Sonntag, 27. März 2016

Calling USA von Paula Dreyser




Klappentext
Es beginnt mit alten Fotos … Nach mehr als dreißig Jahren findet Lydia Steve wieder – über Facebook. Ende der siebziger Jahre waren sie ein Paar, eine junge Deutsche und ein amerikanischer Soldat. Am Ende scheiterte die Beziehung trotz aller Bemühungen. Im Hauptteil des Romans wird der Leser zurückgeführt in die späten siebziger Jahre.
Calling USA ist aber mehr als ein Liebesroman. Es ist ein Roman über Beziehungen, denn Lydias und Steves persönliche Geschichte ist mit vielen anderen Geschichten verwoben.
Eingebettet ist dieses „Beziehungs-Patchwork“ in die Ära des Kalten Krieges mit ihrer besonderen Weltordnung und ihrem spezifischen Zeitgeist. Die Handlung spielt im Rhein-Main-Gebiet.
Die Frage ist, ob Lydia nach so vielen Jahren die Chance bekommt, das, was sie umtreibt, endlich zu klären, denn Steve ist schwerkrank …

Calling USA ist der erste Roman der Reihe Deutsch-Amerikanische Begegnungen in Zeiten des Kalten Krieges. Jeder der Romane ist in sich abgeschlossen und völlig „autonom“.

Erhältlich als E-Book bei Amazon, als  Taschenbuch im VA-Verlag 



Der 1. Teil des Romans spielt im Jahr 2014. Über Facebook nimmt Lydia Kontakt zu Steves Familie auf. Es gibt noch etwas, was sie klären muss, nach fünfunddreißig Jahren. Das Wiedersehen ist dramatisch, denn Steve ist schwerkrank.
Im Flugzeug auf dem Weg in die USA denkt Lydia an die Zeit zurück, als sie und Steve ein Paar waren. Der 2. Teil, der Hauptteil, spielt in Mainz, im Zeitraum von 1977 bis 1979. Die Leseprobe besteht aus den ersten beiden Kapiteln der Rückblende.
  
