Sonntag, 15. März 2020

Rowan - Verrat im Ostreich von Aileen O'Grian



Der jugendliche Magier Rowan ist mit seinem Freund Ottgar, dem Thronfolger des Magierreiches, ins Ostreich gezogen. Während Ottgar auf der Burg von König Kustin zum Ritter ausgebildet wird und am Hofleben teilnimmt, sitzt Rowan häufig in der Kammer seines Meisters und studiert in alten Schriften. Die beiden Magier müssen unbedingt ein Heilmittel gegen die Klauenfäule finden.
Noch nie in seinem Leben fühlte Rowan sich so unwohl, da Magier im Ostreich verachtet werden. So werden Rowans Warnungen vor Angriffen der Trolle und Zwerge auch nicht ernst genommen. Selbst als er eine Seuche, die die Bewohner der Königsburg und die Bauern aus der Umgebung heimsucht, erfolgreich bekämpft, steigt sein Ansehen kaum. Auch Ottgar, der unter dem Einfluss der ostianischen Prinzen steht, ist ihm fremd geworden – und sogar die Gefahr eines Aufstandes im Ostreich scheint seinen Freund nicht zu interessieren, bis es fast zu spät ist.

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 Leseprobe

„Es wird Zeit, dass wir zurückkommen. Heute Abend gibt es ein Fest, mit so reichlicher Beute habe ich nicht gerechnet“, rief König Kustin gut gelaunt. Er hatte sein Pferd neben Ottgar und Rowan gelenkt und ließ sich von den Jünglingen die Jagd auf die Wildschweine und die Tötung der Bären schildern.

   „Ihr habt Mut bewiesen“, lobt er leutselig. Dann wandte er sich an Rowan: „Ich hatte es für Übertreibung gehalten, als es hieß, du würdest ein tapferer Ritter werden. Aber du beherrschst den Umgang mit den Waffen besser als mancher erwachsene Krieger.“

„Dabei ist er nicht einmal Knappe!“, sprudelte Ottgar heraus.

„Zu meinem Bedauern benötigt Wudon Rowan. Wir müssen die Klauenseuche stoppen, bevor sie sich über mein gesamtes Reich ausbreitet und eine Hungersnot ausbricht. Es tut mir leid Rowan, ich würde dich gern als Knappen an meinem Hof haben.“

Rowan stimmte zu. „Ich würde gern mit den anderen Jünglingen lernen, aber mir fehlt noch so viel Wissen, bevor ich ein tüchtiger Magier werden kann.“

„Ich weiß.“ Der König nickte ihnen huldvoll zu und schloss sich der nächsten Gruppe an.

Ludah verzögerte den Schritt seines Pferdes, bis die beiden Jungen ihn eingeholt hatten. „Das war bedeutend aufregender, als ich erwartet hatte. Und ihr habt euch gut geschlagen. Rowan, ich werde mit Wudon sprechen, er soll dich wenigstens hin und wieder zu uns schicken, damit wir gemeinsam üben können.“ Dazu grinste er spitzbübisch. „Wir fangen gleich morgen früh an, bisher ist er nicht da und kann somit keine Einwände erheben.“

Rowan verzog sein Gesicht. „Ich muss in den alten Folianten der Burg nach einem Heilmittel suchen.“

„Zwischendurch brauchst du eine Pause, dann gelingt dir das Studieren der Bücher auch viel besser“, meinte Ludah.

„Versteht Ihr etwas von Büchern?“, fragte Ottgar erstaunt.

„Klar, ich lebte ein paar Jahre als Schüler im Kloster. Nachdem mein älterer Bruder gestorben war, holte mich mein Vater heraus und ließ mich erst bei Brodah als Page und später bei Herzog Loruw als Knappe ausbilden. Seitdem ich zum Ritter geschlagen wurde, lebe ich am Königshof.“

„Vermisst Ihr das Kloster?“, fragte Rowan.

„Manchmal. Allerdings liegt mir das Ritterleben mehr.“

Endlich erreichten sie die Burg. Die beiden Jungen führten ihre Pferde und zwei weitere der Ritter in den Stall, sattelten sie ab und versorgten sie mit Wasser und Futter.

Danach wuschen sie sich selbst am Brunnen, bevor sie den Rittersaal betraten. Die Gesellschaft saß schon an der Tafel und Knechte brachten die Speisen.

Rowan wollte sich wie üblich an das untere Ende setzen, doch Ritter Brodah forderte ihn auf, sich bei ihm niederzulassen.

