Das Magierreich wird von einer unheimlichen Macht bedroht, Echsenkrieger
und Drachen besetzen das Land. Deshalb soll der junge Magier Rowan
seine Freunde Ottgar, Thronfolger des Magierreichs, und Mardok, Enkel
des königlichen Waffenmeisters, in Sicherheit bringen, damit die
zukünftigen Führer des Landes die Invasion überleben. Er selbst soll,
gemäß den Wünschen seines Großvaters Obermagier Bunduar, seine
Magierausbildung im Sumpfland fortsetzen.
Die Aufgabe erweist sich
als schwieriger als gedacht, da die Feinde überall lauern und Ottgar mit
seinem ungestümen Wesen lieber an der Seite seines Vaters kämpfen will,
statt zu fliehen. Auch Rowan sorgt sich um seine Freunde im Ostreich,
wo sich der Aufstand gegen König Kustin ausbreitet. Vor allem liegt
Rowan die junge Heilerin Haiwa am Herzen, die ihm viel bedeutet und
deren Leben in Gefahr ist.
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„Stopp,
bleibt stehen!“, schrie da plötzlich ein Mann. Er erhob sich und stand weithin
sichtbar auf dem Bergrücken. Sein Haar leuchtete rot vor einer schwarzen Wolke,
die eine schwefelgelbe Umrandung hatte.
Rowan
zügelte das Pferd.
„Wie
ist die Losung?“ Ein zweiter Mann tauchte neben dem Rothaarigen auf und hielt
seine Lanze wurfbereit.
„Ich
weiß es nicht, aber ich bin ein Freund und möchte König Kustin sprechen. Ich
bin Rowan, Enkel Bunduars vom Magierreich.“ Rowan gab sich Mühe seine Stimme
vertrauensvoll und selbstbewusst klingen zu lassen.
„Ach,
der Magier.“ Der Rothaarige lachte. „Was könnt ihr Magier schon erreichen?“
Rowan
erkannte eine Ähnlichkeit zwischen der wurfbereiten Wache mit einem
Pferdeknecht, den er an Kustins Hof gekannt hat. „Kranke heilen. Ich habe
seinen Bruder damals von dieser Seuche befreit.“ Er deutete auf den Mann mit
dem Speer.
„Meinen
Bruder?“, fragte der gedehnt.
„Den
Pferdeknecht Cholin.“
Der
Mann ließ seine Lanze sinken. Er pfiff, kurz darauf erschien ein weiterer
Wächter mit hochgebundenen Haaren und einen dichten Vollbart. „Bringt die beiden
zum König, sie können nützlich sein. Pass gut auf sie auf“, befahl er.
Der
langhaarige Mann kam mit großen Schritten auf sie zu, nahm Rowans Pferd am
Zügel und führte es mit eiserner Hand, ohne sich darum zu kümmern, dass der
Hengst kämpfte, um seinen Kopf freizubekommen.
Rowan
ließ ihn gewähren, weil er ihn nicht verärgern wollte. Während Haiwa sich
ängstlich an seine Arme klammerte, um nicht herunterzufallen.
Vor
dem größten Zelt hielt der Mann an. Die hochgewachsenen Leibwachen kreuzten
ihre Lanzen vor dem Eingang.
„Dieser
Mann will zum König. Eindras meinte, die beiden könnten nützlich sein“,
erklärte der Mann gleichgültig.
Die
Leibwächter musterten Rowan misstrauisch. Rowan nickte freundlich, dabei
versuchte er, ihnen gedanklich Vertrauen zu vermitteln.
„Ich
bin Magier Rowan, der Enkel des Obermagiers Bunduar und Großenkel des Königs
Mawuar. Ich muss dringend mit König Kustin sprechen.“ Er stieg vom Pferd und
hängte Haiwa den Strohumhang um.
Neben
den beiden Hünen fühlte er sich wie ein Zwerg. Er reichte den Männern nur bis
zur Schulter.