Day One
Mitte Juli 1977
Noch bevor sie um die Ecke bog, stieg ihr ein betörender Duft in die Nase. Vor dem Wiener Wald reihten sich mehrere, knapp mannshohe Sträucher in großen Terrakottatöpfen aneinander. Unscheinbare Blüten klebten wie kleine, weiße Sterne zwischen ovalen, dunkelgrünen Blättern.
Keine Ahnung, was das für welche sind, dachte sie, aber an dem Duft könnte ich mich berauschen.
Wie eine aufwendige Filmkulisse erstreckte sich der Bahnhofsvorplatz zwischen ihr und dem imposanten, alten Hauptgebäude, das den Bereich für die Busse und Straßenbahnen vom Zugbahnhof trennte.
Für ihr Leben gern kaufte sie dort in den kleinen Läden ein. Es gab Bücher, Schminkartikel, Zeitschriften, belegte Brötchen und Süßigkeiten, alles was Reisende benötigten und noch schnell besorgen mussten. Natürlich konnte man das auch in anderen Geschäften kaufen, sogar deutlich günstiger. Aber nur im Bahnhof herrschten diese geschäftige Atmosphäre und die stetige Geräuschkulisse, durchbrochen von Lautsprecheransagen über ankommende und abfahrende Züge. Nur hier konnte sie davon träumen, in den nächsten Fernzug zu steigen, um der Öde und Enge des Alltags zu entfliehen. Das Leben erhielt eine neue, aufregende Note.
Für einen Moment blieb Lydia stehen und ergötzte sich an dem Anblick.
An diesem strahlenden Sommertag wirkte der Bahnhof trotz der regen Geschäftigkeit seltsam ruhig und friedlich, eine Idylle unter azurblauem Himmel.
Vielleicht kommt mir das nur so vor, weil es mir gut geht, überlegte sie. Ja, das Leben fühlte sich gerade wunderbar an, selbst für eine Siebzehnjährige, die meistens mit dem Unverständnis ihrer Mitmenschen zu kämpfen hatte.
Mit geschäftigem Bimmeln kündigte sich eine Straßenbahn an. Ratternd fuhr die Linie elf von Gonsenheim kommend in den Bahnhof ein. Lediglich eine breite Durchfahrt für Busse trennte Lydia von den Haltestellen der Straßenbahnen.
Drei amerikanische Soldaten in grüner Arbeitsuniform stiegen aus und schlenderten in Richtung Zugbahnhof. Auf halbem Weg kauften sie etwas an einem Bretzelstand. Soldaten der US Army in Uniform oder Zivil gehörten zum Stadtbild von Mainz. Amerikanische Frauen und Kinder sah man seltener.
Unwillkürlich seufzte sie. Eine Komplikation in ihrem Leben ergab sich nämlich daraus, dass sie seit geraumer Zeit in eine Diskothek ging, in der GIs verkehrten. Ihre Eltern waren alles in allem tolerant, aber Lydias neuer Freundeskreis begeisterte sie nicht gerade. Lebhaft erinnerte sie sich an ein bizarres Gespräch mit ihrer Mutter vor einigen Monaten.
„Amerikaner verkehren in dieser Diskothek?“ Zuerst hatte Helga erstaunlich gelassen auf Lydias vorsichtige Schilderung des Publikums im La Guillotine reagiert. Dann aber war ihr etwas eingefallen. „Das heißt jetzt aber nicht, dass du einen amerikanischen Soldaten als Freund hast?“, hatte sie mit zusammengezogenen Brauen und alarmierter Stimme hinzugefügt.
„Nein, natürlich nicht!“ Das war eine Lüge gewesen, denn zu diesem Zeitpunkt war Lydia bereits einige Wochen mit Anthony gegangen, eine Beziehung, die mittlerweile beendet war. Vorsichtig hatte sie sich weitergetastet. „Aber, was wäre denn daran so schlimm?“
Helga hatte geschnaubt und sich eine Zigarette angezündet. „Was sollen die Leute denken? Nach dem Krieg hatten die Mädchen, die mit Amerikanern herummachten, einen schlechten Ruf.“
„Das war nach dem Krieg. Allerdings verstehe ich das nicht. Wieso hatten diese Mädchen einen schlechten Ruf?“
Lydia erinnerte sich deutlich an die funkelnden Augen ihrer Mutter. „Die Amerikaner waren die Be-sat-zungs-macht.“ Jede Silbe des Wortes hatte Helga in die Länge gezogen und betont. „Es ist ein Glück, dass Hitler den Krieg verloren hat, aber trotzdem, sie waren eben die Besatzer.“
„Hast du mir nicht erzählt, dass bei Oma und dir vier GIs einquartiert waren und ihr von ihnen Schokolade und Lebensmittel bekommen habt?“ Lydia hatte sich bemüht, eine Logik in dem, was ihre Mutter sagte, zu erkennen, aber es war ihr nicht gelungen.
„Trotzdem Lydia. Es ist gut, dass die Nazis den Krieg nicht gewonnen haben, und die Amerikaner haben Lebensmittel verteilt, aber sie waren die Sieger, hatten Sonderrechte. Mit denen lässt man sich als deutsche Frau doch nicht ein.“
Daraufhin hatte sie dermaßen hastig an ihrer Zigarette gezogen, dass sie sich fast verschluckte.
Die Widersprüchlichkeit dieser Äußerungen ihrer Mutter ließ Lydia auch Monate nach dem Gespräch immer noch keine Ruhe. „Ist es denn nicht so, dass alle hier froh darüber sind, in der amerikanischen Zone zu leben und Angst vor den Russen haben?“, hatte sie vorsichtig nachgehakt.
Zu ihrer Bestürzung waren ihrer Mutter bei diesen Worten Tränen in die Augen getreten. “Ja, aber das ist doch etwas anderes. Natürlich gehören wir zum Westen. Die Kommunisten sind das Schlimmste. Aber die GIs, …“ Mehrmals hatte sie schlucken müssen, bevor sie weiterreden konnte. „… die prügeln sich oft und rauchen Haschisch.“
Die letzte Äußerung hatte trotzig und irgendwie falsch geklungen. Lydia war es so vorgekommen, als hätte ihre Mutter eigentlich etwas ganz anderes sagen wollen.
Ein komisches Gespräch! Sie kannte GIs, die streitlustig waren, der weitaus größere Teil ihrer amerikanischen Bekannten aber suchte ganz sicher keinen Ärger. Allerdings prügelten sie sich, wenn es sein musste. Was hingegen das Rauchen von Haschisch anbetraf, gab Lydia ihrer Mutter recht. Das war verbreitet. Einerseits missbilligte sie es, andererseits fand sie es aber auch wieder abenteuerlich, etwas verrucht.
Schon vor einer Weile war Lydia zu ihrem eigenen Erstaunen zu der Erkenntnis gelangt, dass sie sich trotz all der Kämpfe um mehr Freiheiten und all der trotzigen Auflehnung dann am wohlsten fühlte, wenn ihre Eltern mit dem, was sie tat, im Großen und Ganzen einverstanden waren. Sie hielt es auch nicht aus, ständig zu lügen. Daher hatte sie für sich beschlossen, weiterhin ins La Guillotine zu gehen, aber in nächster Zeit sich nicht mit einem Amerikaner enger anzufreunden.
Ungeduldig schüttelte sie jetzt den Kopf. An diesem sonnigen Julitag, nur wenige Wochen vor den Sommerferien, ließ sie solche schwerwiegenden Gedanken einfach ziehen, denn die Welt lächelte ihr freundlich zu.
Nachdem der Nachmittagsunterricht ausgefallen war, hatte sie kurz in der Pinte vorbeigeschaut, der Stammkneipe ihrer Jahrgangsstufe. Da sie keine Bekannten angetroffen hatte, war sie zum Bahnhof geschlendert, um nach Hause zu fahren. Sie freute sich darauf, später ihre Freundin zu besuchen. Wie üblich würden sie Musik hören, auf jeden Fall Vincent und Sunshine On My Shoulders, rauchen und über die wichtigen Dinge des Lebens reden.
Den seltenen Moment des inneren Friedens auskostend überquerte sie die Durchfahrt für Busse. In diesem Moment spürte sie eine dieser Wellen in ihrem Inneren. Es begann mit einem heftigen Kribbeln im Bauch, verursachte dort ein flaues Gefühl, das sich schnell in den Brustkorb ausbreitete, ihr manchmal den Atem nahm oder Herzklopfen hervorrief. Lydia war nicht klar, um was es sich bei diesen Wellen handelte. Am ehesten ließen sie sich als Empfindungen beschreiben, die aber sofort, und zwar unmittelbar, eine körperliche Reaktion hervorriefen. Sie stellten sich bei intensiven Emotionen ein, unabhängig davon, ob diese angenehm waren oder nicht. Manchmal bauten sie sich langsam auf. Aber sie traten auch spontan auf, aus heiterem Himmel und ohne ersichtlichen Grund, wie gerade jetzt. Daran war Lydia gewöhnt.