„Du bist Bunduars Enkel, du gehörst zur Königsfamilie und nicht zu den unbedeutenden Leuten.“

Sie nahmen sich von den verschiedenen Speisen. Rowan aß sogar Fleisch, was er sonst meistens vermied. Aber der Tag war anstrengend gewesen und etwas Gemüse hätte ihn nicht gesättigt.

„Angeblich sollst du singen können“, meinte Chirah.

Ludah hörte das und schüttelte den Kopf. Was Rowan zu einem Grinsen verleitete. Eigentlich hätte Chirah inzwischen begreifen müssen, dass die Gerüchte über ihn stimmten. Fragend blickte Rowan den König an und da dieser nickte, begann er mit einigen magianischen Balladen und trug im Anschluss uralte ostianische Lieder vor.

Das Stimmengewirr im Saal legte sich, als sein heller, klarer Tenor den Raum erfüllte. Beifall brandete auf, sobald er endete.

„Du bist ein würdiger Großenkel der berühmten Jambin“, lobte König Kustin.

„Jambin hat die Geister und Elfen mit ihrem Gesang betört“, murmelte Brodah.

Ottgar und Rowan sahen ihn an.

„Kanntet Ihr unsere Urgroßmutter?“, fragte Ottgar.

„Ja, ich habe eine Weile auf Burg Wanroe gelebt. Sie war wunderschön, obwohl sie damals schon sehr alt war. Mit ihrer Stimme hat sie König Mawuar verzaubert, so dass er sie zu seiner Frau nahm.“ Die beiden Jungen fragten ihn aus und er erzählte bereitwillig von seiner Zeit auf Burg Wanroe.

Rowan bekam Heimweh. Würde er Wanroe je wiedersehen? Und seine Mutter und seinen Großvater?

Er ging früher als die anderen in seine Kammer, die er mit ein paar Knechten teilte, und schlief gleich ein. Als er am Morgen aufwachte, waren nur aus der Küche Geräusche zu hören. Die Hofgesellschaft ruhte noch. Rowan erhob sich leise, wusch sich rasch an einer Waschschüssel und schlich in die Studierstube. Dort entzündete er eine Öllampe und schaute sich um. Obwohl die Burg von König Kustin nur als Jagdsitz benutzt wurde, besaß sie eine kleine Bibliothek.

Er nahm das erste Buch heraus und blätterte darin. Es enthielt die Chronik von Eichenfels. Beim Blättern entdeckte er, dass die Burg in früheren Jahrhunderten der Königssitz gewesen war. Er schlug den nächsten Band auf. Hier waren die verschiedenen Geschlechter des Landes aufgeführt, er fand sogar seine Großmutter verzeichnet. Im dritten Folianten waren Lieder niedergeschrieben. Natürlich konnten in jedem dieser Bücher auch Hinweise zu Krankheiten stehen, doch Rowan wollte lieber mit einem Heilbuch anfangen, aber das gab es hier nicht. Darum hatte ihm Wudon wahrscheinlich seinen Folianten zum Studieren mitgegeben.

Vom Burghof ertönten Pferdhufe, die über das Pflaster klapperten. Er stellte das Buch zurück, löschte das Licht und sprang die Treppe hinunter.

Ludah wartete wie verabredet schon auf ihn am Brunnen, um Rowan das Kämpfen zu lehren. „Na du Langschläfer“, zog ihn der Ritter auf.

„Ich habe bereits die Bibliothek der Burg besichtigt. Prinz Jatain gab mir die Erlaubnis, die Studierstube zu benutzen.“

„Obwohl es noch dunkel war?“

Rowan nickte. „Ich habe vorerst auch nur im Lampenschein ein paar Schriften durchgeblättert und mir einen Überblick verschafft.“

„Wirst du hier eine Medizin finden?“

„Ich glaube nicht. Aber so tief bin ich nicht in die Bücher eingedrungen.“

Während des Gesprächs waren sie über den Burghof gelaufen. In der Vorburg übten sich ein paar Knappen im Kampf mit der Lanze.

„Dann wollen wir es ihnen nachmachen“, schlug Ludah vor.

Er gab Rowan Schild und Lanze und sie übten sich im Nahkampf mit der Lanze. Rowan erwies sich als überaus geschickt. Nur an Ausdauer mangelte es ihm.

„Ich bin nicht in Form. In den letzten Monden habe ich fast nur in der Studierstube gesessen“, beklagte er sich.

