sanar schüttelte den
Kopf. »Ich hoffe, Euch ist bewusst, was das für Ärger bedeuten wird.«
In diesem Moment war Gerrit gern bereit, einiges in Kauf zu nehmen.
Er kletterte in das Boot, zog sein Messer heraus, zerschnitt die Fesseln des
Gefangenen und befreite ihn von dem Sack. Als Gerrit dem Mann in die Augen sah,
wusste er, dass er richtig gehandelt hatte. Vorsichtig untersuchte er die
Verletzung an der rechten Schläfe. »Das sieht nicht gut aus.« An einer Stelle
war der Schorf blutig aufgeplatzt.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Gerettete Gerrit ins
Gesicht. »Was wollt Ihr von mir?«
Gerrit spürte seine Überraschung. »Ich ... ich wollte Euch das
Verlies ersparen.«
»Ich habe keine Goldstücke«, er schüttelte seinen Kopf, »Ich habe
nichts, was ich Euch geben könnte.« Nervös schaute er sich um.
»Warum sollte ich dafür etwas verlangen?«
»Herr«, Sanar ergriff Gerrits Arm, »wir müssen verschwinden.«
»Herr? Beim weißen Mond, wer seid Ihr?« Sein unruhiger Blick
wechselte zwischen Sanar und Gerrit hin und her.
Diese
Frage fühlte sich für Gerrit wie einer gewaltigen Ohrfeige an. Er schluckte
hart. Erkannte sein Lehrer ihn nicht wieder?
Vita:
Angela Planert, Jahrgang 1966, begeisterte sich
bereits in der Schulzeit für das Schreiben. Zunächst erlernte sie einen
medizinischen Beruf, später füllte die wachsende Familie ihren Alltag aus.
Anfänglich zufällige Erfahrungen über den Zusammenhang zwischen dem Mond und
seinen Auswirkungen wurde bald mehr, als nur eine Freizeitbeschäftigung.
Seit 2004 widmet sich Angela Planert intensiv dem Leben als Schriftsteller, wobei sie ihre selenorische Erfahrungen gekonnt mit den Elementen des Fantastischen verbindet. So erstanden in den letzten Jahren zahlreiche Manuskripte.
Von der selenorischen Literatur zum Vampirroman über Thriller bis hin zu Science-Fiction und Kinderbücher bieten die Werke vielfältigen Lesestoff.
Neben gewohnten Lesungen sowie Lesungen mit verteilten Rollen im Schulunterricht gehören auch Workshops an Schulen sowie die Organisation von Schreibwettbewerben zur kreativen Gestaltung.
"Fragwürdige Identität" ist 2015 im Verlag Edition Baerenklau erschienen
Ein Gemeinschaftsprojekt »Gedankenwellen der Freude« mit der bekannten Autorin Janine Musewald wurde vom EalaFrya Literatur Verlag verlegt.
»Weihnachtliches Wunder« ist im THG-Verlag erschienen.
Der Vampirroman »Flügel der Dunkelheit« wurde vom Spielberg-Verlag publiziert.
Vier der selenorischen Romane sowie »Drachenseele« wurden beim Amicus - Verlag veröffentlicht.
Seit 2004 widmet sich Angela Planert intensiv dem Leben als Schriftsteller, wobei sie ihre selenorische Erfahrungen gekonnt mit den Elementen des Fantastischen verbindet. So erstanden in den letzten Jahren zahlreiche Manuskripte.
Von der selenorischen Literatur zum Vampirroman über Thriller bis hin zu Science-Fiction und Kinderbücher bieten die Werke vielfältigen Lesestoff.
Neben gewohnten Lesungen sowie Lesungen mit verteilten Rollen im Schulunterricht gehören auch Workshops an Schulen sowie die Organisation von Schreibwettbewerben zur kreativen Gestaltung.
"Fragwürdige Identität" ist 2015 im Verlag Edition Baerenklau erschienen
Ein Gemeinschaftsprojekt »Gedankenwellen der Freude« mit der bekannten Autorin Janine Musewald wurde vom EalaFrya Literatur Verlag verlegt.
»Weihnachtliches Wunder« ist im THG-Verlag erschienen.
Der Vampirroman »Flügel der Dunkelheit« wurde vom Spielberg-Verlag publiziert.
Vier der selenorischen Romane sowie »Drachenseele« wurden beim Amicus - Verlag veröffentlicht.
Homepage: http://www.angela-planert.de/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.