Die Bahnhofsuhr zeigte halb drei, eine gute Zeit. Alles stimmte heute. Ihr war zumute, wie sie es mitunter in Büchern las – wohlig. Bücher waren ihre große Leidenschaft. Schon als Achtjährige hatte sie regelmäßig den Bücherbus aufgesucht, der von der Mainzer Stadtbücherei in die Vororte und Stadtteile fuhr. Sie las alles: Bücher für Kinder, für Jugendliche, für Erwachsene, fiktive Geschichten, Sachbücher, historische Romane. Oft formulierte sie Situationen, die sie erlebte, in ihrem Kopf so, als würde sie darüber schreiben. Mitunter fühlte sie sich als Hauptfigur in einem Roman. Das half, um dem Leben einen Sinn zu geben, besonders dann, wenn alles um sie herum in kleine Teile zu zerbrechen drohte – und das passierte ständig. Bisher hatten sich die Trümmer immer wieder zusammengefügt, manchmal allerdings gerade noch rechtzeitig. Umso mehr genoss sie diesen kostbaren Moment der inneren Ruhe und Ausgeglichenheit. Fast hatte sie die Haltestelle der Linie Acht erreicht. Mit gefurchter Stirn blickte sie sich um, in der Hoffnung, jetzt niemanden zu treffen.
Die nächste Welle kroch heran, schon bevor sie das, was sie sah, in ihrem Gehirn verarbeiten konnte. Obwohl sie weiterging, äußerlich immer noch ruhig, wandelte sich ihre Stimmung im Bruchteil einer Sekunde. Lässigkeit und Sorglosigkeit glitten von ihr ab wie Wassertropfen. Unmerklich richtete sie sich etwas auf, korrigierte ihren Gesichtsausdruck, warf das halblange braune Haar zurück.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lächelte ihr jemand zu, Clark, ein amerikanischer Freund. Nachdem er sich erfolglos um sie bemüht hatte, waren sie mittlerweile Kumpel. Lachend winkte Clark. Er entsprach ziemlich genau dem Bild, das ihre Freundinnen und sie sich von einem amerikanischen Highschool-Boy machten, mittelgroß, drahtig und durchtrainiert, meistens lächelnd und lässig, immer in Jeans, Turnschuhen und Bomberjacke. Seine runde Brille entsprach hingegen nicht dem Klischee. Als sie ihn fast erreicht hatte, nahm sie aus den Augenwinkeln wahr, dass zwei weitere Personen neben ihm standen.
„Hey“, grüßte Clark und umarmte sie flüchtig.
„Hey“, antwortete sie.
„Das sind meine Buddies, Steve und Ben“, erklärte er mit einem verschmitzten Grinsen und nickte in Richtung der beiden jungen Männer.
„Hey“, tönte es von der Seite.
„Hey“, sagte sie und wandte sich den Unbekannten zu. Die Wellen überschlugen sich und ihre Knie drohten, nachzugeben. Ihr Blick blieb an einem Paar Augen kleben, braun, mit grünen und gelben Sprenkeln. Das Lächeln des jungen Mannes spiegelte sich in ihnen wider. Steve! Sein Name war Steve! Als Nächstes nahm sie wahr, dass sein Gesicht, schmal und etwas gebräunt, zu leuchten schien, von innen heraus. Obwohl ihr Magen Purzelbäume schlug, registrierte sie ganz sachlich, dass der Schnurrbart und das wellige dunkelbraune Haar die für Soldaten vorschriftsmäßige Länge nicht überschritten. Jetzt fuhren ihre Eingeweide Achterbahn und ihr Herz schlug so heftig, dass es wehtat. Es war geradezu absurd, wie sehr ihre Empfindungen mit dem übereinstimmten, was in Liebesromanen beschrieben wurde.
Sein Blick und sein Lächeln gruben sich in sie hinein. Vollkommen hilflos stand sie in einer Welt, die von einer Sekunde zur nächsten aus den Fugen geraten war.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte jemand etwas. Ben, der andere junge Mann, hatte sich ihr zugewandt und redete. Benommen schaute sie in seine Richtung. Die Soldaten würden mit ihrer Kompanie am nächsten Tag ins Field fahren, also zu einem Truppenmanöver, wahrscheinlich nach Baumholder. Diese Information war wichtig, denn es bedeutete, dass Steve für die nächsten zwei Wochen weg sein würde. Der Boden unter ihren Füßen geriet in Bewegung, ihr Magen verkrampfte sich, ihr Mund fühlte sich an wie die Wüste Sahara. Aber es kam jetzt darauf an, ein paar Dinge auf den Weg zu bringen.
„Kommst du mit? Hast du Zeit?“ Clark sah sie fragend an. Auch die anderen beiden richteten ihren Blick auf sie. Lydia versuchte, mit einem Seitenblick Steves Gesichtsausdruck zu ergründen. Noch immer lächelten seine Augen. Was hatte Ben gerade noch als letztes erzählt? Es ging darum, dass die drei jungen Männer in einem Kaufhaus in der Innenstadt etwas besorgen wollten.
Warum gehen sie nicht in die PX. Da gibt es doch alles, fuhr es ihr durch den Kopf. „Ja, ich denke, ich komme mit. Hab gerade nichts Besseres zu tun“, erklärte sie betont gleichmütig, in der Hoffnung, dass niemand ihre Aufregung bemerkte.
„Normalerweise gehe ich die PX.“ Steves klare, helle Stimme hüllte sie ein. Er sah ihr in die Augen.
Da war immer noch dieses Leuchten. Sie musste sich sehr konzentrieren, denn er sprach schnell. Dann fügte er etwas hinzu, was ihr endgültig den Boden unter den Füßen wegzog.
„Ich bin wirklich froh, dass ich gekommen bin.“
War das ein Zwinkern? Hatte sie alles richtig verstanden? Mitunter stellte die englische Sprache eine nicht unerhebliche Herausforderung dar.
„Let’s go.“ Aufgeräumt und gut gelaunt klatschte Clark in die Hände und ging los, in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war, vor gefühlten hundert Jahren, als sie eine wunderbare innere Ruhe gespürt hatte. Clark nickte ihr noch einmal zu. Hatte er etwas bemerkt?
Steve und Ben nahmen sie in ihre Mitte. Auf dem Weg zum Kaufhaus alberten sie herum, lachten viel.
Lydia wunderte sich darüber, dass die Amerikaner Zahnpasta, Zahnbürsten, Rasiercreme und Deo besorgten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es in dem Wunderladen PX, beliefert aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, diese alltäglichen Dinge nicht zu kaufen gab.
„Was meint ihr? Gehen wir was trinken? Ich hab echt Durst.“ Clark grinste schon wieder und rückte seine Brille zurecht.
Innerlich dankte Lydia ihm.
Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass drei Augenpaare auf sie gerichtet waren. Sie versuchte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, gab vor, zu überlegen. Tatsächlich konnte sie jetzt nicht sprechen, denn ihre Stimme würde beben. Ben schaute erwartungsvoll. Von Steves Augen fühlte sie sich hypnotisiert.
„Okay.“ Sie presste das Wort aus wie eine Zitrone. Am liebsten hätte sie hysterisch losgelacht.
Die Gruppe beschloss, in eine Bar in der Nähe zu gehen, die bereits nachmittags geöffnet war.
Lydia hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, irgendetwas, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Ihr Unterricht wäre jetzt fast vorbei und Steve würde eine ganze Weile weg sein.
Als sie sich auf den Weg ins Coupé 70 machten, ging sie mit Clark vor. Es galt, eine Entscheidung zu treffen. Während sie mit ihrem Freund über deutsches Essen und den Mainzer Weinmarkt im September sprach, überlegte sie fieberhaft. Schließlich konzentrierte sie sich darauf, ihren Hintern nicht zu sehr, aber doch etwas mehr als notwendig zu bewegen. Dass Ben das ebenfalls sah, behagte ihr nicht, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.