„Der
König hat heute Wichtigeres zu tun, als Scharlatane zu sprechen“, meinte der Ältere
der beiden Leibwachen.
„Da
kann jeder kommen“, fuhr der zweite fort.
„Wenn
er mich nicht anhört, wird es sein Tod sein. Schlimmer noch, er wird euch alle
in den Tod führen.“ Rowan sprach laut. Der König musste im Zelt jedes Wort
verstehen. Tatsächlich öffnete sich der Eingang und ein Knappe wies die beiden
Wachen an, Rowan hindurchzulassen.
Rowan
schaute zum Himmel. „Es wird gleich anfangen zu schütten. Kann meine
Begleiterin mit ins Zelt kommen?“
Der
Knappe drehte sich um und wartete auf die Erlaubnis, dann wandte er sich wieder
Rowan zu und nickte.
„Komm“,
ermunterte er Haiwa.
Sie
ließ sich vom Pferd gleiten und folgte Rowan ins Zelt hinein. Dort blieb sie
neben den beiden Knappen am Eingang stehen.
„So,
so, unser junger Magier. Wo kommst du plötzlich her und wo hast du die ganze
Zeit gesteckt?“, fragte Kustin kühl.
Rowan
spürte nichts mehr von dem einst so leutseligen Herrscher. „Ich musste zuerst
unseren Kronprinzen in Sicherheit bringen“, antwortete er ruhig.
„Du
behauptest, du hättest eine Idee, wie ich mein Reich retten kann?“ Der König
schaute ihn herablassend an.
„Euer
Reich und Euer Leben!“, erwiderte Rowan ernst und legte seine ganze Überzeugung
in diese Worte.
Der
König saß auf seinem Klappstuhl aus geschnitztem Holz, die Sitzfläche und
Rückenlehne war aus gepunztem Leder. Er trug enge Hosen und ein Hemd, keine
weiten Prunkgewänder, so war er bereit, die Rüstung anzulegen.
Rowan
nickte, als er das sah.
„Ihr
wollte zur Endscheidungsschlacht. Ihr meint, wenn Ihr den Vorteil des Geländes
habt, siegt Ihr. Aber Prinz Hrodwal und Prinz Ranin haben nicht nur die Männer,
die Ihr am Ufer lagern seht, sondern noch weitere Krieger im Wald an der
Flussbiegung.“
„Das
soll ich dir glauben?“ Erstaunt zog der König seine Augenbrauen hoch.
„Schickt
erfahrene Späher dorthin, wenn Ihr mir nicht glaubt. Lasst sie den Wald
umkreisen und von der anderen Seite zu Fuß eindringen. Sie müssen vorsichtig
sein, damit sie nicht entdeckt werden.“
„So
viel Zeit habe ich nicht.“ Der König machte mit seiner Hand eine wegwerfende
Bewegung.
„Dann
solltet Ihr mir glauben. Ihr wisst, dass Ihr mir, Bunduars Enkel, vertrauen
könnt!“ Rowan sah Kustin eindringlich an. Er versuchte, in seine Gedanken
einzudringen und ihn von der Wichtigkeit der Mitteilung zu überzeugen.
„Wie
kann ich das? Schließlich bist du einfach geflüchtet, angeblich, weil Königin
Narfin krank ist! Dein Meister ebenfalls und selbst die Hexen aus dem Gebirge
sind weg. Ich glaube keinem Magier mehr“, stieß Kustin wütend hervor.
Rowan
lachte bitter. „Ich habe Kronprinz Ottgar aus dem Kerker Eurer Burg Eichenfels
befreit, in dem ihn Prinz Hrodwal und Prinz Ranin gefangen hielten.“
„Du
lügst. Er war doch ein Getreuer meines Bruders.“ Der König schüttelt ungläubig
seinen Kopf.