„Deshalb wird es höchste Zeit, dass wir mit dir üben.“

Später holten sie nach einer kurzen Vesper die Pferde und ritten mit der unter dem Arm eingeklemmten Lanze auf Strohpuppen los. Ludah gab Rowan Tipps und staunte, wie rasch der Jüngling sie umsetzen konnte.

„Ich hätte dich gern als Knappen. Ich habe noch niemanden gesehen, der so schnell lernt. Im Kampf scheinst du schon zu ahnen, was dein Gegner vorhat.“

Rowan verschwieg ihm, dass er das tatsächlich wusste. Nicht immer, aber häufig. Die meisten Menschen verrieten ihre Absicht mit ihren Augen. Außerdem gewahrte er es in seinem Inneren.

Gegen Mittag meinte Chirah: „Wir müssten die jungen Pferde bewegen. Wollte ihr mitkommen?“

Ludah schaute Rowan an und der nickte. Gemeinsam mit den übrigen Knappen und einigen Rittern sattelten sie die Pferde und führten sie aus der Burg hinaus.

„Nimm den Braunen“, meinte Chirah und reichte Rowan die Zügel eines lebhaften Hengstes. Rowan spürte gleich den Widerstand des Tieres. Es legte die Ohren an und tänzelte. Er sah aus den Augenwinkeln die Blicke, die sich ein paar der Knappen zuwarfen.

„Gib ihn lieber mir“, meinte Ludah leise. Doch Rowan schüttelte kaum sichtbar den Kopf. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Braunen und versuchte ihn mit seinen Gedanken zu erreichen. Das Tier hatte Angst. Die Burg, der Stall, die vielen Pferde und Männer beunruhigten es.

Rowan summte sanft ein Reiterlied. Der Hengst drehte die Ohren zu ihm. Sobald er die Aufmerksamkeit des Tieres erregt hatte, vermittelte er ihm gedanklich, dass es keine Angst haben musste. Es dauerte eine Weile, zuletzt stand es regungslos und vollkommen entspannt da. Rowan ließ die Zügel los, wendete sich ab und ging weg. Das Pferd folgte ihm. Schließlich blieb Rowan stehen, tätschelte es und stieg in den Sattel.

Die Männer murmelten erstaunt, so etwas hatten sie noch nicht gesehen. Der Hengst blieb weiterhin ruhig. Rowan konnte ihn problemlos mit seinen Schenkeln lenken.

Ottgar hatte mit seinem Wallach größere Probleme, doch auch er bekam das Tier in den Griff, allerdings scheute er ab und zu oder keilte aus.

„Ihr seid gute Reiter“, lobte Ludah.

„Wie machst du das, dass dir so ein lebhaftes Tier arglos folgt?“, fragte er Rowan schließlich, nachdem sie nach einem langen Ausritt wieder zurückkamen. Selbst das Klappern im Hof und der Ochsenkarren, der ihnen entgegenkam, ertrug der Braune.

„Ich spreche mit ihnen“, erklärte Rowan.

„Mit deinen Liedern?“

„Auch, aber mehr in Gedanken und vor allem mit der Körperhaltung. Pferde verständigen sich damit. Ich habe ihm gezeigt, dass ich sein Anführer bin und er keine Angst haben muss.“

„Kannst du es mir beibringen?“, fragte Ludah.

„Es gehört beharrliche Beobachtung dazu, um die Pferde zu verstehen und sich ihnen mitzuteilen.“

Da Ludah bereit war, ihn im Umgang mit den Waffen, vor allem der Lanze, zu schulen, erklärte Rowan ihm ein paar Verhaltensweisen der Pferde. Sogleich probierte es der junge Ritter an einer lebhaften Stute, die sehr scheu und noch nicht zugeritten war, aus.

Er besaß Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen. Rowan hoffe, genug Zeit zu finden, um von Ludah zu lernen und ihn seinerseits zu unterrichten.


 Aileen O'Grian Was wäre wenn? - Fantasy als Spiel mit den Möglichkeiten
Seit Jahren schreibe ich aus Spaß am Phantasieren Märchen, Fantasy und
Science-Fiction und habe diverse Kurzgeschichten in Anthologien und
Literaturzeitschriften veröffentlicht.
Den Magier Rowan mag ich so gern, dass ich mir vorgenommen habe, eine
Romanreihe zu schreiben.
Leseproben von mir gibt es auf meinem Blog: http://aileenogrian.overblog.com/

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