Vita

Paula Dreyser ist Bibliothekswissenschaftlerin und Ethnologin.
Nach einer Tätigkeit an der Universität mit Forschungsaufenthalten
in Namibia übte sie verschiedene Berufe aus. Sie arbeitete als Lehrerin,
betreute eine Schulbücherei, leitete Projekte in Institutionen
der Familienbildung und führte ein Online-Antiquariat.
Mittlerweile ist sie als freie Lektorin tätig und widmet sich ihren Romanen.
Mit Mann und fast erwachsener Tochter lebt sie im Vordertaunus,
in der Nähe ihrer Heimatstadt Mainz.

Facebook: https://www.facebook.com/pauladreyser/

Sonntag, 20. März 2016

„Die Jägerin – Die Anfänge” von Nadja Losbohm




Band 1

Kurzbeschreibung

Ada Pearce ist eine normale junge Frau. Sie ist 1,65 m klein, hat ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften und ist durchweg unsportlich. Kurz nach ihrem 21. Geburtstag klärt sie ein mysteriöser Priester über ihr Schicksal als Jägerin auf. Ada glaubt der Geschichte zunächst nicht, doch als sie erfährt, welche Gefahren durch die unterschiedlichen Kreaturen der Nacht drohen, nimmt sie ihr Schicksal an, gibt ihr altes Leben auf und zieht in die geheimen Räumlichkeiten unter der St. Mary’s Kirche, die dort vor Jahrhunderten angelegt worden waren, ein und beginnt ihre Ausbildung…

In Rückblenden erzählt die Protagonistin selbst ihre Geschichte. Angefangen bei der ersten Begegnung mit dem geheimnisvollen und unnahbaren Priester, über die einjährige Ausbildung und das Leben im Geheimen, über ihre erste Jagd und die Probleme, die es mit sich bringt, wenn ein Priester und eine Frau auf engstem Raum zusammenleben.

„Die Jägerin - Die Anfänge”: eine charmante Mischung aus Science-Fiction, Romanze und Humor.
Erhältlich bei Amazon.