„Euer
Sohn misstraut jedem, selbst so jungen, gutgläubigen Menschen wie den
magianischen Thronerben. Wahrscheinlich wollte Euer Bruder, Prinz Hrodwal,
Ottgar als Geisel behalten. Nachdem ich Ottgar aus der Gefangenschaft gerettet
hatte, flohen wir ins Magierreich. Meine Aufgabe ist, unseren Thronfolger zu
beschützen. Meister Wudon ist von Eurem Sohn gefangen und zu Tode gefoltert
worden. Die Hexe Sidawa wurde von Eures Bruders Männern gefoltert und
anschließend in ihrer Hütte verbrannt. Sie haben Euch nicht im Stich gelassen.
Im Gegenteil …“ Nach einer Pause, in der er seine Wut und Trauer niederkämpfte,
setzte er hinzu: „Leider, sonst würden sie noch leben.“
Er
überließ es den Zuhörern, selbst Schlüsse zu ziehen, wer treu und zuverlässig
war und wer nicht.
„Und
wie könnt Ihr mir helfen?“ Diesmal sprach Kustin den jungen Magier erheblich
höflicher als vorher an, als klammere er sich an den rettenden Strohhalm und
wollte den Helfer nicht verstimmen. Der junge Magier unterdrückte seinen Ärger,
die Höflinge im Ostreich hatten ihn von oben herab behandelt, selbst Kustin
hatte meist nur die äußerste Höflichkeit gewahrt.
Rowan
musterte ihn lange, so lange, bis der Herrscher unruhig auf seinem Reisethron
hin und her rutschte.
„Die
Hilfe ist an ein paar Bedingungen gebunden“, erklärte Rowan leise. Die
Anwesenden mussten die Ohren spitzen, um ihn zu verstehen.
„Nennt
sie!“, verlangte Kustin mit harter Stimme und versteinertem Gesicht.
„Ihr
ernennt nach Eurer Rettung sofort Eure Tochter, Prinzessin Talin, zur
Kronprinzessin, da Euer Sohn Ranin als Verräter dafür nicht mehr in Frage
kommt. Prinzessin Talin hingegen ist klug, mutig und fähig, einst eine mächtige
Herrscherin zu werden. Außerdem ist sie Euch treu ergeben. Es darf aber nicht
nur eine Ernennung sein, sondern Ihr müsst sie auf ihr Amt gründlich
vorbereiteten, sie in die Amtsgeschäfte einführen.“
„Dann
ermordet sie mich!“, entfuhr es Kustin.
„Erst
wart Ihr zu leichtgläubig Eurem Sohn und Bruder gegenüber, jetzt misstraut Ihr
jedem – auch denjenigen, die Euch immer treu ergeben waren.“ Rowan schüttelte verständnislos
den Kopf und fuhr unbeirrt fort. „Die zweite Bedingung ist, dass Ihr und später
Eure Tochter dafür sorgt, dass Magier, Heiler und Hexen nicht nur ihrer
Tätigkeit nachgehen dürfen, sondern auch die ihnen zustehende Anerkennung
erhalten. Die dritte Bedingung ist, dass für die Stadt Kauffurt, die Prinz
Hrodwal geplant hat, der Flusslauf nicht geändert wird.“
„Das
geht nicht, erst wenn die Flussschleife mit einem Kanal abgeschnitten wird,
gibt es Platz für eine befestigte Siedlung.“
„Dann
sucht Euch einen geeigneteren Platz aus und befragt dazu einen Magier, der Euch
beraten und mit dem Flussgeist sprechen kann.“
„Flüsse
haben keine Geister, das ist Aberglaube“, spottete Kustin.
Rowan
versteifte sich. Er hatte Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken.
„Der
nicht existierende Flussgeist ist bereit, Euch zu retten. Soll ich ihm
mitteilen, dass Ihr die Bedingungen nicht billigt, weil Ihr sowieso nicht an
ihn glaubt …?“
Auf
ein Zeichen Kustins zog ein Knappe sein Schwert und hielt es Rowan an die
Kehle.