Leseprobe

Ich rannte die Straße entlang. Über den Dächern der Häuser war bereits ein schmaler Streifen des anbrechenden Morgens zu sehen. Ein wunderschönes Farbenspiel, das mit Gelb anfing, zu Pink und dann zu Lila wurde und schließlich in die letzten Reste des nächtlichen Blaus überging. Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Ich rannte wie eine Irre durch die Kleingärten. Ich spürte etwas Feuchtes, das mir am Arm hinunterlief, und wusste es war Blut. Mein Blut. Dieses widerliche Biest hatte mich doch tatsächlich mit seiner Krallenpranke erwischt! Das würde wieder eine Narbe geben. Super! Ich hatte bereits eine ganz beachtliche Sammlung zusammengetragen. So ziemlich jede Art von Monster hatte mich schon erwischt und seine Markierung auf mir hinterlassen. Bis auf die Vampire. Und denen wollte ich nun wirklich nicht so nahe kommen!

Während ich durch die Stadt gehetzt wurde, kam es mir vor, als würde ich auf der Stelle treten. Die Kirche war immer noch nicht in Sicht. „Bitte, bitte, bitte!“, bettelte ich und warf einen Blick über die Schulter nach hinten. Als ich sah, dass das Krallenmonster noch ein Stück weiter aufgeholt hatte, bekam ich Panik. Scheiße! Wieso war ich heute so lahm?
Ich sprang auf eine leere Kreuzung. Die Ampeln blinkten auf Orange. Wie jede Nacht, wenn sie abgestellt waren. Ich bog um die Ecke, an der ein chinesisches Restaurant war. Im Fenster hingen rote Papierlaternen mit goldenen Troddeln. Bunte Plastikblumen standen auf den Fensterbrettern. Ich lief in Zickzackbahnen, in der Hoffnung, das Monster abzuhängen. Aber es brachte alles nichts. Es war immer noch dicht hinter mir. Verzweifelt flüsterte ich den Namen von Pater Michael und versuchte mir vorzustellen, wie er mich mit harten Worten antrieb, damit ich schneller lief. Aber dann sah ich die Kirchturmspitze. Das Kreuz auf dem Dach blickte auf mich herunter. Gott sei Dank!

Ich sammelte all meine Kräfte zusammen, die noch irgendwo in mir schlummerten, und hetzte die Allee entlang, an deren Ende die Kirche lag. Ich lief in Schlangenlinien um die Bäume. Hinter mir hörte ich das Monster schnaufen. Ich konnte es nicht sehen, aber es hörte sich an, als wenn es durch die Blumenbeete preschte. Aus dem Augenwinkel sah ich Rosenbüsche umherfliegen, die herausgerissen wurden, und Erde wirbelte durch die Luft. Wenn das jemand sah, würden wieder betrunkene Randalierer verdächtigt werden.
Und dann sah ich Pater Michael. Er stand auf der Stufe vor der Kirchentür. Seine dunkle Gestalt tigerte ruhelos auf und ab. Das gelbe Licht der beiden Laternen über dem Portal warf schwarze Schatten an die Kirchenmauern.
Ich war so glücklich ihn zu sehen, dass ich anfing zu weinen. Eine blöde Idee, Ada! Denn die Tränen verschleierten meine Sicht. Ich blinzelte mehrmals, aber die Flüssigkeit in meinen Augen wollte einfach nicht weggehen. Ich rief Pater Michaels Namen und sah, wie er sich abrupt umdrehte. Seine Soutane flatterte bei der Bewegung. Wie lange hatte er dort schon auf mich gewartet?
Es konnte mir gar nicht schnell genug gehen, bei ihm zu sein und in die schützende Kirche zu gelangen. Meine Füße kamen nicht schnell genug hinterher, und ich strauchelte. Ich stolperte über einen Bordstein. Meine Arme ruderten in der Luft umher. Dann fiel ich der Länge nach hin. Ich spürte, wie meine Knie und Hände über den Asphalt schürften. Über mir hörte ich die Schreie Pater Michaels. Ich rappelte mich auf und sah zur Kirche. Der Pater kam über den Platz vor der Kirche auf mich zu gerannt. „Wo ist das Schwert?“, rief er.
Ich fasste automatisch an meine Seite. Aber da war nichts. So ein Mist! Ich musste es bei dem Sturz verloren haben. Ich blickte mich hastig um und entdeckte es einige Meter von mir entfernt auf dem Boden. Ich wollte gerade loslaufen, als mich der Pater beiseiteschubste und es sich schnappte. Mit großen Augen beobachtete ich die Szene. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich sah, wie das Krallenmonster zum Sprung ansetzte. Der Pater stand in voller Erwartung ganz ruhig da. Er war wie eine Statue mit einem Schwert in der Hand und wartete auf die richtige Gelegenheit. Das Monster stieß sich vom Boden ab und stürzte sich auf ihn. Ein lauter Schrei ertönte, wobei ich nicht deuten konnte, wer von beiden geschrien hatte. Aber ich sah, wie der Pater direkt unter dem Monster stand, das nahezu über ihm schwebte. Pater Michaels Arm sauste nach oben, und das Schwert schlitzte den Bauch des Monsters auf. Der Pater drehte und wirbelte sich herum. Und im nächsten Moment kniete er hinter dem toten Krallenmonster.

Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren. Noch nie hatte ich einen Menschen sich so bewegen gesehen! Er war so anmutig und beweglich wie ein Tänzer gewesen. Aber gleichzeitig auch so präzise und unnachgiebig wie eine Maschine, die nur zu einem Zweck diente: zu töten. Als ich langsam auf ihn zuging, ließ ich seine atemberaubende Gestalt nicht aus den Augen. Wie er so dort kniete, wirkte er wie ein Ritter, der vor seinem König kniete und ihm sein Schwert anbot. „Das war… der Wahnsinn!“, hauchte ich und blickte abwechselnd von ihm zu dem toten Ding.
Pater Michael hob den Kopf. Er blickte mich an, aber ich glaube, er sah mich nicht wirklich. Denn seine Augen waren seltsam verschleiert, als wäre er in einer Art Trance. Er blinzelte, und der Schleier hatte sich verflüchtigt. „Ja, wirklich Wahnsinn!“, erwiderte er sarkastisch und stand auf. „Was zum Teufel war los mit dir?“, fuhr er mich an. Sein Gesicht war dicht vor meinem. Vor Verärgerung atmete er hastiger und tiefer, und ich spürte jeden Atemzug über meine Haut hinwegfegen. Sein Verhalten erschreckte mich, und ich fing an zu stottern. Wenn sogar er anfing zu fluchen, war er wirklich, wirklich sauer! „Du bist verletzt“, fuhr er dazwischen. Schlagartig war sein Ton wieder ruhig geworden. Er fasste mich grob am Arm, um sich den Schaden zu besehen. Ich zog scharf die Luft ein bei dem Schmerz, der dabei aufkam. „Entschuldige, bitte“, meinte er, und als ich zu ihm aufsah, war sein Blick weich und voller Fürsorge. „Geh jetzt hinein. Ich komme gleich nach und versorge deine Wunden. Ich kümmere mich nur noch darum“, sagte er und deutete auf das tote Krallenmonster.

Autorenvita

1982 in Hennigsdorf, Brandenburg, geboren, zog es die Autorin im Alter von sechs Jahren in die deutsche Hauptstadt, wo sie noch heute lebt und arbeitet. Dank der guten Gene ihrer Eltern interessiert sie sich schon seit Kindertagen für das Malen, Zeichnen und Fotografieren. Tat sie sich anfangs noch schwer mit dem Lesen, wurde sie dank einer berühmten Maus rasch zu einer Leseratte. Die Idee, eine eigene Geschichte zu verfassen, ereilte sie im Alter von 19.
Zehn Jahre dauerte es, bis das Erstlingswerk „Alaspis - Die Suche nach der Ewigkeit" fertig gestellt wurde und die Autorin den Mut fand, ihren Traum von einer Buchveröffentlichung mit anderen zu teilen. Am 15.10.2012 erschien die märchenhafte Saga als Ebook und Taschenbuch.
In den Jahren 2013 bis 2015 folgte die mehrteilige Jugendbuchreihe „Die Jägerin“, eine Mischung aus Sci-Fi und Fantasy-Romance mit einem Spritzer Humor.
„Hamster Stopfdichvoll & seine Freunde“ ist das achte Buch aus Nadja Losbohms Feder und das erste Kinderbuch, das sie veröffentlicht hat.

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Sonntag, 13. März 2016

Sina und das Pony aus dem Schrebergarten von Sarah Lee




Klappentext Band 1 – Sina und das Pony aus dem Schrebergarten
Die reitbegeisterte vierzehnjährige Sina träumt wie viele Mädchen von einem eigenen Pferd. Zusammen mit ihrer besten Freundin Reena geht sie, wann immer es die Zeit erlaubt, zu ihrer Reitbeteiligung. Eines Tages führt sie ihr Weg durch die Kleingartenkolonie, wo sie eine traurige Entdeckung machen. Ein verwahrlostes Pony wird dort gehalten. Kann der aufstrebende Jungspringreiter Josef, Sinas heimlicher Schwarm, ihr helfen, das Pony aus der Hölle zu befreien? 

Erhältlich bei Amazon auch als Sammelband der Bände 1 - 3  


Kapitel 1

Sie hörte die Wellen rauschen, spürte das Wasser gegen ihre nackten Beine spritzen. Die Sonne schickte ihre Strahlen vom wolkenlosen Himmel und wärmte die Leiber von Sheila und ihrem schwarzen Hengst. Sie glaubte, zu schweben, fühlte sich wie im Paradies. Der Stress der letzten Tage war vergessen und der Hunger in den Hintergrund geraten. Es gab nur sie und das Pferd auf der Insel und die endlose Weite des Horizontes.
Sheila fühlte jeden Muskel des stolzen Andalusiers unter sich. Sie balancierte sich aus und hob ihre Hände in die Luft. „Jaaaa!“, schrie sie und lächelte. Frei wie der Wind, dachte sie. Das war sie und sie fühlte sich glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben. Wo auch immer ihre Familie jetzt war, es interessierte sie nicht. Tashunga, der Herrscher der Insel, würde da sein, um sie vor jedem Ungemach zu beschützen, das da draußen lauern mochte. Hier war sie frei und geborgen ...