Rowan
schluckte, dann meinte er, während sein Kehlkopf beim Sprechen gegen die Klinge
drückte: „Der Regengeist unterstützt seinen Bruder, den Flussgeist, daher
hängen die vielen dunklen Wolken am Himmel. Bringt Ihr mich jetzt um, werden
nicht nur Prinz Hrodwal und Prinz Ranin mit ihrem Heer ertrinken, sondern Ihr
werdet vom Blitz erschlagen.“
Rowan
war sich sicher, dass die Naturgeister seinen Tod dem König nicht ungestraft
durchgehen ließen, zu sehr waren sie Bunduar verbunden. Wie zur Bestätigung
dröhnte draußen ein lauter und langer Donner.
Der
König fuhr zusammen. Leichenblass stammelte er: „G…g…gut, ich g…gehe auf deine
Bedingungen ein.“
„Dann
schwöre bei der Göttin Jaguar und Eurem Herrscherhaus, dass Ihr Prinzessin
Talin zur Thronfolgerin ernennt, die Magier, Heiler und Hexen schützt und ehrt
und dass der Fluss seinen Lauf selbst bestimmen darf.“
König
Kustin saß zusammengesunken auf dem Reisethron, mit zitternder Stimme
wiederholte er Rowans Worte und folgte dem Magier zu dem kleinen hölzernen
Altar. Dort goss er heiliges Öl in eine Bronzeschale und entzündete es an der
Glut, die in einer Metalllaterne gehütet wurde. Purpurrot flammte das Öl auf,
der Rauch stieg hellrot steil nach oben und es duftete nach Rosen.
Rowan
nickte zufrieden. Draußen rauschte der Wind und frischte immer stärker auf.
Inzwischen peitschten die Zeltbahnen hin und her. Feiner Sand wurde ins Innere
gedrückt. Ein Blitz erleuchtete die Umgebung taghell, der folgende Donner ließ
den Boden erbeben.
Die
Leibwachen flüchteten ins Zelt und brachten Rowans Habschaft mit. Sie kamen
gerade rechtzeitig, um die Zeltstangen festzuhalten, die sich gefährlich im
Wind bogen. Dann prasselte Regen herab. Er tropfte durch die Zeltwände. Wasser
quoll vom Eingang herein. Fröstelnd zog Haiwa ihren Strohumhang dichter an sich
heran. Ein Knappe reichte Haiwa ihr Gepäck und sogleich hängten sie und Rowan sich
die Decken um.
Stundenlang
tobte das Unwetter. Blitze schlugen in der Nähe ein. Es kühlte merklich ab.
Pferde rissen sich los und galoppierten voller Angst durch das Lager, dabei
zertrampelten sie zwei Zelte, die noch einigermaßen sicher gestanden hatten.
„Dein
Wassergott bringt uns um, statt uns zu helfen“, grollte König Kustin.
Rowan
schaute ihm ruhig in die Augen. „Ohne das Unwetter lägt Ihr und Eure Männer
schon längst erschlagen in den Flussauen.“
Endlich
ließ zuerst der Sturm nach, dann zog das Gewitter weiter. Der Abstand zwischen
Blitz und Donner wurde immer größer. Der Regen wurde weniger und die Knappen
liefen hinaus, um sich die Schäden anzuschauen. Sie blieben eine Weile weg. Die
Leibwachen verharrten auf ihren Plätzen und beäugten Rowan misstrauisch, bevor
sie endlich die Stangen wieder ausrichteten, das Wasser von den Zeltbahnen schüttelten
und alles gründlich verschnürten.
Als
einer der Knappen zurückkam, rief er schon von weitem: „Das feindliche Heer ist
weg.“
Aileen O'Grian Was wäre wenn? - Fantasy als Spiel mit den Möglichkeiten
Seit Jahren schreibe ich aus Spaß am Phantasieren Märchen, Fantasy und
Science-Fiction und habe diverse Kurzgeschichten in Anthologien und
Literaturzeitschriften veröffentlicht.
Den Magier Rowan mag ich so gern, dass ich mir vorgenommen habe, eine
Romanreihe zu schreiben.
Leseproben von mir gibt es auf meinem Blog:
http://aileenogrian.overblog.com/