„Sina Merbach, Sie sollen keine Pferdegeschichten lesen, sondern dem Unterricht folgen.“
Gelächter brach aus, flutete den Klassenraum. Peinlich berührt starrte die Rothaarige den strengen Lehrer Bognatz an, der ihr das Pferdebuch entrissen hatte. Auf dem Cover sah sie den Kopf eines schwarzen Hengstes. Tashungas Abenteuer lautete der Titel. Im Hintergrund erkannte sie eine untergehende Sonne in unterschiedlichen Rot-Orange-Tönen, die am Ende des Horizonts im Meer zu versinken schien.
Träume sind Schäume, dachte Sina, als sie sah, dass der abgewetzte Schultisch unter ihren Händen hervor kam und nicht das samtige Fell des Hengstes, den sie in ihren Gedanken eben noch geritten hatte. Welches Mädchen in ihrem Alter träumte nicht von einem schwarzen Hengst, wie es die bunte Medienwelt zu gern darstellte? Schwarze oder weiße Hengste lagen besonders weit oben in der Gunst kindlicher Liebhaberei. Leider nicht in der Gunst des Mathematiklehrers. Der stand vor Sina und statt eines gestählten Pferderückens fühlte sie die harte Sitzfläche des ollen Stuhls unter ihren Pobacken.
Alle Augen waren auf Sina gerichtet. Nervös fummelte die Vierzehnjährige an ihren Locken. „Können Sie die Frage wiederholen?“ Ihre blauen Augen blickten wie die eines Hündchens, der gerade einen Schuh zerkaut hatte. Wer konnte da böse sein? Das dachte Sina sich auch und hoffte, den Lehrer zu erweichen.
Bognatz mit den kurzen dunkelbraunen Haaren verzog den Mund und rückte seine Brille gerade. Sich räuspernd bemerkte er: „Bitte das nächste Mal aufpassen, ok?“ Er wartete das Nicken seiner Schülerin ab.
Sina schluckte und blickte sich verlegen um. Jeder ihrer neunzehn Klassenkameraden schaute zu ihr. Erwischt! Schon wieder als Anbeterin des schwarzen Hengstes entlarvt. Das konnte nicht wahr sein. Sie schallte sich selbst als dumm, ausgerechnet in der Mathe-Stunde bei Bognatz im Buch gelesen zu haben. Aber das Buch war einfach zu spannend und der Schulstoff zu langweilig gewesen. Nun hatte sie den Salat, stand im Mittelpunkt aller.
Dahinten grinste Jan, der Schwarm bei den Mädchen in der Klasse, wortlos in sich hinein. Der Wuschelkopf zerriss ein Blatt Papier in viele kleine Teile.
„Ja, Herr Bognatz, versprochen, ich werde nicht mehr im Unterricht lesen.“
„Bis zum Ende der Stunde nehme ich das Buch mit zum Pult.“
Sina blickte ihrem Roman mit hängenden Schultern nach. Getuschel kam hinter ihr auf. Sie drehte sich um.
„Können sich deine Eltern immer noch kein Pferd für dich leisten?“
„Halt deine Klappe!“ Bissig drehte sich Sina zurück. Ihre gehasste Klassenkameradin Lisa nervte mal wieder mit ihren doofen Sprüchen. Immer musste sie zänkisch sein. Nur, weil ihre Eltern eine angesagte Lokalität in Hamburg führten? Gut, ihre eigene Mutter, Marie, war Verkäuferin in einem Drogeriemarkt und ihr Vater Jorsch, Klempner. Sina dachte, dass die Jobs ihrer Eltern besser waren, als arbeitslos zu sein wie der faule Vater von Mirco, der drei Reihen weiter vorne saß. Sie wunderte sich, wie der es auf die Realschule geschafft hatte.
Sina nahm wahr, dass ihre beste Freundin Reena am zweiten Tisch vor ihr, ihr zuzwinkerte und zur Uhr wies. Die feschen Augen Sinas wanderten in ihren Höhlen herum, bis sie die Uhr über der Tafel streiften. In zwanzig Minuten würde die leidige Mathematikstunde zuende sein. Nie zuvor hatte sich Sina so sehr auf ein Ende der Stunde gefreut wie heute. Ihr Buch fehlte ihr.

Kapitel 2

Ihre Rucksäcke locker auf den Rücken geschmissen, schlurften Sina und Reena durch die Gartenkolonie nach Hause. Es war sonnig und warm, ein herrlicher Frühsommertag.
„Der Lehrer ist affig! Mir einfach das Buch weg zu nehmen“, sagte Sina. Sie hörte, wie ihre Freundin, im selben Alter wie sie, auflachte.
„Wenn man so offensichtlich nur kitschige Pferdestories liest, statt Schulstoff zu pauken, kein Wunder.“
„Haha“, gab Sina zurück. Sie zupfte ihr marineblaues langärmeliges Shirt zurecht und folgte zähneknirschend den Weg hinauf, der von etliche Lauben umsäumt wurde. Einige waren besonders liebevoll aufgemacht, andere sahen aus, als würden sie Jahre vor sich hin schimmeln.
„Ich muss mich damit abfinden, dass ich kein eigenes Pferd haben kann. Dafür schwelge ich in Büchern und schaue Filme über Pferde und ihre Abenteuer“, sagte Sina.
„Na ja, du hast doch die Reitbeteiligung auf Paco. Das reicht doch, oder nicht?“ Reena schob ein Kaugummi zwischen ihre rot geschminkten Lippen. Fesch in dunklen Kleidern und besonders schlank, sah sie deutlich älter als vierzehn aus.
Sina zwinkerte und zuckte mit den Schultern. „Klar“, sagte sie und blieb stehen. „Paco ist nur ein Pony.“
„Mein Gott, du hast Wünsche, Sina. Es gibt Leute, die können sich keine Reitbeteiligung leisten. Freu dich, dass du es kannst.“ Ihrer Freundin Mut zusprechend, neckte Reena sie. „Sieh´s mal positiv, lieber einen Haflinger als diese 50-Cent-Wackelpferde, die oft vor Supermärkten stehen.“
„Was redest du da, Mann?“, fragte Sina und ließ sich erklären, was ihre Freundin mit Wackelpferd meinte. Sie verstand erst spät, dass es diese Dinger waren, wo man Geld einwerfen konnte, um dann ein paar Minuten hin und her zu schaukeln. Kinderspielgeräte. Die locker flockige Art der hochgewachsenen Halbrussin Reena, die sie seit dem Kindergarten kannte, entlockte ihr ein Grinsen. Grübchen erschienen an ihren Mundwinkeln. „Du hast recht“, sagte sie.
Die beiden Mädchen gingen weiter. Ihnen kam ein Mann entgegen. Sie kannten ihn  flüchtig. Er war wenig freundlich und grüßte  nicht, als er an ihnen vorbei kam. Er zog eine Fahne nach sich. Es roch nach billigem Alkohol und er schien angetrunken zu sein. Weiße Zotteln hingen ihm auf dem Rücken. Sein Hemd war am Kragen dunkel. Er trug eine kakifarbene Cordhose.
Sina sah Reena an, die den Gestank nach Suff scheinbar nicht gerochen hatte.
„Hey, warte!“
Sina ging weiter, als hätte sie ihre Freundin überhört. Ihre Aufmerksamkeit galt einem Jägerzaun. Dahinter befand sich ein ungepflegter Buschwald. Keiner der Büsche war gestutzt. Mehrere Bäume wucherten in den Weg hinein.
Reena tauchte neben Sina auf. „Was´n?“
„Schau mal!“ Sina wies mit dem Zeigefinger auf ein paar Strohhalme, die vor dem Gartentor lagen. Auch hinter dem Tor konnte sie ein paar sehen. Dann meinte sie, ein Schnauben zu vernehmen. „Hörst du das auch?“
„Was?“
„Ein Pferd!“
Reena lachte. „Das hier ist eine Kleingartenkolonie. Hier dürfen keine Tiere gehalten werden.“
Aufgeregt beugte sich Sina über den Zaun, versuchte, etwas Verdächtiges zu entdecken. „Heu!“
„Vielleicht ein schwarzer Araberhengst.“ Schnippisch, aber nicht wirklich herablassend, formte Reena mit ihren Händen ein Herz. „Der schwarze Hengst, die größte Liebe ihres Lebens. Boa, wie kitschig. Als ob es Hengste sein müssen. Das verstehe ich an den Filmen und Büchern sowieso immer nicht.“
Aus dem linken Weg kam ein älteres Ehepaar. Die greise Dame nickte den Teens zu. Sina bekam sofort ein komisches Gefühl im Bauch. Fast, als würde die Frau etwas über den zugewucherten Garten wissen. Sie wollte ihr noch nachrufen und fragen, ob sie den Eigner kannte. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Der Cordhosen-Opa musste es gewesen sein. Seine Optik passte zu gut zu dem lumpigen Garten.
„Mach das nicht. Es ist Hausfriedensbruch“, mahnte Reena, als Sina drauf und dran war, das Tor zu öffnen. „Hey, du hast Stalldienst um vier Uhr. Lass uns jetzt hingehen, wenn du Paco vorher noch reiten willst.“
Da war es wieder. Ein Wiehern. Sina ballte die rechte Hand zur Faust. „Ein Pferd, ich habe ein Pferd gehört. Das bilde ich mir nicht ein.“

Vita: Sarah Lee

Sarah Lee ist das Pseudonym der Autorin Julia Meyer. Sie wurde 1983 in Lüneburg geboren.
Sie ging zur Realschule und absolvierte eine Lehre zur Groß-und Außenhandelskauffrau. Sie arbeitet als Vertriebssachbearbeiterin in einer Firma für Tiefkühlfisch.
Seit ihrer Jugend schreibt sie Romane und Kurzgeschichten. Im Laufe der Jahre haben sich viele Geschichten angesammelt. Der erste Erfolg kam 2002 mit dem Kurzkrimi „Josefs Braut“, der in der TV-Zeitschrift „Funk Uhr“ abgebildet wurde.
Der erste Teil der Sina-Reihe, eine Reihe über Freundschaft, Pferde und Lehrthemen, „Sina und das Pony aus dem Schrebergarten“ erschien sowohl im Ebook-Format als auch als Taschenbuch bei Amazon. Teil zwei und drei folgten, ein vierter ist bereits in Artbeit. Die ersten drei Bände gibt es im praktischen Sammelband „Sinas Pferdeabenteuer“ in beiden Versionen, Taschenbuch und Ebook. Des Weiteren schreibt sie auch Liebesromane.
Weitere Werke aus den Bereichen Horror und Thriller sind unter ihrem richtigen Namen ebenfalls bei Amazon erschienen.
Neben ihrem Hund ist die Autorin begeisterte Opel-Fahrerin, geht gern schwimmen, in Freizeitparks und ist mit Freunden unterwegs.

Link zur Autorenseite bei Amazon.